Kraftbierwerkstatt

KRAFTBIERWERKSTATT: „Was nützt ein Diplom, wenn das Bier Scheiße schmeckt?“

Jakob Kube

Machen kommt von machen – und nichts anderes. Das ist das Lebensprinzip von Oliver Koblenzer, Gründer der Kraftbierwerkstatt. So wird aus einem Fernsehjournalisten dann eben auch mal schnell ein Craft Beer Brauer, der gegen Heucheleien der Industriebrauerien anstänkert und immer noch vom Bier auf Hawaii schwärmt

Es ist seine größte Angst. Und zugleich auch seine Stärke: „Ich kann einfach meine Fresse nicht halten“, sagt Olly Koblenzer „deshalb kann ich auch nicht angestellt arbeiten.“ Koblenzer ist ein Self-Made-Man, ein echter Macher, einer der anpackt, statt lange rum zu theoretisieren. Einer, der aus den Nichts eine internationale Film- und Fernsehproduktionsfirma gegründet hat und jetzt zu den umtriebigsten Craft Beer Brauern Süddeutschlands zählt. Dabei war er bis vor acht Jahren was Bier angeht ziemlich leidenschaftslos. Das änderte sich ausgerechnet auf Hawaii. Wo es nämlich eben doch Bier gibt. Gutes sogar.

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War „was mit Medien“, ist jetzt „was mit Malz“: Oliver Koblenzer (Foto: KBW)

„Sind da Blumen drin?“

1998 macht Olly Urlaub auf Hawaii. Entlang von traumhaften Stränden und palmengesäumten Straßen findet Olly auch einen Weg nach Kona, einem kleinen Ort auf der südlichsten der hawaiianischen Inseln. Zufällig braut dort damals erst seit drei Jahren eine mittlerweile weltbekannte und von AB Inbev übernommene Craft Brewery – die Kona Brewing Company.
Sein erstes IPA, das er dort trinkt, haut ihn um. Sowas kann Bier sein? „Da hab ich mich echt kurz gefragt, ob da Blumen drin sind“. Passt irgendwie. Aloha und Blumenketten, so stellt man sich das doch vor auf Hawaii. Das Bier sollte nicht nur ein Urlaubserlebnis bleiben, sondern auch einen nachhaltigeren Eindruck bei Olly hinterlassen. „Das Bier war so der Hammer und dann das ganze Hawaii-Feeling…da war ich sofort infiziert“, sagt Olly.

Selbst ist der Mann

Zuhause in Deutschland kehrt Olly zunächst in seinen Alltag als Medienmann zurück: 1988 fing er als Reporter und Moderator beim Lokalradio in Sindelfingen an. Ohne journalistische Ausbildung. Wer braucht die schon, man lernt eh am Besten durch das Machen und Ausprobieren. Später zieht es ihn in die aufregende, damals noch irgendwie neue Fernsehwelt. Auch dieses Medium bringt er sich von Grund auf selbst bei. Wieder mit Erfolg. Bereits 1994 hat er seinen eigenen lokalen Fernsehsender im Kreis Böblingen. Mit Fleiß und Leidenschaft wird aus dem Sender eine internationale Film- und Fernsehproduktion. Okay, schon mal nicht schlecht für jemanden der sich alles selbst beibringt. Dass seine Medienerfahrung sein Ticket ins eigene Craft Beer Business sein wird, kann er da noch nicht ahnen.

Helf ich dir, so hilfst du mir

Nach seiner Bier-Offenbarung auf Hawaii entschließt sich Olly : So ein Bier kann ich mir doch auch selbst brauen. Einfach loslegen – hat in den Medien ja auch immer funktioniert. Fünf bis sechs Mal im Jahr braut er zuhause auf seinem Einkochtopf. „Da hab ich einfach vieles ausprobiert, da war auch mal ein Stout dabei“, sagt Olly über seine ersten Versuche. Praktischerweise wohnt zu der Zeit ein Cousin in Philadelphia, der ihn mit amerikanischen Aromahopfen versorgt. „Die Zutaten waren damals das Problem“, sagt Olly. Sein Cousin konnte ihm nur geringe Mengen über den Atlantik schicken. „Erst mit der Craft-Beer-Welle kamen immer mehr neue Sorten hier an“.

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Bier in seiner schönsten Form, einem aus Glas geformten Glas. (Foto: KBW)

Da kommt ihm ein Tauschgeschäft mit einem befreundeten Brauer gerade recht: Der Braumeister der Schönbuch Brauerei in Böblingen probiert sich an einem Bierblog. Selbstverständlich, dass Medienexperte Olly ihm da helfen kann. „Im Gegenzug durfte ich dann auf seiner Brauanlage mein eigenes Bier brauen.“ Kein schlechter Tausch. Prompt folgt die Feuertaufe für seinen ersten großen Sud. Das Team seiner Fernsehproduktionsfirma darf das Bier auf der Weihnachtsfeier probieren. Seine Kollegen finden‘s geil. Den Rest verkauft er an einen lokalen Bierladen. Der findet es noch geiler. Und vor allem braucht er schnell Nachschub. Was bleibt Olly also anderes übrig, als sein Bier jetzt regelmäßig zu machen.

