KURZ GEZWICKELT: Früher und heute

Nina Anika Klotz

Wenn der Brauer zwickelt, dann probiert er sein junges Bier. Wenn wir zwickeln, stellen wir in aller Kürze ein paar der neusten Craft Beer Startups vor. News frisch aus dem Reifetank, so zu sagen.

 

Inzwischen ist Craft Beer in Deutschland so alt, dass man schon von einem Früher sprechen kann.
Früher war irgendwie mehr Hopfen.
Früher hat jeder ein IPA gemacht. Früher haben sie immer ganz viel von dem ganz wilden Zeug rein geballert. Kein Craft Beer ohne massenweise Amarillo, Simcoe, Cascade.
Ach, früher.

Smooth Hoperator

„Wir nennen es smooth“, sagt Thomas Wiestner, als er sein Bier, sein erstes für den Verkauf und im großen Stil gebrautes Bier beschreibt, den „Lucky Lup“. „Daran hat mein Bruder sehr lange gefeilt“, sagt Christian Wiestner. „Ja, bis es ihm geschmeckt hat“, sagt Thomas und zeigt auf Christian. Der habe nämlich einen verdammt kritischen Gaumen. Der Lucky Lup, der’s nun geworden ist, sei keines von den klassischen American IPAs, sagt Thomas Wiestner. „Die sind schön und gut, aber nach einem Glas ist der Hals zu.“ Er wollte stattdessen ein Bier machen, das trinkbar ist und über den Abend auch bleibt. Ein bisschen leiser, vielleicht. Nicht so krawallig, eher smooth eben.

Genau so starten auch die beiden Brüder in die Craft Beer Welt. Smooth, ruhig und mit viel Bedacht. Zwei Jahre haben sie gemeinsam ihr Debüt als Gypsie-Brauer mit dem Namen Braukunst Gebrüder Wiestner vorbereitet. Der Lebensmitteltechnologe Thomas während er seinen Master in Brau- und Getränketechnologie macht, der Groß- und Außenhandelskaufmann Christian neben seinem Business-Administration-Studium. Noch in diesem Jahr werden sie beide fertig und wollen dann Vollzeit für ihren Traum von den privaten Familienbrauerei in Berlin arbeiten. Und das, obwohl sie doch eigentlich Franken sind. Die Wiestners kommen aus Würzburg. „Aber da gehen wir nicht hin zurück, das ist besprochen“, sagt Thomas. „Uns gefällt Berlin, die Leute, die Stadt, das Essen, das Trinken. Berlin ist für uns der Ort der Wahl.“

Nun steht also zunächst auf ihrer Agenda, den Lucky Lup in der Wahlheimat Berlin unter die Leute zu bringen, die Craft-Beer-Leute und die noch-nicht-Craft-Beer-Leute. Genau deshalb ist er ja auch so smooth, um Normal-Bier-Trinker abzuholen. Was danach noch ins Sortiment kommt, sei noch nicht fix entschieden, sagt der Brauer Thomas, sowohl ein Rezept für ein fränkisches Zwickel als auch eines für ein Belgisches Pale Ale haben die harte Geschmacksprobe bei seinem Bruder bereits bestanden.

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Christian (l.) und Thomas Wiestner und zwei Lucky Lups. (Foto: NAK)

Friedsame Anti-Rebellion

Ähnlich smooth arrangiert sich derweil eine Gruppe junger Münchner mit den bayerischen Biergegebenheiten. Rainer Pieknik, Nina Bachmann, Simon Klur und Xaver Amler brechen so etwas wie eine Anti-Craft-Beer-Revolution vom Zaun. Mit Isarkindl will das Team aus zwei Weihenstephaner Braustudenten, einem BWLer und einer Designerin nämlich gerade keine Rebellion starten, das Reinheitsgebot stürzten, das verrücktesten Bier überhaupt machen. Mangostout und Rauchlakritzgose stehen definitiv nicht auf dem Brauplan: „Da wir in Bayern sind, kommen Sorten, die nach dem vorläufigen Biergesetz von 1993 nicht gebraut werden dürfen, auch nicht in Frage“, sagt Brauer Simon ganz einsichtig-pragmatisch. Die Idee hinter Isarkindl ist ja auch eine andere: „Wir möchten traditionelle Bierstile aufgreifen und ihnen ein wenig frischen Wind verpassen.“Die ersten beiden Isarkindl-Biere sind ein Helles, „etwas herber, als die nicht sehr abwechslungsreichen Münchner Lagerbiere“, wie Simon sagt, und ein an das Märzen angelehntes Spezialbier, das „Schmankerl“.

„Wir wollen zeigen, dass gutes Bier nicht nur von Brauereien anno 1600 gebraut wird, sondern auch von jungen unternehmerischen Leuten, die sich für die Bierkultur begeistern und den Zeitgeist dabei nicht vergessen“, sagt Simon. Das ginge am Besten, wenn man den Bayern, den Münchner gleich mal zu aller erst, beweist, dass ein Helles immer noch ein Helles ist, auch wenn es dann doch mal anders schmeckt, als die immer einheitlicheren Lager der großen Brauereien. „München war eine Stadt der Biervielfalt und gerade durch die kleinen Brauereien und Gipsybrewer kann sie das auch wieder werden“, so der Brauer. Und dafür muss man nicht, sollte man vielleicht auch gar nicht, den Isarstrandgänger mit einem 100+ IBU Westcoast IPA verschrecken.

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Isarkindls: Rainer Pieknik (BWL), Nina Bachmann (Gestaltung & Design), Simon Klur (Brauen), Xaver Amler (Brauen) – von links nach rechts. (Foto: Christin Büttner)

 

Ganz früher war früher dann später

Und dann noch mal ein Brüderpaar, diesmal eines, dass mehr spooky als smooth daher kommt, Zombie-Style nämlich: Bastian und Tobias Merches von Zombräu berufen sich mit dem, was sie machen, sogar noch auf das, was früher als früher war, also vor allem, bevor dieses Craft Beer in Deutschland ankam. So ganz, ganz, ganz früher, da sei ja irgendwie alles Craft gewesen, aber dann hat die Industrialisierung Craft Beer getötet und jetzt ist Craft Beer tot, aber lebt, ist auferstanden und was schon tot ist, kann keiner umbringen. Oder so ähnlich. Zugegeben, ein wenig verworren ist die ganze Craft-Zombie-Theorie der beiden Jungs aus Mirskofen vielleicht. Wobei – dann unterm Strich auch wieder nicht: „Craft Beer steht für gutes und vielfältiges Bier. Wer möchte jemals darauf verzichten?“, sagt Bastian Merches.

Eigentlich brauen die Merches-Mannen schon eine ganze Weile, seit 2010, am liebsten unbayerisches Zeug wie IPAs, Red Ales, Spezialweißbiere. 2011 macht Tobi ein Praktikum bei Brewdog in Schottland, 2013 brauen sie zum ersten Mal auf einer großen Anlage, bei Giesinger Bräu in München. Zwei Jahre später kaufen sie denen eine ausrangierte 5-Hl-Anlage ab und bauen sie in einer Lagerhalle in Mirskofen bei Landshut wieder auf. Und jetzt haben die Zombies große Pläne: „Unser Bier bekannter machen. Möglichst viel Bier verkaufen. Neue Rezepte ausprobieren. Medaillen beim European Beer Star abräumen“, sagt Bastian, um nur ein paar zu nennen.

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Bier, Zombies, Rock’n’Roll und Niederbayern: Tobias und Bastian Merches von Zombräu. (Foto: Zombräu)