Ein Belgier plädiert für weniger Alkohol im Bier

Martin Rolshausen

Zwei Brauer, die aus zwei Welten kommen, aber jeweils in ihrer Besonderes geleistet haben, reden über ihre Leidenschaft für Bier, ihr Leben und die Branche. Das war der Plan, als sich Rudi Ghequire und Oliver Lemke beim 3. Berlin Barrel Summit zum Plausch mit Markus Raupach von der Bierakademie in Bamberg an einen Tisch setzten.

„Oliver Lemke baute Brauereien in der ganzen Welt, bis er Berlin eine bierige Heimat gab. Rudi Ghequire startete und blieb ein Leben lang und erschuf mit dem modernen Rodenbach eine Ikone der Bierwelt. Was verbindet und was unterscheidet beide Charaktere und wieviel Platz ist noch für ein Leben bei all der Liebe für das Bier?“ So wurde der Talk in Lemkes Biermeisterei in der Nähe des Alexanderplatzes angekündigt.

Rudi Ghequire und Oli Lemke erzählten dann auch wirklich erstmal, wie alles begann. Rudi kam als Einkäufer in die Brauerei. Er hat sich dann aber regelrecht in die Brauerei hineingelebt. „Ich habe aus meinem Beruf ein Hobby gemacht“, sagt er. Oli hat schnell gemerkt, dass „BWL nicht so cool war“. Brautechnologie hat ihn interessiert, weil das gleichzeitig Wissenschaft und etwas Bodenständiges ist – und man am Ende ein Produkt hat.

Die Ausbildung war gut. Man sei ausgebildet worden, ein gutes Produkt in stabiler Qualität zu liefern. Leider sei es in Berlin fast nur um Lagerbiere gegangenen und es sei „untergegangen, was Bier noch kann“. „Wir wurden auf Pils und Helles gedrillt.“ Selbst die Berliner Weisse wurde „nur als Randnotiz abgehandelt“. Und es sei da eine gewisse Arroganz zu spüren gewesen: „Wir Deutsche machen das beste Bier – alle anderen – na, ja.“

Dabei kenne er kein anderes Genussmittel, das so vielfältig ist wie Bier – von der Geuze bis zum Pils, vom Imperial IPA bis zum fassgelagerten Stout. „Und andere haben eine nicht minder coole Bierkultur – die Belgier, die Tschechen, die Engländer“, sagt Oli. Und selbst die lange belächelten US-Amerikaner sind inzwischen ganz vorne dabei. „Was Firestone Walker macht, ist sensationell“, weiß Oli.

Rudi sieht das so: „Bier ist eine Matrix. Und Brauer können spielen mit dieser Matrix.“ Soweit alles ganz entspannt. Dann dreht Rudi das Gespräch in eine Richtung, die seine Gesprächspartner überrascht. Was ihm nicht gefalle: Biere mit viel Alkohol. Ausgerechnet ein Belgier, der leichte Biere bevorzugt? „Ich bin nicht glücklich mit Tripel und Quadrupel“, sagt Rudi. Die englischen Biere mit 3,5 oder 4,5 % Alc. Vol. findet er gut. Davon könne man einige trinken, ohne dass es einem am anderen Tag schlecht geht. Und es solle jemandem, der Bier trinkt, am nächsten Morgen nicht schlecht gehen. „Alkohol ist eine Möglichkeit, Menschen zusammenzubringen. Aber wir Brauer wollen Menschen nicht krank machen mit unserem Bier“, erklärt Rudi. Und Alkohol sei nun mal nicht gut. Zumindest müsse man viel Wasser trinken dazu, um die Folgen abzuschwächen.

Uff. „Man muss damit umgehen können“, entgegnet Oli. Er selbst nippe auch mal nur an Bieren, um sie zu genießen. Da gehe es nicht um Mengen. Und: „Jede Kultur hat ihre Droge – bei uns ist es Alkohol. Und was gibt es Schöneres, als sich abends mit Freunden in einer Kneipe zu treffen.“

Klar, sagt Rudi, Alkohol ist ein Geschmacksträger im Bier – „ein Booster“. Aber es gebe eben inzwischen auch sehr gute Biere mit wenig oder gar keinem Alkohol. Aber – man ist ja beim Barrel Summit – Biere mit wenig Alkohol eignen sich nicht fürs Fass, wirft jemand aus dem Publikum ein. Generell ja, bestätigt Oli. Aber mit Lambic und Berliner Weisse, also Bieren, die weniger Alkohol haben, funktioniert es auch.

„Die Kunst ist die Ballance“ – da sind sich Oli und Rudi einig. Deshalb habe er einige Brauer aus der Craft-Bier-Bewegung nicht verstanden, denen das egal war, sagt Oli. „Wir wollen Biere, die uns schmecken“ – auch das haben einige dieser neuen Brauer nicht verstanden. Und noch etwa sei merkwürdig gewesen: „Ich habe die Welt der Brauer immer als Gemeinschaft erlebt“ – er pflege Kontakte zu ganz großen und ganz kleinen Brauereien in der ganzen Welt. Und dann seien da Leute gekommen, die gerade mal ein paar Monate gebraut haben, und wollten bestimmen und erklären, was gut ist und was nicht. Sein Eindruck war: „Die kommen nicht aus der Brauerei, die kommen aus dem Internet.“

Das Gespräch war beendet – Gesprächsstoff geliefert hat es jede Menge.

(Das Foto oben zeigt Rudi Ghequire, rechts, und Oliver Lemke. Fotos: Martin Rolshausen)
(23. Februar 2023)