Hopfen USA

CRAFT BEER TOUR PART 3: Hopfenernte! Yakima Yeehaw!

Nina Anika Klotz

Drei Wochen waren wir in Washington State und Oregon in Sachen Craft Beer unterwegs. Highlight unserer Tour war schließlich die Hopfenernte im Yakima Valley. Dr. Marc Rauschmann, der Kopf hinter Braufactum, und Thomas Raiser von der Barth-Haas Group, haben für eine kleine Gruppe aus Biersommelieren, Brauern und Hopfenprofessionals eine Tour zu Bauern und Verarbeitern organisiert. Zwei Tage haben wir uns in den Feldern des größten Hopfenanbaugebiets der USA herumgetrieben und festgestellt: Yakima boomt. Craft Beer sei Dank. Eine Erntereportage

„Use sombrero duro en esta area“, steht auf dem Schild neben dem Tor zur Hopfenverarbeitungsanlage der Wykoff Farms in Grandview, WA. Heißt: Hier immer einen festen Sombrero tragen. Einen harten Hut. Oder viel mehr eigentlich einen Helm. Und das steht dort auf spanisch, weil hier vorwiegend Mexikaner arbeiten. Sie fahren die Lastwagen, auf denen die langen Hopfenreben vom Feld in die Verarbeitungshalle gebracht werden, stehen an den Haken, wo sie eingehängt und in die Pflückmaschine gezogen werden, überwachen die hundert Meter langen Förderbänder und machen Qualitätskontrolle am Ende, wo die hellgrünen kleinen Dolden millionenfach auf der Darre landen um getrocknet und schließlich in große, graue Sackpakete gepresst zu werden. Ganz vorne am Eingang steht ein behelmter Mexikaner und winkt fröhlich. „Hello! Where from? You like beer?“ Ja, natürlich. „Good! This is beer“, sagt er und zeigt strahlend auf die Berge frisch angekarrten Hopfens mit Blättern und Stängeln und allem. „This is beer, many different kind!“ Und er hat ja Recht.

Es ist Erntezeit im Yakima Valley, dem zweitgrößten Hopfenanbaugebiet der Welt. Knapp drei Viertel des gesamten amerikanischen Hopfens werden in diesem weitläufigen Tal angebaut, an dessen fernen Rändern sich eine kahle, dürr-gelbe Bergkette erhebt. Yakima steht wie kaum ein anderer Flecken Erde für Flavor Hops, für Aromahopfen, für Cascade, Simcoe, Citra, Mosaic. Das Yakima Valley ist in den letzten Jahren zu einem Hotspot der Craft Beer Welt geworden, world-capital of Lupulin, quasi. Hier wird gepflanzt, geerntet und geforscht, jedes Jahr sprießen neue Hopfenzüchtungen aus dem trockenen Boden im Süden des Staates Washington – die irgendwann vielleicht in den Double und Imperial IPAs dieser schönen neuen Bierwelt landen.

Shangri-la der Hopheads

Und jedes Jahr pilgern zur Erntezeit Brauer und Bierverrückte in das spröde Tal, um selbst bei der Ernte dabei zu sein. Zum ersten Mal haben auch Marc Rauschmann, Braumeister und Geschäftsführer von Braufactum, und Thomas Raiser, Sales Director bei der Barth-Haas Group, eine solche Reise organisiert. Brauer, Hopfenprofessionals und sonstige „Hopheads“, wie Rauschmann die rund 30-köpfige Reisegruppe in freundschaftlicher Verbundenheit  nennt, sind fünf Tage in Sachen Flovourhops und Craft Beer zwischen Seattle, Portland und Yakima unterwegs.

Hopfen USA

Hopfen, soweit das Auge reicht. Also zumindest in der Halle, wo die Dolden getrocknet werden. (Foto: NAK)

Yakima boomt. Noch in diesem Jahr werden die USA Deutschland in Sachen Hopfenanbau überholen, Flächenmäßig. Aber auch, was die Ausbeute der Ernte angeht, kommen sie den Deutschen immer näher. Zumal die Ernte in Deutschland – soweit sich das jetzt schon sagen lässt – eher miserabel ausfällt. Von bis zu 50 Prozent Ernteausfällen ist die düstere Rede. Die Ernte in Übersee hingegen? Läuft.

