Kreativbrauerei Kehrwieder

KREATIVBRAUEREI KEHRWIEDER: Ahoi, Heimathafen!

Nina Anika Klotz

Zwei Gründer gehen getrennter Wege, ausrangierte Milchtanks bekommen eine zweite Chance als Braukessel und das Zigeunerleben hat ein Ende: Es hat sich viel getan in den letzten Jahren bei der Kreativbrauerei Kehrwieder.

Es geht nichts über nette Nachbarn. Oder zumindest Nachbarn mit einem netten Namen. So wie die: „Heimatgut“. Passt hervorragend zu „Kehrwieder“. Beides klingt irgendwie so schön nach home sweet home.

Seit ein paar Wochen ist das Gebäude auf einem Gewerbehof in Hamburg-Harburg genau das für Oliver Wesseloh und die Kreativbrauerei Kehrwieder: home sweet home. Endlich! Die Suche danach hat lange genug gedauert. 2012 beschloss der Brauingenieur nach acht Jahren im Ausland, als Brauer auf den Cayman Islands und Sudhaus-Salesmanager in Florida, in seine deutsche Heimat zurückzukehren. Er suchte sich einen Partner und fand den Brautechnologieabsolventen Fiete Matthies. Echtes Hamburger Gewächs auch.

Zusammen gründeten Wesseloh und Matthies die Kreativbrauerei Kehrwieder und begannen als Gypsie-Brauer. Das heißt, dass sie mal hier mal dort, mal anderswo brauten, bis Wesseloh vor einigen Monaten endlich eine geeignete Location für seine Brauerei fand und mit Würzepfanne, Whirlpool und Lagertanks in seinem Heimathafen Hamburg einlaufen konnte – direkt über einem Unternehmen namens „Heimatgut“.

„Die machen Wirsing-Chips“, erzählt Wesseloh grinsend, als er die Tür zu seinem Büro-Showroom-Besprechungszimmer aufschließt. „Schmecken aber ganz lecker.“

Es ist Sonntag, fast noch Vormittag. Andere Leute schälen sich jetzt gerade vermutlich aus dem Bett. Oder köpfen ihr Frühstücksei. Oliver Wesseloh aber hat schon ein paar Büroarbeiten erledigt und empfängt  den ersten von zwei für heute angekündigten Interview-Terminen. Dabei hat er sich eigentlich noch nicht ganz erholt von der After-Show-Feier am Freitag, nach seinem Auftritt in der NDR-Talkshow, wo er der Schöneberger und dem Axel Prahl mal erzählt hat, was Craft Beer eigentlich ist. Und dann war gestern auch noch der Winter Craft Beer Day im Alten Mädchen

Wenn man das alles so hört, könnte man meinen, Oliver Wesseloh ist nicht einer, sondern viele. Mindestens drei Brauer-Klone, die bei so ziemlich jedem Craft Beer Event in Deutschland präsent sind, auf Messen und Fachsymposien Vorträge halten, Craft Beer deutschlandweit verkaufen und natürlich irgendwann auch noch ziemlich gewaltige Biere brauen. Genau genommen hat Oliver Wesseloh nämlich drei Fulltimejobs: Er ist Gründer und Braumeister seiner Kreativbrauerei Kehrwieder, amtierender Weltmeister der Biersommeliere und Brauberater.

Ja, doch, das sei schon viel, sagt Wesseloh, der dafür an diesem Sonntagmorgen aber ziemlich frisch und sehr gut gelaunt aussieht, als er durch die noch nicht in Betrieb genommene Brauerei führt. Kein Malz- und Hopfengeruch, kein Brummen und Blubbern, keine nassen Füße. Noch so ein wildes und bewegtes Jahr wie das letzte halte er vermutlich nicht aus, sagt er nachdenklich und streicht sich, wie oft, durch den Ziegenbart. Weil er ja leider keine Klone hat, sondern alle drei Jobs selber macht.

Milch ist für Memmen. Craft Beer (der Kreativbrauerei Kehrwieder !) muss in die Tanks.

