Fritz Wülfing, Ale-Mania

ALE-MANIA: Doch was ist Craft Beer?

Fritz Wülfing

Fritz Wülfing ist einer der absoluten Craft-Beer-Pioniere Deutschlands: Hat angefangen als Homebrewer, das Ganze irgendwann als Gypsie-Brewer professionalisiert, ging mit einer erste Craft Beer Marke namens Fritz Ale an den Start, relaunchte, wurde zu Ale-Mania und braut seit allerneuestem in seiner eigenen, kleinen Brauerei in Bonn ziemlich hervorragendes Craft Beer – und das alles während er weiter als Ingenieur bei der Telekom arbeitet. Irgendwie hat er es nun sogar auch noch geschafft, zusammen mit seiner Frau Heike ein Buch über die Craft Beer Revolution zu schreiben, „Craft Bier selber brauen – Revolution der Heimbrauer“. Weltexklusiv ein Vorabdruck daraus: Fritz Wülfing, einer der erfahrensten deutschen Craft Beer Brauer über die Frage: Was ist das eigentlich? Was ist Craft Beer?

 

Craft Beer, das sind Biere, die neu und anders schmecken und von unabhängigen Freigeistern gebraut werden. Wenngleich die Kultur des Craft Beers sich von den USA über die ganze Welt ausbreitet, scheint eine Erneuerung der deutschen Bierlandschaft nur mühsam möglich zu sein. Dabei ist sie doch dringend notwendig, denn der deutsche Biertrinker ist vom üblichen Einheitsgeschmack gelangweilt; die sinkenden Absatzzahlen sprechen Bände.

Deshalb ist es jetzt an der Zeit, mit Mythen und gepflegten Irrglauben über unser ältestes Kulturgetränk Bier aufzuräumen. Es ist wichtig, Interesse an der neuen und zugleich Traditionen wiederbelebenden Kultur der weltweiten Craft Beer-Szene zu wecken, die endlich auch deutsche Lande erreicht. Erfahren wir mehr über die vielfältigen, handgemachten Biere, um sie mit der gebührenden Wertschätzung zu genießen!

2016 wird ein großes Jubiläum gefeiert:

Das älteste, angeblich unverändert gültige Lebensmittelgesetz der Welt feiert sein 500-jähriges Bestehen! Doch ist es tatsächlich unverändert geblieben? Und wie gestalten sich die Auswirkungen dieses sakrosankten Erlasses bayrischer Herzöge? Ist Deutschland noch immer die „führende Biernation“ der Welt? Gibt es nicht schon andere Länder, in denen die geschmackliche Vielfalt des Bieres intensiver gelebt wird? Aber wir sind es doch, die die reinsten und besten Brauzutaten verwenden, die natürlich auch immer das beste Ergebnis hervorbringen! Oder? Was bedeutet „Reinheit“ überhaupt? Ist es lediglich die Beschränkung auf bestimmte Zutaten? Oder sollte hier nicht vielmehr gerade die Qualität der einzelnen Rohstoffe im Vordergrund stehen? Nach dem Reinheitsgebot darf Bier mit pestizidbehandelter Gerste und Hopfen hergestellt werden, nicht aber mit Bio-Kräutern von kontrollierten Öko-Bauernhöfen. Hier wird Reinheit wohl mit Einschränkung verwechselt.

was ist craft beer

DAS ist Craft Beer. Nicht das Sportschaugesöff zum runterhopfen. (Foto: StP)

Wir werden erfahren, dass immer wieder – schon 40 Jahre nach Erlass des Reinheitsgebots und natürlich auch im heutigen Zeitalter – „Modifikationen“ oder großzügige Interpretationen des Reinheitsgebots zugelassen oder gebilligt werden. Entsprechen die Getränke, die uns heute als „Bier nach dem Reinheitsgebot von 1516 gebraut“ begegnen, diesem tatsächlich? Sind die Herstellungsmethoden tatsächlich traditionell? Oder hinterlassen die industriellen Prozesse, die viele Produkte durchlaufen, nicht doch einheitliche, möglichst lange haltbare Produkte? Oft wird das Bier dabei mit Stoffen und Methoden manipuliert, die so gar nichts mit dem Reinheitsgebot gemein haben.

Unser Geschmack ist durch die Produkte großer Braukonzerne so global geschult, dass wir davon abweichende geschmackliche Vielfalt als störend empfinden. Bier ist zu einem schnöden Produkt verkommen, das nur noch vermarktet wird. Die jahrzehntelange Doktrin in einem protegierten Markt hat die deutschen Biertrinker jeglicher kulinarischer Kritikfähigkeit beraubt.

Das ist nicht überall so.

Denn längst hat sich ausgehend von den USA, wo in einer trostlosen Bierwüste vor 30 Jahren die Entwicklung begann, eine neue Bierkultur, eben die des Craft Beers, über die ganze Welt verbreitet. In den USA hat diese Kultur schon über 3000 Brauereien hervorgebracht, die meistens auf der Initiative von Heimbrauern basieren. Es sind gerade die freigeistigen Autodidakten, die angetrieben durch ihre Passion den Schritt in die Profession gehen.

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Das happy end eines Craft Beer Tastings: Gläser Leer, Leute fröhlich. (Foto: StP)

Erstaunlicherweise hat gerade die hohe Bildung der Brauer in Deutschland eher verhindert, dass die Biervielfalt wächst und neue Brauereien entstehen. Dabei ist das Potenzial in jeder Hinsicht vorhanden. Einige Vertreter dieses hoffnungsvollen Potenzials – in Deutschland und weltweit – sollen deshalb auch hier vorgestellt werden. Sie haben die Bierkultur maßgeblich beeinflusst, sind besonders oder haben Neues bewirkt.

Dabei wird sehr oft der Bierstil India Pale Ale, kurz IPA, erwähnt.

Dieser Stil ist das Produkt der neuen Craft Beer-Szene. Entstanden im England des frühen 19. Jahrhunderts, ist die Neuinterpretation des IPAs in den USA typisch für das unangepasste Brauen neuer Stile. Um noch mehr Potenzial zu wecken, soll hier auch zum Heimbrauen animiert werden. Denn wer zu Hause braut, interessiert sich für Bier und erwirbt tiefgreifende Kenntnisse über dieses wundervolle Getränk. Er gibt dieses Wissen weiter, sei es in Worten oder durch Taten, sprich leckere Biere. Die Folge ist eine bessere Bildung und eine Aufwertung unseres liebsten Kulturgetränks. Von dort, wo Craft Beer schon längst eine hohe Wertschätzung erfährt, stammen denn auch die wegweisenden Worte eines weisen Mannes, Benjamin Franklin, mit denen wir diese kleine Einführung beenden: „Beer is living proof that God loves us and wants to see us happy.” („Bier ist der lebende Beweis dafür, dass Gott den Menschen liebt und ihn glücklich sehen will.“)

 So schaut’s aus, das Fritz-und-Heike-Wülfing-Craft-Beer-Buch. Und worum geht’s? „Wir wollen Craft Beer und seine Heroen bekannter machen; dabei scheuen wir uns auch nicht, mit einigen Mythen rund ums Reinheitsgebot aufzuräumen. Und natürlich wollen wir zum Heimbrauen animieren. Es gibt eine genaue Anleitung und 11 Rezepte“, so Heike Wülfing.

 

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