Die Alternative zur Alternative: Malzbier ist das etwas andere alkoholfreie Bier – und fristet ein Schattendasein in der deutschen Bierwelt. Bis jetzt. Mit Berliner Malz treten die Hauptstädter Richy Ugwu und Arinze Odenigbo an, das olle Malzbier mal ordentlich zu entstauben
Da! Schau! Genau da!
Da ist sie, die vielleicht (vermutlich nicht) letzte Nische der Bierwelt, in der die Craft Beer Bewegung noch nicht angekommen ist. Der letzte (wohl kaum) Bierstil, der noch auf sein Revival gewartet hat. Jetzt ist seine Zeit gekommen: Malzbier, everybody! Die Wiederauferstehung des Malzbieres hat begonnen. Malzbier in geil. Craft Malzbier, wenn man so will.
Malztrunk, Malzbier? Malz halt.
Doch hier erstmal das Kleingedruckte: Um genau zu sein müsste man schreiben „Malztrunk“. Nicht Malzbier, sondern Malztrunk. Beides gibt es, beides ist sich verdammt ähnlich, aber ein Politikum haben – man ahnt es schon fast – die Bayerischen Reinheitsgebotsschützer daraus gemacht im sogenannten und glücklicherweise recht unblutigen „Süßbierkrieg“ der 1960er. Seitdem darf sich offiziell Malzbier nur das Getränk nennen, das aus Wasser, Malz, Hopfen und Hefe gemacht ist. Der Malztrunk besteht aus denselben Zutaten – allerdings oft minus Hefe und immer plus Zucker. Und wegen dieses Zuckers darf der Malztrunk nicht Malzbier heißen – theoretisch. In der Praxis wird der Begriff Malzbier von den Malzbiertrinken fröhlich weiterverwendet für das Getränk. („Echtes“ Malzbier, das also ohne den zugesetzten Zucker, hat dafür übrigens eigentlich um 1,5% Vol. und gibt es in dieser Form so gut wie gar nicht im Handel.)
Neben Malzbier hat das dunkle, süße Getränk auch eine Menge anderer Namen: Gesundheitsbier (aber das darf man nicht mehr sagen, „gesund“ draufschreiben ist immer gefährlich). Kinderbier. Nährbier. Beides, dass es für Kinder und besonders nahrhaft sei, war für das Image des Malzbieres nicht sonderlich dienlich. Dickmacher für Kindische – wer mag schon mit so etwas in der Hand auf der Party stehen.
Malzbier: ein guter, alter Bekannter
Und so dümpelte die Gattung des Malzgetränkes eben so vor sich hin, kam nicht recht aus dem Quark, legte nie zu, auch nicht als die alkoholfreien Biere und die fancy Limonaden längst alle zu boomen begannen – völlig ungerechtfertigt, wie die beiden Berliner Richy Ugwu und Arinze Odenigbo fanden. Denn wenn man Malzbier mal aus einer betriebswirtschaftlichen Sicht betrachtet, aus den Augen eines erfahrenen Managers und Gründers wie Richy Ugwu und eines Anwalts und Startup Coaches wie Arinze Odenigbo, zum Beispiel, dann ist das Malzgetränk eigentlich total spannend: Die allermeisten kennen das Produkt, aber die allerwenigsten trinken es – bisher. Viele haben Kindheitserinnerungen auf denen man gut aufbauen kann. Man muss Malzbier nicht neu erklären – nur neu auf Tableau bringen. Ein neues, altes Produkt – da müsste doch etwas gehen.
Und auch, wenn man sich anschaut, wer Malzbier heute so trinkt: alle! Das sind Männer (Sportler) wie Frauen (Mütter). Junge (Kinder) und Alte (Rennradfahrer). So heterogen – die Zielgruppe ist potentiell riesig. Wenn man’s gut macht.
Jünger, schicker, craftiger
Und bisher, fanden Ugwu und Odenigbo , hat das noch keiner getan. Neben den beiden den Markt dominierenden Marken Vitamalz (Krombacher) und Karamalz (Eichbaum) gibt es gefühlt nichts. In Wirklichkeit gibt es etwa 60 Malztrunk-Marken. Gegenüber mehr als 6.000 Biermarken in Deutschland. Also quasi wirklich nichts. Und so ist da viel Platz für eine neue, jüngere und – ja, auch das – craftigere Marke wie eben diese: Berliner Malz.
„Handcrafted Malt Beer“ steht auf der Flasche, einer braunen 0,3l-Longneck. Mit „Malt Beer“ schlawinern sich die beiden Gründer aus der Süßbierkriegsfrage „Malzbier oder Malztrunk“. Der Angelsachse macht da nämlich keinen Unterschied: Malt Beer halt. Alkoholfrei. Und vor allem das: „Cooles Design, weniger süß und Bioprodukt. Das waren die drei Eckpunkte, die für uns bei der Entwicklung unseres Getränks entscheidend waren“, erzählt Richy Ugwu.
