Bart Neirynck

Das beste SAUERBIER: Meine Empfehlungen

Nina Anika Klotz

So much to drink, so little time! Wir bräuchten da doch mal eine Empfehlung, bitte. Welches Bier ist das Beste? Craft Beer Professionals stellen ihre Favoriten vor. Bart Neirynck, Chef der Belgischen Bierbar in Berlin-Prenzlauer Berg, verrät uns seine fünf liebsten Sauerbiere.

An dieser Stelle nehme ich mir die Freiheit die Top 5 meiner Lieblingssauerbiere nur aus der Menükarte des HERMAN zu wählen. Und los geht’s:

  • Platz 5: 3 Fonteinen Oude Kriek vs. Cantillon Kriek.

Eine Hin-und-Her-Geschichte zwischen beiden Bieren, findet Richard Hodges, Braumeister vom Berliner Berg. Immer wenn Richard mit Freunden bei mir zu Gast ist, stellt er mir die gleiche Frage: „3 Fonteinen Oude Kriek oder Cantillon Kriek?“ Und es endet immer wieder damit, dass ich beide Flaschen auf den Tresen knalle und immer wieder wählt er heute 3 Fonteinen Oude Kriek (Richard bevorzugt nämlich ganz klar 3 Fonteinen Oude Kriek) und morgen („Damn Bart, this is actually a lot better than I thought“) Cantillon Kriek. Die Unentschlossenheit, mit der Richard in diesem Fall zu kämpfen hat, ist ganz verständlich und allen Lambics/Geuzes und Krieks (im Grunde genommen spontan-vergorene säuerliche Biere, manchmal verschnitten oder mit Kirschen vergoren sind) inhärent. Denn keine Flasche (und im engeren Sinne auch kein Batch) der gleichen Sorte schmeckt je  hundert Prozent gleich. Und so kann es auch mal passieren, dass ein großer 3 Fonteinen Oude Kriek-Liebhaber wie Richard Hodges im direkten Vergleich mit dem Cantillon Kriek, heute mal das Eine und morgen mal das Andere bevorzugt. Ich aber als Belgier und damit Diplomat, lasse die Kirche im Dorf und finde beide Biere einfach jans jans jut.

bestes Sauerbier

Bier in der Bierbar nebem dem Biermenü. (Foto: StP)

  • Platz 4: Liefmans Goudenband

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle Liefmans Goudenband aus dem Jahr 2004 nennen, aber das wäre nicht fair: die 0,75 Liter-Flaschen liegen in den tiefen Kellern der Liefmans Brauerei, ruhig am Fluss „de Schelde“ in der schönen Ost-Flämischen Stadt Oudenaarde. Genießen kann man das Vintage Goudenband nur noch in Antwerpen, in „The Upper Room Bar“ vom Restaurant The Jane, für großes Geld. Wenn man aber das Glück hat, so wie ich es vor nicht all zu lange Zeit hatte, sich vor Ort in der Brauerei mit dem Braumeister Marc Coessens zu treffen, dann könnte es vielleicht auch geschehen, dass der gute Mann gute Laune hat und die eine oder andere Vintage Flasche mit Dir probiert, umsonst… Liefmans Goudenband anno jetzt auf Platz 4 also. Es ist ein dunkles trotz seiner Komplexität extrem leicht zu trinkendes Vlaams Bruin Bier. Die angenehme, leichte Säure erhält es durch eine gemischte Gärung, in diesem Fall eine Mischung aus einer reinen Hefe-Kultur und Milchsäure. Im Gegensatz zu den Vlaams Roodbruine Bieren reifen die Flämischen Braunen Biere heute eher selten in eichenhölzernen Fässern. Das Goudenband ist ein Verschnitt von jungem und altem, also gelagertem Bier und obwohl es am Ende des Brauprozesses pasteurisiert wird (kurz erhitzt bis leicht über 60 Grad Celcius, damit alle Hefen und anderen Bakterien im Bier absterben), kann man dieses „provision“ Bier sehr, sehr lange im Keller aufbewahren. Ich finde, diese Biere haben oft etwas von Sherry. Nicht aber das Liefmans Goudenband aus dem Jahr 2004: Die leichte Säure macht hier Platz für eine angenehme Keller-Staubigkeit, die Sherry-Note fehlt, statt dessen viele Rosinen.

  • Platz 3: Vicaris Tripel-Geuze

Dieses Bier ist ein Verschnitt von einem Tripel (vereinfacht ein obergäriges, hochprozentiges, eher blondes Bier) und einer Geuze (siehe oben), also ein Verschnitt von einem Verschnitt. Was auffällt, wenn man dieses volle, aber trotzdem erfrischende Bier trinkt, ist, dass die nicht auf der Hand liegende Kombination wundervoll gelungen und sehr ausgewogen ist: Im Vordergrund schmeckt man die Vollheit (blondes Malz, Fruchtigkeit und Hefe) eines exzellenten Belgischen Tripels und in der Ferne eine angenehme prickelnde Säure – nicht unbedingt diese komplexe fast animalische Säure (Brettanomyces Brusselensis oder Lambicus) eines Lambics/Geuzes, nein, eher eine elegante, sanftere Milchsäure, so wie man sie auch in einer guten Berliner Weisse schmeckt, oder, warum nicht, in einer Leipziger Gose. Vor einigen Jahren hieß das gute Bier noch Vicardin Tripel-Geuze, ein Indiz dafür, dass die Brauer-Blender zum Verschneiden Geuze von der Brasserie Girardin verwendeten.

bestes Sauerbier

Decisions, decisions. Wer im Herman einfach tumb an die Wand starrt, studiert vielleicht in Wirklichkeit die Bierkarte. (Foto: StP)

  • Platz 2: Rodenbach Grand Cru? Duchesse de Bourgogne? Ichtegems Grand Cru!