Die Wüste blüht

Die Witterung im Yakima Valley ist für den Hopfenanbau ideal. Und zwar konstant ideal: Eigentlich ist das von Gletschern und Vulkanen geformte Tal eine Halbwüste, durch deren Mitte der Yakima River mit seinen vielen Seiten-und Nebenarmen fließt. Die haben die Siedler vor hundert Jahren genutzt, um die öde Halbwüste zu einer fruchtbaren Oase zu machen. Denn die Böden sind mega – allein es fehlte ihnen ohne künstliche Bewässerung jeder Saft.
Heute wächst im Yakima Valley alles. Äpfel, Birnen, Pfirsiche und Melonen, Wein, Minze– und natürlich Hopfen, immer wieder Hopfen. Viel Sonne und kraftstrotzende Erde haben dafür gesorgt, dass der amerikanische Hopfen sich im internationalen Wettbewerb bestens macht: „Du kriegst hier mehr Alpha für weniger Geld“, fasst Alexander Himburg, Braukunstkeller, es ganz kurz zusammen.

Hopfen USA

Zwei, die sich davon gemacht haben. (Foto: NAK)

Das war natürlich immer schon so, doch nun hat die Hopfenbranche noch einen Extra-Boost bekommen: Der US-Hopfenhändler Haas, der in den 1970ern vom Deutschen Johann Barth gekauft wurde, bis heute aber als eigenständige Marke tätig ist, verzeichnete allein im letzten Jahr ein Wachstum von etwa 16 Prozent. Und das alles wegen Craft Beer.

Alle 16 Stunden eine neue Craft Brewery

Craft Beer ist in den USA kein Trend, sondern ein sehr ernstzunehmendes Marktsegment im Bierbereich, das mehr als 12 Prozent ausmacht. Ein paar Zahlen zum schwindelig werden: Aktuell eröffnet in den USA alle 16 Stunden eine neue Brauerei. Studien zeigen, dass Brewpubs und Microbrewies, die in den letzten drei Jahren aufgemacht haben, sich überraschend gut halten, die Schließungsquote (die bei Restaurants in den USA innerhalb der ersten drei Jahre allgemein bei 80 % liegt) ist verschwindend gering. Und: Für geschmacksstarke und besonders hopfige Craft Beers wird im Schnitt die zehnfache Menge des Hopfens benötigt, der in der Brauindustrie für ein „crisp lager“ genügt. Go, Yakima!

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Rattattatta, macht die Pflückmaschine. (Foto: NAK)

Yakima boomt also. Die gigantische Verarbeitungsanlage der Wykoff Farm ist erst vor knapp einer Woche in Betrieb genommen worden. Dave Wykoff hatte im November vergangenen Jahres mit dem Bau angefangen. Die Anlage selbst, ein „Wolf 1000“, kommt aus Geisenfeld in Oberbayern, die Systemsteuerung ist von Siemens, in einer Garage voller Ersatzteile und Werkzeug grinsen Götze und Neuer von Hanuta-Aufklebern auf einem Bosch-Bohrmaschinenkoffer. Auch wenn Dave Wykoff sich gern ganz bescheiden gibt und ungern konkrete Zahlen nennt, darf man getrost von einem Multimillioneninvest ausgehen. Das Risiko? Überschaubar. In Anbetracht der rosigen Zeiten für Hopfenbauern im Yakima Valley. Jede einzelne Dolde, die Wykoff in diesem Jahr erntet, war bereits letztes Jahr verkauft. Und die Ernten für die nächsten Jahre wird er auch schon vertraglich zugesichert los. Sollte es zu Überproduktionen kommen, darf er davon ausgehen, dass Craft Brewer weltweit, ihm seinen Yakima-Hopfen zu egal welchem Preis aus den Händen reißen.

