Fast wäre die Geschichte der Bruch-Brauerei zu Ende gewesen

Martin Rolshausen

Jonas Kirch braucht Zeit. Ein paar Tage, ein paar Wochen, ein paar Monate – womöglich ein Jahrzehnt. Aber was ist das schon, wenn man eine Sache weiterführt, die vor mehr als drei Jahrhunderten begonnen hat? Am 1. August hat Jonas Kirch die Brauerei Bruch übernommen und mitgeteilt, dass das Unternehmen, dessen Geschichte 1702 in Saarbrücken begann, seinen Sitz ins saarländische Neunkirchen ans ehemalige Hüttengelände verlegen wird. Erstmals seit 322 Jahren sitzt in der Geschäftsführung der Brauerei kein Mitglied der Familie Bruch mehr. Lukas Bruch, der bisher als Vertreter der 9. Generation die Brauerei leitete, werde allerdings zu einem späteren Zeitpunkt wieder ins Unternehme einsteigen, kündigt Jonas Kirch an.

Der Umzug nach Neunkirchen sei die richtige am Ende einer langen Reihe von falschen Entscheidung. Es seien viele Fehler gemacht worden in den vergangenen 15 Jahren, sagt der neue Chef. Die ersten haben dazu geführt, dass der damalige Brauerei-Chef Thomas Bruch Mitte 2018 Insolvenz angemeldet hat. Es war von einer Steuernachzahlung im sechsstelligen Euro-Bereich die Rede. Die Lage sei ernst, aber nicht hoffnungslos, versicherte Thomas Bruch. Bis Ende des Jahres habe er die Sache geregelt. Der alleinige Besitzer der Brauerei gab sich überzeugt, es aus eigener Kraft mit seinen damals 18 Mitarbeitern zu schaffen. Dann kam die Corona-Pandemie mit Lockdowns unter anderem für Gastronomie. Das sei „ein Brandbeschleuniger“ gewesen, sagte Thomas Bruch und begründete damit, warum es ihm nicht gelungen war das Krisen-Feuer zu löschen.

Produktion nach Kirn verlagert

Die sogenannte Planinsolvenz wurde zu einem regulären Insolvenzverfahren. Die Zerschlagung des Unternehmens begann. 2021 wurden das Stammhaus „Der Stiefel“ am St. Johanner Markt, das Brauereigelände in der Scheidter Straße und weitere Immobilien der Familie verkauft. Lukas Bruch übernahm die Geschäfte. Geschäftssitz blieb die Brauerei in Saarbrücken. Als die Brauerei erneut in Zahlungsschwierigkeiten geriet, stiegen „Retter“ aus dem Nord-Saarland ein – eine Gruppe vom ehemaligen saarländischen Regierungssprecher Thorsten Klein organisierter Unternehmer. Weil in die veraltete Brauanlage nicht mehr investiert werden konnte, teilte Bruch kurz darauf mit, dass das Bier künftig nach den Saarbrücker Rezepten in der Kirner Brauerei im benachbarten Rheinland-Pfalz hergestellt wird.

Retter-Ding hat nicht funktioniert

Das Retter-Ding habe nicht funktioniert, sagt Jonas Kirch. Eine einmalige Summe an den damaligen Insolvenzverwalter zu zahlen, sei nicht wirklich ein Konzept gewesen. Es war klar: Die Brauerei muss im Sommer vom Gelände. Und es sei ebenso klar gewesen: Wenn nicht investiert wird, dann war es das. Da kamen nun Jonas Kirch und der Vertreter einer anderen saarländischen Unternehmerfamilie mit dem Namen Bruch ins Gespräch: Stefan Bruch von Globus. Letzterer hatte im Jahr zuvor die Zusammenarbeit mit Bachs Braumanufaktur beendet und war offen für eine neue Kooperation. „Angedacht war, dass die Bruch Brauerei GmbH übernommen wird und ich als Geschäftsführer einsteige. Das wäre aber ein Geldgrab geworden“, sagt Jonas Kirch. Also hat er seine eigene Privatbrauerei Saar GmbH gegründet und die Marke Bruch gekauft. Die neue GmbH arbeitet fast ohne eigenes Personal. Kein Fuhrpark mehr, nur eine Buchhalterin.