Leidenschaft die Leiden schaft

Gemeinsam mit Rasmus Muttscheller und Oliver Bauss gründet Olly 2014 seine eigenes Craft Beer Unternehmen, die Kraftbierwerkstatt, etwas später schließt Vathana Thorn sich an. Was sich wie ein fester Braubetrieb anhört, ist in Wirklichkeit ziemlich „gypsy“. Das Team nutzt weiterhin die Schönbuch Brauanlage in Böblingen für mittlerweile vier Startbiere. Gleich das erste Bier der Kraftbierwerkstatt zeigt wieder Olly Improvisationstalent. Beim Sud No 1, einem kaltgehopften Ale, konnten sie sich einfach nicht entscheiden, ob das nun unter- oder obergärig werden soll. Am Ende wurde es einfach beides. Ein „Drunter- und Drübergäriges“, wie Olly es selbst beschreibt. Um die Aufgaben neben dem Braualltag kümmern sich Ollys ebenfalls medienerfahrene Kollegen. Rasmus ist der PR-Mann im Team, Vathana kümmert sich um die Webseite und betreut sämtliche Social Media Kanäle. Und Oli? Der ist Mann für alles. Braumeister, Bierlieferant und gelegentlich auch Lautsprecher, der eine klare Meinung zu Industriebier hat.

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Die „Core-Line“ der Kraftbierwerkstatt. (Foto: KBW)

Er, der Do-it-Yourself-Typ steht voll und ganz hinter dem ursprünglichen Craft Beer Gedanken. Er will mit der Kraftbierwerkstatt einfach nur ehrliches Bier brauen, ohne künstliche Konservierungsstoffe oder Chemikalien, die Gerbstoffe binden und am Ende des Brauprozesses wieder entfernt werden. Dass das bei deutschen Biergrößen weitverbreitete Praxis ist, regt ihn tierisch auf. „Wenn man den Produktionsprozess von Industriebier näher beleuchtet macht man sich keine Freunde“, sagt Olly. Der technische Hilfsstoff PVPP der in vielen industriell hergestellten Bieren verwendet wird, ist ihm ein ziemlicher Dorn im Auge. „Darin liegt die Schizophrenie. Das Reinheitsgebot erlaubt so manches was den Produktionsprozess vereinfacht oder beschleunigt. Völlig ausgeschlossen ist aber alles was nicht auf einem 500 Jahre alten Erlass eines Königs aus Bayern steht.“

Biere der Kraftbierwerkstatt? „Die sind eh reiner!“

Für seine Biere aus der Kraftbierwerkstatt sieht sich Olly dadurch aber wenig eingeschränkt. „Meine Biere sind eh reiner als nach dem Reinheitsgebot“. Man kann es auch sportlich nehmen. Für ihn steckt in der Craft Beer Bewegung ein riesiges Potenzial. „Wenn die kleinen, mittelständischen Brauereien mit den Craft Beer Brauern zusammenhalten, dann können wir den Großen ein klein bisschen weh tun!“, ist sich Olly sicher. Für seine Brauerei setzt er sich erstmal bescheidenere Ziele. „Ich will nicht mehr als 1.200 Hektoliter machen. Danach wird die Logistik einfach heftig“. Dafür mag er einfach den persönlichen Kontakt zu seinen Kunden zu sehr. Mit seinem Pick-Up, dem „schnellsten Bierlaster Deutschlands“, liefert er das Bier auch mal persönlich aus. Er schätzt seine Freiheiten als Selbstständiger.

„Beim Craft Beer musst du keinen überzeugen“. Ganz anders sei das in der Medienbranche. „Das ist oft die reinste Arschkriecherei“. Olly findet klare Worte, für das was ihm nicht passt. Trotzdem sieht er auch Parallelen zwischen seiner Anfangszeit in den Medien und der deutschen Craft Beer Bewegung. „Auch Fernsehjournalismus habe ich nicht studiert, genauso wenig wie ich Brauer gelernt habe, denn was nützt das schönste Diplom, wenn das Bier Scheiße schmeckt.“ Doch da gibt es auch etwas, was ihm an der Craft Beer Szene nicht so passt. Manchmal ist dem Gründer der Kraftbierwerkstatt Craft Beer ein bisschen zu viel Avantgarde. „Ich bin bewusst kein Biersommelier, ich bin Rock’n’Roll-Brauer.“

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Rock’n’Roll-Brauer und Bierfahrer: Oliver Koblenzer (l.) (Foto: KBW)

Auf einen Blick

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Oliver Koblenzer, Vathana Thorn, Rasmus Muttscheller und Oliver Bauss

Website

Bekannteste Biere:

  • 663Urban Wheat
  • Sud No. 1 (Brown Ale)
  • Triple A

Hopfenhelden's Choice:

  • 663 Urban Wheat