Von Freude

VON FREUDE: Statt Yogaschule oder so Kram

Nina Anika Klotz

Martin Schupeta und Natalie Warneke schmissen ihre soliden Schreibtisch-Kostüm-und-Krawatten-Jobs hin und brauen jetzt unter dem Label „Von Freude“ Bier. Ernsthaft. Um es zu verkaufen und irgendwann davon zu leben.

Das Schlimmste, was passieren kann, ist dass Martin Schupeta bei irgendeiner Hamburger Bank anrufen und fragen muss, ob sie nicht einen Job für ihn haben, in dem er irgendwelchen Mittelständlern Anlagezeug verkaufen kann. Darin ist er nämlich ganz gut. Nur hat er eigentlich keine Lust mehr darauf. Darum wäre das nur der Notfallfallplan, das Schlimmste eben, was passieren kann, wenn das mit dem eigenen Bier nicht klappt. Dann würde der Banker in seinen alten Job zurück. Eine Ecke unglücklicher wäre er dann vielleicht, aber sonst? Kein Ding. Insofern: „Ich habe so etwas wie Zukunftsangst einfach nicht“, sagt Schupeta und lächelt ganz fest und breitest überzeugt.

Von der anderen Seite des Tisches strahlt ihn seine Freundin Natalie Warneke voller Bestätigung an. Sie nämlich auch nicht. Und außerdem: „Ich glaube wirklich, dass das klappen wird.“ Jede Woche passiere so viel und das Feedback, dass das Paar zu seinem Bier bekommt, ist schlichtweg gut. Deswegen hat auch sie ohne viel Angst und Zaudern im Sommer ihre Stelle bei Tom Tailor als Textil- und Bekleidungsmanagerin gekündigt. Um Brauerin zu werden.

Neues Leben, mehr Freude. Von Freude!

Brauerin… – natürlich: Niemand sagt, dass man zum Craft Beer Brauen Vollbart, Brauerei-T-Shirt und mindestens ein, besser 15 Tattoos auf den Unterarmen braucht. Aber Schupeta und Warneke – Brauer? In hundert Jahren würde man das nicht raten. So auf den ersten Blick. Normalerweise, würde man annehmen, so auf den ersten Blick, werden Menschen wie Warneke, 31, und Schupeta, 35, wenn sie ihren Job hinschmeißen,  Yogalehrer. Oder sie gründen eine Surfschule in Costa Rica. Und verlegen ein Magazin. Oder so. Zeug, das Leute, die auf den ersten Blick eben so aussehen, machen, wenn sie ihrer Passion folgen. Dabei hat das Pärchen ja auch genau das gemacht: „Wir kochen und essen leidenschaftlich gern“, erklären sie. So richtig. Aufwändig. Ganze Samstage lang vorbereiten und 12 Stunden slowroasten und Pommes selber schnitzen und so. „Wir achten dabei auch sehr darauf, was wir essen. Das soll gute Qualität sein und keine Zusatzstoffe haben.“

Eine kritische ZDF-Dokumentation über deutsches Bier und das olle Reinheitsgebot erschreckte die beiden Besser-Esser: Wie jetzt? Hopfenextrakt? Polyvinylpyrrolidon? Farbebiere? Klingt alles irgendwie nicht so geil. Aus Trotz sagten sie sich: Das können wir selber besser, wir brauen unser eigenes Bier. Erst im großen Entsafter auf dem Herd, dann mit dem 20-Liter-„Braumeister“. Ziemlich erstzunehmendes Hobbybrauer-Equipment. Als sie den gekauft hatten, war irgendwie klar: „Das Hobby hat sich irgendwie verselbstständigt.“ Im Sommer 2013 beschlossen Natalie und Martin ganz und gar Ernst zu machen, im Oktober verkauften sie ihr erstes Bier – auf dem Wochenmarkt und in handverlesenen Hamburger Läden und Bars. „Das muss schon ein schönes Umfeld sein“, sagt Natalie. „Und unser Bier muss da erklärt werden.“

Mit dem Blick Fachfremder

„Wir wollen vieles anders machen“, erklärt Martin. „Auch bei Name, Webseite und Logo. Wir haben zu unserer Designerin gesagt: Entwirf etwas, das nicht nach Bier aussieht.“ Also nicht Lager-gelb, braun oder beige,  keine alte Schrift und kein stolzgeschwelltbrüstiger Slogan wie „Gebraut seit 1617“ oder so.  Raus kam: „Von Freunde“. Mit einem „O“ aus blauen Bubbles. Könnte auch für eine PR-Agentur oder Kindermode stehen. Bezeichnet aber Bier. Ales, vor allem. „Viel Freestyle“, sagt Martin, „vom Malz her eher klassisch-deutsch, amerikanischer Hopfen, Hefe aus der belgischen Richtung.“ Entwickelt, gebraut und abgefüllt in der Wohnung-Slash-Versuchsbrauerei-Slash-Verwalrung-Slash-Lagerhalle der beiden Macher. „Wir mussten schon einen zusätzlichen Kühlschrank anschaffen“, sagt Natalie.

Aber auch so ein zusätzlicher Kühlschrank ist ja eigentlich kein Ding. Das Schlimm-Beste, das passieren kann, wenn man ein Hobby zum Beruf macht, ist, dass man irgendwann keine Freizeit mehr hat. Weil die Grenzen anfangen zu fließen. Und dann noch als Paar… – „Wir merken schon, dass wir eigentlich ständig über Bier sprechen“, sagt Natalie. „Und auch wenn jeder Tag anders ist, arbeiten wir in Summe jetzt schon auch mehr als in unseren alten Jobs. Aber dafür auch mit viel mehr Spaß.“ Mit mehr Freude, so zu sagen.

______________________________________

  • Bekannteste Biere: 
    Ale Primeur, Boulevard