„Nur anders, schräg oder punkig zu sein, reicht nicht aus“

Martin Rolshausen

Der Bierumsatz geht weiter zurück – trotz Fußball-EM sogar im Juni, raunte es durch die deutsche Medienlandschaft. „Bier und Fußball, das gehört für viele Fans noch immer zusammen. Die Hoffnungen der Brauereien auf gute Geschäfte während der EM aber haben sich nicht erfüllt. Der Vergleich mit der Heim-WM 2006 fällt besonders ernüchternd aus“, schrieb etwa Spiegel Online. Wenn aber nicht einmal der Fußball den Bierabsatz steigern kann, was kann dann überhaupt noch die deutsche Bierkultur retten? Dieser Frage wollen wir in diesem Sommer nachgehen. Wir haben dazu mit einigen Menschen aus der Branche gesprochen und wollen mit weiteren sprechen – gewagte und weniger gewagte Thesen aufstellen, zum Nachdenken und Mitdiskutieren anregen. Nun lassen wir Axel Kiesbye zu Wort kommen, den  Inhaber und Geschäftsführer der Kiesbye Akademie und Mit-Erfinder der Biersommelier-Ausbildung.

Teil 4: Was Axel Kiesbye Brauereien rät

„Brauereien können Ausstoßrückgänge (sofern sie in Stein gemeißelt sind) nur durch Kosteneinsparungen oder durch Preiserhöhungen entgegenwirken. Daher hat der Verkauf von Craftbieren mit einem Verkaufspreis deutlich über dem Preis eines Pils oder Weizen auch mit kleinen Verkaufs-Volumina erfolgreich funktioniert. Wenn Craftbrauer nun etablierte klassische Bierstile forcieren, wird die Bereitschaft der Konsumenten, Craftbierpreise für ein normales Helles zu zahlen, schwinden, gleichzeitig verdrängt das „normale“ Bier craftigere aber höherpreisige Bierstile aus dem eigenen Sortiment. Nicht gut…“, schreibt Axel.

„Wer jetzt da nichts tut, hat in Zukunft seine Kosten nicht im Griff“

Und weiter: „Aktuell tätigen Brauereien massive Investitionen in Kosteneinsparungen, insbesondere im Energiesektor. Wer jetzt da nichts tut, hat in Zukunft seine Kosten nicht im Griff. Kleine Brauer haben einfach sowieso Kostennachteile und können meiner Meinung nur überleben, wenn sie einen Rampenverkauf und einen eigenen Taproom haben und keine Margen an Zwischenhändler abgeben müssen. Da tut sich jemand mit einem Standort in einer Großstadt leichter.

Bleibt noch das Thema Konsumrückgang. Ich sehe hier Verschiebungen zu alkoholfreien Getränken und ich sehe die Brauwirtschaft in 20 Jahren mehr als Getränkeproduzent als einen nur reinen Brauereibetrieb. Wenn der Konsumrückgang beim Bier bzw. Alkohol (wenn er in Stein gemeißelt ist) durch ein boomendes alkoholfreies Segment aufgefangen werden kann, dann ist es doch auch gut.

„Produktneuentwicklungen sind oft Blindflüge“

Bleibt noch das Thema Konsumrückgang beim Bier. In meinen Augen hat sich die Branche bislang überhaupt nicht um das Thema Drinkabiliy gekümmert. Sensorische Analyse und sensory beer designing findet nicht statt. Man verlässt sich auf seinen eigenen Braumeistergaumen und auf Messwerte und berücksichtigt nicht den eigenen Markt, die eigene Zielgruppe und die Fähigkeiten von sensorisch geschulten Personen. Produktneuentwicklungen sind oft Blindflüge und gerade im Craftbierbereich waren da auch Projekte dabei, die unsere Sinnesreize arg strapaziert haben und bei denen dann das Preis-Leistungs-Verhältnis katastrophal war. Nur anders, schräg oder punkig zu sein, reicht für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung nicht aus, denn ich brauche Stammgäste und Wiederkäufer. Um die sollten sich alle mehr kümmern, und dazu muss ich meinen Ziel-Markt auch in den Produktentwicklungsprozess einbinden.“

Die bisherigen Beiträge zur Diskussion:

„Hören wir auf, Hektoliter-Zahlen zum Erfolgsmaßstab zu machen!“, hieß es im ersten Teil dieser Reihe.

Im zweiten Teil haben wir ins faszinierende Bierland Belgien geschaut.

Im dritten Teil haben wir mit Holger Eichele, dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bunds gesprochen.

Vor einem Jahr haben wir mit dem damals neuen Präsident des Deutschen Brauer-Bund bereits über die Lage der Branche gesprochen. Das Interview findet Ihr hier.

Mit Axel haben wir im April schon einmal gesprochen. Das Interview findet Ihr hier.

(Foto: Kiesbye Akademie)
(13. August 2024)