Dave Wykoff betreibt rund 1600 Hektar Hopfenfelder. Grob über den Daumen sind das 2000 Fußballfelder. Sie liegen über 20 Meilen im ganzen Yakima Valley verteilt. Selbst für die Supersize-USA ist das viel und Wykoff damit der größte Hopfenpflanzer im Valley. Seine Familie ist seit 1975 im Hopfengeschäft, erzählt er. Damals setzten die Wykoffs ausschließlich auf die ausbeutestarken und robusten Bitterhopfensorten, Hopfen mit hohen Alpha-Säure-Werten. Das meiste davon wurde zu Hopfenextrakten verarbeitet und an Anheuser-Busch, Miller und Coors verkauft. Bis heute erntet Dave Wykoff Saaz, Columbus und Summit in rauhen Mengen. Aber im Lauf der Jahre, besonders der letzten zwanzig Jahre, während der ersten Craft-Beer-Welle der 1990er und dann noch einmal mit dem Beginn der zweiten nach der Jahrtausendwende, stellte Wykoff auch Aromasorten ein. Weil er die Zeichen der Zeit erkannt hatte: Aroma rockt. 2013 hat die Aromasorte Cascade die Bittersorte CTZ überholt und ist nun die am häufigsten geerntete Hopfensorte in den USA. Neben Cascade pflanzt Wykoff Chinook, Centennial und Citra auf seinen Feldern, Azzaca und Simcoe. „Im Prinzip kommt hier jedes Jahr eine neue Sorte dazu“, sagt Dave Wykoff, während tonnenweise Cascade-Reben durch seine schicke, neue, deutsche Pflückmaschine rasen. Cascade ist eine frühe Sorte und damit die erste, die er durch die nagelneue, dröhnende Riesenmaschine jagt, die von nun an 30 Tage durchlaufen wird. 24 Stunden am Tag, ohne eine einzige Pause, non-stop. Bis die letzte Wykoff-Rebe abgeschüttelt, getrocknet und in einen Sack gepresst vom Hof gekarrt wird.

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Qualitätskontrolle: Blätter und Stängel müssen raus. Die machen das Bier sonst später bitter. (Foto: NAK)

„Was hat sich verändert seit wir mit dem Hopfengeschäft angefangen haben?“ überlegt Dave Wykoff. „Nun: In erster Linie geht es heute mehr um Qualität.“ Mit den neuen Sorten sei auch so etwas wie eine neue Wertschätzung für den Hopfen gekommen, für Hopfen als ein Lebensmittel. Überall auf dem Wykoff-Gelände hängen Schilder, auf denen englisch und spanisch steht: „Remember: Hops are a food grade product.“ Damit seien auch die Themen Hygiene und „Food Safty“, wie Wykoff es nennt, auf Hopfenfarmen angekommen. „Das war längst überfällig“, sagt der Amerikaner.

Hopfen USA: Glück, Sorgfalt und Innovation

Ideale natürliche Bedingungen und die frühe Erkenntnis, dass der Biermarkt sich verändert, haben das Yakima Valley also auf einen Spitzenplatz im internationalen Hopfenbusiness gebracht – und die Tatsache, dass man hier ernsthaft und erfolgreich Innovation betreibt. Auf den Feldern rund um die Golding Farm in Toppenish werden zehn gängige Hopfensorten angebaut – „and quite a few experimentals“, sagt Dr. Scott Gardener, Technical Director der John I. Haas Inc., und grinst. „Quite a few“ ist natürlich eine meilenweite Untertreibung. Wir reden hier von hunderten wenn nicht sogar tausenden Hopfenneuzüchtungen, die unter der Sonne des Yakima Valleys gedeihen, von denen aber nur ein winziger Bruchteil später einmal den Sudpfannen und Whirlpools der Craft Breweries landen. „Von 20.000 Samen, die wir jedes Jahr ziehen, kommen drei oder vier durch“, sagt Gardener. Jedes Jahr tüfteln er und seine Kollegen etwa 90 Kreuzung aus. Sie versuchen, neue Aromen zu schaffen indem sie unterschiedliche Sorten vermischen. So wurde die Sorte Mosaic vor zehn Jahren hier geboren. Und Equinox.