Michael Jackson (nicht der Sänger, sondern den verstorbenen Beerhunter, Beerwriter und Journalist) schrieb irgendwo, Rodenbach sei „the most refreshing beer in the world“. Und hätte er von allen Bieren der Welt nur eins in den Himmel mitnehmen dürfen, dann wäre das ganz bestimmt sein Lieblingsbier Duchesse de Bourgogne gewesen. Wie das Rodenbach und das Duchesse ist auch das Ichtegems Grand Cru ein Flämisches Rotbraunes. Ähnlich wie das Flämische Braune ist das Rotbraune ein Bier der Gemischten Gärung, mit dem Unterschied, dass es seine zweite Gärung, die ma-lo-lac-ti-sche Gärung, ganz spontan in eichenhölzernen Fässern bekommt, während es ganz sanft über mehrere Monate, manchmal auch Jahre, vor sich hin reift. Das Ichtegems Grand Cru ist bei weitem nicht so fruchtig wie das Rodenbach Grand Cru und weniger säuerlich als das Duchesse de Bourgogne. Im Gegensatz zu den beiden ist es viel weniger komplex oder sophisticated, dafür aber ganz angenehm und leicht zu trinken. Eines Tages haben wir es vom Fass und dann stürmen uns die Leute die Bude ein!

  • Patz 1: Cantillon Geuze. (Cuvée St. Gilloises. Iris.)

Jean van Roy von der Brasserie Cantillon in Anderlecht, Brüssel, ist der einzige wahre Star am belgischen Bierfirmament. Es gibt keinen belgischen Brauer, der im Ausland so häufig erkannt oder fotografiert wird wie Jean. Es gibt keinen Brauer auf der ganzen Welt, der Jean nicht kennt, wertschätzt und, jawohl, liebt. Das alles aber rechtfertigt seinen ersten Platz nicht. Jean ist nämlich viel mehr. Mit seinen beiden Füßen tief und stark verankert in der Würze der Tradition bahnt er sich geschmeidig, locker und scheinbar ohne Anstrengung einen eigenwilligen Weg in die Moderne. Mit Tradition meine ich „craftsmanship“ oder „métier“: Das, was seit Generationen übertragen und angelernt wird. Unter Moderne verstehe ich, dass man von der Tradition ausgegehend noch mal neu anfängt, alles auf den Kopf stellt und neu interpretiert. Ein Lambic/Geuze ist ein spontan vergorenes (Weiss)Bier, was bedeutet, dass man während bestimmter Jahreszeiten (Oktober, November) die Würze offen in die Außenluft (!) stellt, damit wilde Hefen (Brettanomyces Brusselensis oder Lambicus) aus der frischen Brüsseler Luft durchs Fenster in die Brauerei schleichen können, die Würze beschwängern und auf diesem Weg die alkoholische Gärung in Gang setzen. Der Brauer fügt also keine (reine) Hefe-Kultur zu, er wartet einfach bis die Würze anfängt zu brodeln. Wenn dies geschieht, wird das Bier auf Fässern gezogen, wo es sich über längere Zeit (3 Jahre), weniger lange Zeit (2 Jahre) oder kurz (einige Monate) schäumend in Lambic verwandelt. Geuze bekommt man erst, wenn alle drei unterschiedlichen Lambic-Jahrgänge miteinander verschnitten werden. Das ist die Tradition, das métier. Aber Jean wäre nicht Jean, wenn er die Tradition nicht in die Moderne führen würde. Und so verfeinert er seine Lambics und Geuzes mit Früchten (nicht nur Kriek (fläm. für Sauerkischen) und Framboise (Himbeer), sondern auch Trauben), er verwendet Techniken aus dem Champagne-Verfahren wie „tirage“ und „dosage“ oder aus der Craft-Beer-Scene das „dryhopping“, er arbeitet mit den unterschiedlichsten Hopfen und macht sogar spontan-vergorene Bierstile außer Lambic/Geuze, wie zum Beispiel das „Wild Brussels Stout“, was du, liebe Nina, am Samstag den 19. September 2015 bei mir vom Hahn kosten kannst. Dann findet nämlich im HERMAN schon zum zweiten Mal der Zwanze Day statt.

Zwanze Day

Der Zwanze Day 2014. Das Herman – packed. (Foto: StP)

Am 19. September ist wieder Zwanze Day! Eine handverlesene Auswahl von Bierbars weltweit bekommt an diesem Tag aus der berühmt-berüchtigten Cantillon-Brauerei ein Fässchen des diesjährigen super-spezial Suds von Jean van Roy. Den gibt es nur an diesem einen Tag und wirklich nur da zu trinken. Und das Berliner HERMAN ist auch dieses Jahr eine dieser ganz besonderen Location