Nogne O Eigner Kjetil Jikiun

NØGNE Ø: Hier spricht der Kapitän

Nina Anika Klotz

Als hobbybrauender Pilot bei der SAS schmuggelte Kjetil Jikiun Aromahopfen in seinem Aktenkoffer und überredete Stewardessen, Flüssighefe in der Bordküche zu verstecken. Jetzt betreibt er mit Nøgne Ø eine der besten Craft Breweries Norwegens

Was jetzt kommt klingt wie ein Märchen. Ein Craft Beer Märchen. Ist aber alles wirklich so passiert. In schicken Berliner PR-Agentur sitzen Heerscharen junger Menschen mit Masterabschlüssen aus Utrecht und Mainz, 17 unbezahlten Praktika im Lebenslauf und gut angezogen sind die auch noch – und trotzdem könnten die sich eine so schöne Gründungslegende nicht ausdenken. Oder: Könnten sie vermutlich schon. Nur käme die nie, niemals so gut rüber, wie wenn der große, weihnachtsmannbärtige Mann mit dem Pferdeschwanz und dem köttbullarweichen Skandinavo-Akzent sie erzählt. Und die geht so:

Es war einmal ein Pilot. Der trank sehr gerne Bier. Sein Hobby war es, bei seinen Reisen um die Welt Biere zu probieren. Das machte er so ungefähr zwanzig Jahre. Dabei stellte er erstens fest, dass das Bier in seiner Heimat Norwegen vergleichsweise ziemlich langweilig ist und zweitens, dass es deutlich komplizierter ist, eine Boing 747 zu steuern als ein anständiges Bier zu brauen. Irgendwann fing er nämlich an, hobbymäßig, immer, wenn er gerade zuhause war, sein eigenes Bier zu brauen.

Zutaten für sein Bier kaufte er unterwegs. „Man hat als Pilot ja ein paar Vorteile, was Gepäckbestimmungen, Sicherheits- und Zollkontrollen angeht“, sagt er und grinst. „Und ich konnte schon auch mal einen Purser bitten, ein bisschen Hefe für mich irgendwo in der Kühlung der Galley zu verstauen.“ Wie praktisch.

Craft Beer statt Kurzstrecke

Weil der Pilot nicht nur ziemlich anständiges Bier brauen, sondern eben wie gesagt auch so eine Boing sehr gut steuern konnte, beförderte SAS ihn um die Jahrtausendwende vom Co-Piloten zum Kapitän. Eigentlich eine schöne Sache, Streifen mehr auf der Schulter und vermutlich auch ein dickerer Gehaltsscheck. Dem Pilot allerdings gefiel das nach ein paar Jahren nicht mehr so sehr: Als Co-Pilot war er nämlich immer auf der Langstrecke unterwegs gewesen. Als Kapitän flog er vor allem innernorwegische Routen, bisschen Europa. Ihm fehlten die besonderen Biere aus aller Welt. Und exklusive, amerikanische Hopfenpellets konnte er da auch nicht mal so nebenbei shoppen.

Also beschloss der Pilot Kjetil Jikiun 2002 die Fliegerei sein zu lassen und eine zweite Karriere zu starten. Als Craft Brewer. Gemeinsam mit einem Freund investierte er in eine Brauanlage und gründete Nogne O bzw. richtig ja Nøgne Ø in Grimstad, Südnorwegen. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten („Die Norweger wollten unser Bier nicht kaufen, sie sagten immer: ‚Das schmeckt nicht nach Bier‘“) ist Jikiun mittlerweile gut im Geschäft, produziert etliche tausend Hektoliter pro Jahr und rund 20 verschiedene Sorten Bier, exportiert rund 80 Prozent davon, unter anderem nach Großbritannien, in die USA und nach Japan. Er hat eine Goldmedaille beim World Beer Cup gewonnen und mit Mikkeller, Brewdog und Stone zusammen gebraut.  Seit 2005 macht Jikiun in seiner Brauerei auch Sake, wenngleich das mit dem Bier eigentlich nichts zu tun hat, ist einfach eine zweite Leidenschaft, die er auf seinen Reisen als Pilot entwickelt hat. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten („Die Norweger wollten unseren Sake nicht kaufen, sie sagten immer: ‚Das schmeckt nicht wie Sake‘“) ist er auch damit gut im Geschäft.

Eigentlich könnte hier das „und wenn er nicht gestorben ist“ kommen. Und in der PR-Version der Kommunikationstalente der Berliner Agenturen stünde das auch hier. In Wirklichkeit ist im Herbst 2013 aber etwas passiert, was aus dem Craft Beer Märchen eine echte,  überzeugende und vielleicht richtungsweisende Unternehmensgeschichte macht: Am 25.November übernahm der zweitgrößte norwegische Braukonzern, Hansa Borg 54 Prozent der Anteile der Firma. Mehr ist dabei nicht passiert. Es sei nur der Vollständigkeit halber erzählt. Weil wir ja keine Märchennacherzähler hier sind. Sonst ändert sich auch nichts. Sagt Kjetil Jikiun, der Craft-Brewer-Pilot und lächelt wie der Weihnachtsmann.

Nøgne Ø ist eine der berühmtesten Craft Breweries Norwegens. (Fotos: Stefan Peters)

Ohne Ö fehlt hier was: Nøgne Ø (heißt: „nackte Insel“. Echt.) ist eine der berühmtesten Craft Breweries Norwegens. (Fotos: Stefan Peters)

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  • Nogne O
    Kjetil Jikiun, Grimstad, Norwegen
  • Bekannteste Biere: 
    #500  – Imperial India Pale Ale, Bridge Road Arora Borealis, Dark Horizon First Edition