Von Maisel zurück ins Saarland

Kirch hat für die Bruch Brauerei gearbeitet, bevor er sich als Gastronom in Saarbrücken mit dem Ulanen Pavillon am Staden und dem Ulanen Hof im Almet einen Namen gemacht hat. Seine Gastronomie hat er nicht aufgegeben, auch nicht, als er als Verkaufsleiter Südwest für die Bayreuther Maisel-Brauerei tätig war. Sich von Maisel, einem Unternehmen, das sich gegen den bundesweiten Branchentrend gut entwickelt und bereits zum zweiten Mal in Folge zur Brauerei des Jahres gekürt worden ist, zu verabschieden, sei ihm nicht leicht gefallen, sagt Kirch. Aber der Wunsch, zuhause im Saarland etwas zu bewegen, sei dann doch stärker gewesen. „Wenn ich nicht zugesagt hätte, dann gäbe es Bruch nicht mehr“, ist er sich sicher.

Und nun? Warum soll Jonas Kirch gelingen, was Thomas und Lukas Bruch und den „Rettern“ um Thorsten Klein nicht gelungen ist? Weil er die Erfahrung aus seiner Tätigkeit bei Maisel mitbringt, sagt Kirch. Und weil er mit Stefan Bruch einen starken und strategisch denkenden Partner hat. Globus hat – noch mit dem Ziel, dass Bachs dort braut – in eine moderne Anlage in Neunkirchen investiert. Die wird die Bruch Brauerei nun nutzen. Die Miete für die Räumlichkeiten und die Technik sei „unfassbar günstig“, verrät Jonas Kirch. Was daran liegen, dass Stefan Bruch Stefan im „als Vermieter entgegengekommen“ ist. Für die Globus-Familie sei der Neuaufbau der Bruch Brauerei „auf langfristige Refinanzierung angelegt“.

Erstmal zurück in den Handel

Jonas Kirch bekommt also das, was er sich wünscht: Zeit. Die braucht er, um das am Boden liegende Unternehmen wieder ins Geschäft zu bringen. „Einige große Supermarktketten haben Bruch ausgelistet“, erklärt er. Es gehe nun als darum, „erstmal wieder breiter in den Handel kommen“. Ein erster Erfolg sei: Rewe hat Bruch wieder im Sortiment, Netto wohl bald auch. Eine weiter Baustelle: „In Tankstellen hat Bruch nie stattgefunden, da muss Bruch aber stattfinden.“ Bei „extrem fallenden Bierabsätze in Deutschland“ müsse er aber „realistisch überlegen“, was geht und was nicht, die Erwartungen also nicht in den Himmel schrauben.

Verlorenes Vertrauen zurückgewinnen

Es gehe nun darum, „verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen“ – auch bei den Gastronomen. Mit denen sei in der Vergangenheit offenbar nicht auf die beste Art kommuniziert worden. Ein Fehler der „Retter“ sei es auch gewesen, Bruch ein neues Layout zu verpassen. „Ich verstehe, dass man die Brauerei in die Moderne bringen wollte, aber das kann man anders machen“, versichert Kirch. „Zurzeit hat der neue Schriftzug kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Der wirkt wie eine Standardschrift. Ich werde zum alten Schriftzug zurückkehren“, kündigt er an. Er wolle eine „moderne Retro-Optik“. Darüber rede er mit Fachleuten. Auch das brauche etwas Zeit.

Neuer Braumeister gesucht

Vorerst wird weiter in Kirn gebraut. Die großen Getränkehändler der Region holen die Ware ab. Denn wann die Anlage in Neunkirchen in Betrieb genommen wird, ist noch offen. Man ist mit dem Brauereianlagenbauer Kaspar Schulz im Gespräch darüber, wann der die nach Neunkirchen gelieferte Anlage betriebsfertig machen kann. Erste wenn das klar ist, wird die Stelle des Braumeisters ausgeschrieben. Interessenten gebe es aber bereits. Das Bamberger Unternehmen zählt zu den besten der Welt, wenn es um Brautechnik geht. Entsprechend vielseitig sei auch die Anlage. Sie tauge auch dazu, Spezialbiere zu brauen.

