Sudden Death Brewing

SUDDEN DEATH BREWING: Nicht rumpütschern!

Nina Anika Klotz

Nu‘ stell doch mal den Grog weg: Oliver Schmökel und Ricky Nagel brauen ziemlich amerikanische Biere an der deutschen Ostseeküste. Sudden Death ist Craft Beer made in Schleswig-Holstein

Wenn Fußballfans denken, Elf-Meter-Schießen sei spannend, dann wissen Eishockeyspieler: Ihr habt ja keine Ahnung. Gibt es im Eishockey nach den regulären 60 Minuten keinen Sieger, dann machen die auf dem Eis das auf die harte Tour miteinander aus. Alles nach vorne. Hinten stellt sich keiner mehr rein, denn: Das nächste, das einzige nächste Tor, das fällt, entscheidet. Danach ist Schluss. Spiel aus. Keine Chance auf Ausgleich oder so. Das ist dann der Sudden Death.

„Eigentlich ist das das Spannendste, was es im Sport überhaupt gibt“, sagt Oliver Schmökel. Der Sudden Death ist das Beste – und deshalb haben er und Ricky Nagel auch ihre Gypsie-Brauerei danach benannt. „Ich war erst skeptisch und habe überlegt, ob wir nicht lieber was mit Wasser und Norddeutschland und Hastenichtgesehen machen wollen“, sagt Olli. „Aber Ricky war vehement  dagegen. Bei uns an der Küste heißt alles Küstenfieber, Ankerplatz, Strandgut – man kann das gar nicht auseinanderhalten. Der einzige gute norddeutsche Name ist Buddelship – und der war ja schon weg.“ Bei Sudden Death Brewing waren sich die beiden zumindest sicher: Das merken die Leute sich. Und irgendwie passt es ja auch denn: Olli und Ricky mögen Eishockey, sehr sogar.

Sudden Death Brewing

Zwei Mal tot umfallen, bitte: Sudden Death im Ausschank. (Foto: NAK)

Bier-Offenbarung in Boston

Ein bisschen hatte Eishockey auch mit der Entstehung von Sudden Death zu tun. 2012 waren Olli und Ricky zusammen in Boston und haben dort zusammen Bier getrunken. Gut, Bier trinken, das hätten sie auch zuhause in Timmendorfer Strand tun können. Da kommen beide her, „Kinder der Küste“, sagt Olli. Und beste Freunde, seit sie denken können. Aber nach Boston sind sie geflogen, um ein NHL-Spiel der Boston Bruins zu sehen. Eishockey ist ihr gemeinsames Hobby, Olli hat selbst schon als Sechsjähriger gespeilt und die „Beach Boys“ vom EHC Timmendorfer Strand sind die einzige Eishockeymannschaft in Schleswig-Holstein. Anyways – weil also da in Boston noch ein bisschen Zeit übrig war, haben sie dann eine Führung bei Samuel Adams gemacht, die in einem life-changing-beer-tasting endete: „Da waren so Sachen wie IPAs, Summer Ales, American Wheat und Sours und alles möglich dabei. Geschmäcker, die kannte unser deutscher Gaumen gar nicht und irgendwie schmeckte alles, als wäre da Fruchtsaft drin. Wir wussten nicht, ob wir das gut oder schlecht finden sollten. Fakt ist aber, als wir wieder zuhause waren und das normale Heineken wieder am Hals hatten, haben wir relativ schnell gemerkt: OK, ich will doch das Andere. Das war spannender.“

Blöd, dass das Andere seinerzeit (als würden wir über das vorige Jahrhundert reden, aber ist ja so) in Timmendorf nicht zu kriegen war. Aus der Not fingen sie an, selber zu brauen und so kam eins zum anderen, bis Anfang 2017 Sudden Death an den Start ging. Im ersten Jahr machten Schmökel und Nagel 300 Hektoliter, im zweiten 30 bis 40 Hl im Monat.