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Vielleicht wird er mal ein großer, namhafter Aromahopfen. (Foto: NAK)

Jedes Jahr zur Erntezeit, wenn auch der Versuchshopfen reif ist, kommen siebzig, achtzig Brauer nach Yakima um durch das Haas Experimental Field zu stapfen, wo die Neuzüchtungen Pflanze an Pflanze nebeneinander stehen, erkennbar an den gelben Zetteln, die ihre Züchtungsnummer tragen: Experimental 972. Oder Exp. 92. Oft unterschieden sich die Dolden in ihrem Aussehen nur minimal  – und umso mehr in ihrem Geruch. Hier eine ziemlich starke Knoblauchnote. Da etwas Grünes. Und dieser hier… das ist doch Ananas, oder nicht? Stundenlang zupfen die Brauer Dolden, brechen sie mit den Finger auf, zerreiben sie zwischen den Handflächen und schnuppern wie irre. „Das nimmt manchmal schon verrückte Züge an, die laufen den ganzen Tag durchs Feld, die Finger total verklebt vom Doldenrubbeln, um die Nase herum ganz gelb und völlig Lupulin-overdosed“, sagt Gardener und lacht. Denn, um ehrlich zu sein, kann selbst er als absoluter Profi nach zehn verschiedenen Sorten kaum noch etwas riechen, dann brauchen Nase und Kopf eine Pause, eigentlich. Aber wenn die Craft Brewer erstmal drauf sind, dann geht das rub, sniff, repeat, rub, sniff, repeat – bis die Sonne untergeht.

In diesem Jahr ist Nummer 472 ein ziemlicher Renner, sagt Gardener. „Viele riechen da Burbon“, sagt er. „Für mich geht es auch fast ein bisschen in Richtung Kokosnuss.“ Gut möglich, dass die 472 nächstes, vielleicht auch erst übernächstes Jahr einen richtigen Namen bekommt und in den regulären Verkauf geht. Nebenan wachsen anderthalb Hektar eines neuen Hopfens, dem Scott den Arbeitstitel „Strawberry Hops“ verpasst hat. Weil er so riecht, ein bisschen. Der hat auch schon seine Proben im Haas Innovation Center in Yakima bestanden.

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Virgil McDonald, Versuchsbrauer mit guter Laune. (Foto: NAK)

In der dortigen Versuchsbrauerei verarbeitet Virgil McDonald Hopfenneuzüchtungen zu Bier. Er hat ein recht geradliniges Pale Ale Rezept mit 12 Plato Stammwürze, das quasi seine „weiße Leinwand“ ist, auf die er mit den unterschiedlichen Hopfen Kunstwerke zaubert, wie er sagt. „Oft kommt der Hopfen im Bier ganz anders zur Geltung als auf dem Feld“, sagt der Ex-Chemiker-jetzt-Brauer. Und manchmal kommt er auch gar nicht gut. Dann ist die Neuzüchtung raus. „Ich braue jedes meiner Bier genau ein einziges Mal“, sagt Virgil. „Ich habe quasi nur eine Chance, einen Treffer zu landen. Aber nicht, dass ich unter Druck stünde oder so.“

Der Strawberry Hops war auch im Bier ein Treffer. Und so ist es ziemlich wahrscheinlich, dass der vielleicht bei der nächsten Ernte mit einem anderen, wohlklingenderem Namen auf den Markt kommt. Die Craft Beer Brauer weltweit scharren schon mit den Füßen. Und das dürre Yakima Valley boomt weiter.

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Machen Bauern und Brauer glücklich: Hopfenreben im Yakima Valley. (Foto: NAK)