Craft Beer ist nicht tot

„Es heißt ja immer: Craft Beer ist tot. Ich sehe das anders“, sagt Kirch – auch das aus seiner Erfahrung bei Maisel heraus. Jeff Maisel, der aktuelle Inhaber, hat mit „ Maisel and Friends“ eine eigene Craft-Beer-Marke geschaffen, die sehr erfolgreich läuft. Kirch will Bruch nicht mit Maisel vergleichen, aber lernen könne man – im kleineren Stil – schon von der Bayreuther Firmenpolitik. Er will auch bei Bruch in eine ähnliche Richtung gehen. Aber das sei „Zukunftsmusik“. „Ich muss erstmal in ein Fahrwasser, indem ich leben kann. Das heißt: Wir müssen erstmal Pils, Zwickel, Landbier und Helles wieder ans Laufen bringen. Also erstmal die Hauptmarke und Radler, dann später Bierspezialitäten“, erklärt der neue Chef.

Maisel als Vorbild

Stefan Bruch werde neben der Brauerei eine Gastronomie am alten Hüttengelände in Neunkirchen aufbauen. Auch da sei Maisel Vorbild. In deren Restaurant „Liebesbier“ gibt es neben gutem Essen eine Kombination aus eigenen und ungewöhnlichen Kreativbieren anderer Brauer. Es gehe darum zu zeigen, wie gut das heimische Bier ist. Aber auch darum, Biere zu präsentieren, für die man etwas mehr zahlt. Also darum, dass die Biervielfalt größer ist als die, die man gewöhnlich im Supermarkt findet.

Bereitschaft, für ein Getränk etwas mehr Geld auszugeben

Jonas Kirch ist überzeugt, dass es einen Markt für besondere Biere gibt, die auch mehr kosten dürfen. Man müsse sich nur die Geschichte von Fritz Cola anschauen. Anders als beim Bier sei der Materialeinsatz bei Cola kostengünstig, es gebe keine Rohstoffschwankungen wie bei Gerste und Hopfen. Und doch koste so eine Cola in vielen Kneipen mehr als ein Bier. Die Bereitschaft, für ein Getränk etwas mehr Geld auszugeben sei also generell da.

Und noch etwas hat Jonas Kirch im Laufe der Jahre gelernt: Man braucht die richtigen Menschen für den Vertrieb. „Bier ist für mich ein absolutes Emotionsprodukt“, sagt er. Er habe aber oft erlebt, dass Menschen für Brauereien im Außendienst sind, die Bier für ein Produkt wie jedes andere halten. Das funktioniere nicht wirklich.

Auch ein Bierkultur-Museum

Angedacht ist am neuen Standort auch ein Museum, in dem die saarländische Brauereigeschichte, auch die von nicht mehr existierenden Brauereien,  in Szene gesetzt wird. Das sei dann spätestens der Zeitpunkt, an dem Lukas Bruch wieder einsteige, sagt Kirch. Darauf freut er sich, denn Bruch Bier ohne die Familie Bruch sei nicht das, was er sich vorgestellt hat. Im Gegenteil: Das Verhältnis zur Familie Bruch sei nach wie vor sehr gut. Man schätze sich. Wann die Gastronomie und das Museum spruchreif werden? „Wir brauchen noch etwas Zeit“, sagt Kirch. Und er hoffe, dass er „in zehn Jahren da ist, wo es anfängt auch wirtschaftlich Spaß zu machen“.

(Die Fotos zeigen ein altes Fahrzeug der Bruch Brauerei, Jonas Kirch, lins, und Lukas Bruch sowie die aktuelle Produktpalette vor der alten Hütte in Neunkirchen. Fotos: Bruch)
(20. September 2024)