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Klassische, amerikanische, hopfenbetonte Biere made in Tschörmany: Sudden Death Brewing. (Foto: NAK)

Sudden Death Brewing ist Bier von hier

Das Portfolio ist relativ straight amerikanisch, Pale Ale, IPA, NEIPA, alles dabei. Das Naming dabei verdient eine ordentliche Runde Zwischenapplaus: Pils Brosnan (Pilsener), Steven Seagull (West Coast IPA) und Juice Willis (Session IPA) – das ist schon sehr gelungen. Gebraut wird in der Klüvers Brauerei in Neustadt in Holstein. „Ich kann nicht sagen, dass wir da offene Türen eingerannt sind,“ erzählt Olli Schmökel und lacht. „Der Braumeister von Klüver hat das geschickt gemacht, wir mussten uns als nicht-gelernte Brauer seinen Respekt und sein Vertrauen erst erarbeiten. Ist auf der anderen Seite aber auch cool, denn er hat nicht gesagt, kommt her, ich will Euer Geld. Inzwischen würden wir da gar nicht mehr wegwollen, auch wenn wir in Süddeutschland ein bisschen billiger brauen könnten. Aber das wäre ja wie Nordseekrabben, die in Nordafrika gepult werden. Das bringt doch unserer Region nichts. Und ist Quatsch.“

„Wir haben relativ schnell feststellen müssen: Wenn wir das auch nur halbwegs professionell machen wollen, ist das nebenbei nicht machbar. Gar nicht“, erzählt der Timmendorfer weiter. „Und dann habe ich alle Leinen gekappt. Nebenbei rumpütschern… da macht man seinen eigentlichen Job nicht mehr richtig und alles andere auch nicht. Lieber mache ich eins 120 Prozent.“

Und überhaupt: „Ich finde, man hat nur ein Leben. Und man bereut immer die Sachen, die man nicht macht. Selbst wenn wir in zwei Jahren sagen, es hat nicht geklappt, es lohnt nicht den Aufwand, den wir hier treiben, dann kann ich immer noch sagen: Ich hab‘s probiert. Und ich will diese Zeit nicht missen.“ Damit wollte Oliver Schmökel anders sein als die vielen, die eine coole Idee haben, aber sich nicht trauen: „Wir Deutschen sind immer unzufrieden – aber die wenigsten haben die Eier in der Hose, das durchzuziehen. Zu sagen: Ich kündige meinen sicheren Job für etwas, bei dem ich mehr arbeite, aber auch mehr Spaß habe. Wo ich weniger verdiene und ein größeres Risiko trage.“

Bis dato hatte der studierte Sportökonom ein Fitnessstudio geleitet. Kompagnon Ricky betreibt mehrere Klamottenläden in Timmendorf und drumrum.

Sudden Death Brewing

Mit Hockey-Maske und Maischpaddel. (Foto: NAK)

Brauen, wo andere Urlaub machen

Timmendorfer Strand, muss man wissen, ist nicht irgendeine norddeutsche Kleinstadt, Timmendorf ist DER Sommersonntagausflugshotspot für Hamburger. Schnell mal an die Ostsee fahren, heißt: ab nach Timmendorfer Strand. Der Kurort lebt vom Tourismus und den Kurztrips der Großstädter – die freilich mit Craft Beer schon früh mehr anzufangen wussten als die Urtimmendorfer selbst. Deshalb fragten die Gastronomen am Ort schnell nach Sudden Death Bieren für ihre Hähne. Denn: Wie cool ist das denn, ein lokales Craft Beer den Familienvätern aus Eimsbüttel anbieten zu können!?

Großer Nachteil dessen, ein Craft Beer Business dort zu gründen, wo andere ihr Wochenende verbringen, ist, dass es hier vier fett brummende Monate Saison gibt im Jahr – und den Rest Off-Season. Deshalb haben Olli und Ricky von Anfang an viel daran gesetzt, Sudden Death Brewing auch ins Inland zu bringen. Selbst. Wohlgemerkt.

„Eigentlich sind wir ein Logistik und Speditionsunternehmen. Also zusätzlich zu der Brauerei. Wenn ich will, dass mein Bier in München getrunken wird, muss ich dafür sorgen, dass es da auch verkauft wird. Ich selbst. Die Leute sollen uns ja auch kennenlernen“, so Schmökel. Mittlerweile haben sie zwar auch drei Distributoren, on the road sind sie aber freilich trotzdem noch oft.

„Klar reicht‘s mir auch mal, wenn ich 3.000 Kilometer in fünf Tagen gefahren bin, aber was das aufwiegt ist, dass ich – im Unterschied zu dem, was ich vorher gemacht habe – meine eigene Kreativität voll ausleben kann.“