Nachdem Oliver Wesseloh 2012 beschlossen hatte, dass die Zeit in Deutschland reif ist für Craft Beer (oder „kreative Biere“, wie er, der „Kreativbrauer“ selbst lieber sagt), zimmerte er sich mit seinem damaligen Kompagnon Fiete Matthies und einem gemeinsamen Brauer-Freund selbst eine Brauanlage zusammen. In einer Scheune in Bayern. Mit Löten und Schweißen und aus Lochblech zusammengeschraubten Hopfenseihern und allem. Es ist ein Vier-Geräte-Sudhaus mit fünf Hektolitern aus alten Milchtanks geworden. „Alles, die ganze Brauerei hier ist eigentlich nach dem Prinzip Jäger und Sammler entstanden“, grinst Wesseloh und glättet  wieder den Ziegenbart. Nachdem die meisten bayerischen Milchbauern in den letzten Jahren von täglicher Milchabholung durch die Molkereibetriebe auf zwei-tägliche umgestellt hatten, waren deren Kühltanks zu klein und kamen deshalb ziemlich günstig auf den Markt. 300 bis 500 Euro für einen 500-Liter-Tank mit Rührwerk und Kühlzone. Die hat Wesseloh zur Heizplatte umgebaut. „Damit bringen wir den Sud zum Kochen. Das funktioniert, das haben wir ausprobiert“, sagt Wesseloh. Alles in allem hat ihn seine Anlage plus Füllerei vielleicht 50.000 Euro gekostet, sagt er. Angebote von Sudhausbauern fingen bei 250.000 Euro an, die größeren sind schnell bei 400.000.

Im Sommer 2014 gaben die beiden Brauer bekannt, getrennter Wege zu gehen, Matthies machte sich mit seinem eigenen Brauprojekt selbstständig, Wesseloh tüftelte gemeinsam mit seiner Frau Julia weiter an der Kreativbrauerei Kehrwieder. Als sie schließlich und endlich eine geeignete Location in Hamburg fanden, packten sie die Anlage, die bis dahin in der bayerischen Scheune auf ihren Einsatz gewartet hatte, auf einen Laster und brachten sie nach Hause.

Nun sind fünf Hektoliter freilich nicht die Welt… „Wir könnten wahrscheinlich schon größer“, sagt Wesseloh. Schließlich hat sich in den zwei Jahren, in denen die Kreativbrauerei ohne eigene Brauerei braute, einiges getan, Craft Beer wurde Thema, Kehrwieder mit seinem guten und schlauen Bier immer gefragter: Die Shipa-Serie, zum Beispiel, ist so ein schlaues Bier. Shipa ist nämlich ein Akronym und steht für „Single Hop IPA“. Die ganze Serie ist eine Reihe verschiedener IPAs, die mit jeweils unterschiedlichen Hopfensorte eingebraut wurden. Schlau, oder? Dann war Wesseloh einer der ersten deutschen Craft Beer Brauer, der ein Wet-Hops-Bier braute („Feuchter Traum“) und er brachte verschiedene Sondersude auf den Markt, das „ K&K Franz Ferdinand“, ein Imperial Vienna Lager, oder die Weltmeister Weiße Framboise, zum Beispiel.

Größer geht immer noch

„Wenn ich jetzt neu anfinge, würde ich mit einer größeren Anlage starten, das schon. Aber man darf nicht vergessen: So gibt uns das große Flexibilität. Und es hat uns wenig gekostet. Wenn du größer wirst, bist du schnell in dem Bereich, in dem es ohne Investoren nicht geht. Und ich will vermeiden, dass ich irgendwann in meiner eigenen Brauerei nicht mehr das Sagen habe.“ Mit der Milchkannen-Anlage wird er 1000 bis 1500 Hektoliter im Jahr schaffen. Würde man es darauf anlegen, gingen sicherlich auch 2000.  „Und wenn ich irgendwann sehe, es geht nicht mehr, dann gehe ich zum Hersteller und lasse mir eine größere Anlage planen, 20 Hekto dann wahrscheinlich – die aber wiederum für den Anfang viel zu groß gewesen wäre.“

In den nächsten Wochen und Monaten wird alles seinen Behördengang gegangen sein, die Brauerei jeden Brief und jedes Siegel haben, die sie braucht, und dann wird Oliver Wesseloh zum allerersten mal quasi zuhause Bier brauen. Und darauf freut er sich wie ein Schnitzel: „Ich habe die ganze Zeit gewartet, dass der Knoten platzt. Ich habe so eine lange Liste von Bieren, die ich gerne machen will. Aber das Problem bisher war: Bei den Gastbrauereien muss man immer eine ganz schöne Menge machen.Und da muss ich mich halt fragen, ob die Zeit wirklich schon reif ist für 40 Hektoliter von einem Imperial Coffee Stout mit  elf Prozent. Bei 40 Hektolitern ist richtig Kohle im Spiel, es täte weh, wenn die einfach weg wären Hier kann ich einfach mal 500 Liter machen, die wird man dann schon los.“

Kreativbrauerei Kehrwieder

Brauer sucht Frau – längst nicht mehr, sondern hat sie gefunden: Julia und Oliver Wesseloh, „zuhause“ in ihrer Brauerei. (Foto: StP)

 

Auf einen Blick

Kreativbrauerei Kehrwieder
Oliver Wesseloh, Hamburg

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Bekannteste Biere:

  • Prototyp
  • Shipa Single Hop Serie
  • Imperial Black Prototyp
  • üNN

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Ships Single Hop Serie

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