Und dann redet er weiter mit der Begeisterung eines Craft-Pioniers: wie die Idee beim Zusammensein mit Freunden entstand, wie er und Arinze ihre ersten Recherchen angestellt haben, wie sie über Geschmack diskutiert haben. „Vielen ist herkömmliches Malzbier einfach viel zu süß. Also wollten wir es weniger süß machen. Auf der anderen Seite ist die Süße ja auch der Charakter von Malzbier.“ Süßbier, eben. Ein schmaler Grad also. Malzbier der beiden großen Hersteller hat etwa 8 Gramm Zucker je 100 ml. Das ist ordentlich viel Holz, macht 24 Gramm je Flasche. Mehr als 50 Gramm sollten Erwachsene laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung nicht zu sich nehmen. „Wir lösen das, indem wir so viel Süße wie möglich direkt aus dem Malz holen und statt viel Invertzucker wenig Biorohrzucker zugeben.“ Man riecht das direkt, wenn man die Flasche öffnet. Herzhaft malzig. Und man kann es auf dem Etikett nachlesen: Beim Berliner Malz haben 100 ml nur 2,3 Gramm Zucker.
Detmolder Berliner Malz
Ihren ersten Batch Berliner Malz haben die beiden im Dezember 2019 in Detmold gebraut. Warum gerade da? Weil dort Liebharts Privatbrauerei ist. Und weil das ein Bio-Bier-Veteran mit Erfahrung ist – und mit genügend Kapazität. Sie wollten nämlich schon mit ausreichend Ware im Januar 2020 an den Start gehen.
„Wir fokussieren uns auf das B2B Geschäft und haben im Grunde vier Streams: Cafés, Spätis, den spezialisierten Einzelhandel und Büros, bei denen die Arbeitgeber etwas mehr in ihre Mitarbeiter investieren und diesen nicht nur Wasser und Tee anbieten – davon gibt es in Berlin ja zum Glück ein paar. Zudem sind wir derzeit auch mit Biohändlern in Gesprächen“, erklärt Richy. Mit dem Vertrieb haben sie im Januar 2020 begonnen – kurz vor Corona. Denkbar unglücklich freilich. Aber: Ist wie es ist. Und der Anfang des Geschäfts vor der Pandemie sei überaus vielversprechend gewesen, berichtet Richy.
Tricky: Produktkategorisierung von Malzbier
Das weniger süße Bio-Malzbier sei sogar so gut angekommen, dass er und sein Co-Gründer jetzt bereits und sehr konkret über eine eigene Brauerei nachdenken. Mehr als das: Sie sprechen bereits mit Brauereien, denen die Krise zu sehr zugesetzt hat. Vielleicht eine Chance für die Malz-Brauer, hier Strukturen und Personal direkt mit zu übernehmen. Das wäre auch insofern sinnvoll, erklärt Richy, weil sie ihr Produkt Bier-nah vermarkten möchten. Also: auch. „Wir erklären Berliner Malz als eine alkoholfreie Alternative zu Bier und eine wesentlich zuckerärmere Alternative zu Cola“, sagt er. „Wobei die Frage der Produktkategorisierung bei Malzbier generell sehr spannend ist. Wenn man im Supermarkt schaut, findet man Malzbier derzeit beim Bier oder bei den Limonaden.“ Und wo sollte das Berliner Malz seiner Meinung nach stehen? „Bei der Cola auf keinen Fall, eher beim alkoholfreien Bier oder bei den Lifestylegetränken. Also beim Späte sehen wir uns nicht im Bierkühlschrank, sondern neben der Clubmate oder in der Craft-Beer-Sektion.“
Im Zuge der Lockerungen und der Rückkehr in die Startup-Büros der Hauptstadt zieht das Geschäft in Sachen Craft Malzbier nun auch wieder an. Was bisher für Richy und Arzine ein Nebenprojekt ist, entwickelt sich zu einem serious business, wer weiß, vielleicht wird es ja bald ein Hauptjob. Mittlerweile denkt Richy auch schon über einer Erweiterung des Produktportfolios nach. „Primär möchten Berliner Malz erst einmal ordentlich auf dem Markt positionieren. Im nächsten Schritt ist es gut denkbar, dass wir weitere Produkte in unser Sortiment aufzunehmen. In den USA liegt zum Beispiel die Kombination aus Malz und Ingwer im Trend, dies könnten wir uns auch sehr gut auf dem deutschen Markt vorstellen.“ Ui, schau! Da sind sie also! Noch mehr Nischen! Noch mehr Neues.