Bergmann Brauerei

BERGMANN BRAUEREI: „Marcel ist heiß wie Frittenfett“

Tobias KullmannIm Gespräch

Was in Hamburg mit Ratsherrn und in Bremen mit Union funktioniert hat, klappt auch im Revier ganz gut: Als die Bergmann Brauerei plötzlich mit richtig gutem Bier bewaffnet aus der Versenkung auftauchte, fanden das die Dortmunder richtig gut. Und seitdem belebt Dr. Thomas Raphael mit der alten Marke einen neuen Bierpatriotismus im Pott. 

Die Dortmunder Bergmann Brauerei, kurz DBB, war mal ganz weg.
So wie viele alte Privatbrauereien überall in Deutschlands in den 1970ern eben wegkamen.
Aber: Bergmann war nicht lange genug weg, als dass sich nicht noch genügend Dortmunder an die zwar kleinste aber irgendwie auch liebenswerteste der Dortmunder Brauereien erinnert hätten. Damals, nach dem Zweiten Weltkrieg, hatten sie schließlich dafür gesorgt, dass Dortmund die Bierhauptstadt Europas wurde und Jahrzehnte lang blieb. Nirgendwo wurde mehr Bier produziert als hier, Mitte der 1960er kam jeder zehnte Liter deutschen Bieres aus Dortmund und es gab hier die erste Brauerei, die mehr als eine Million Hektoliter pro Jahr braute.

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Ehrliches Bier für ehrlliche Typen. Auch wenn der Name Bergmann nichts mit dem Bergbau im Ruhrgebiet zu tun hat, geht es in der Geschichte der Brauerei schon stets darum. (Foto: TK)

Als die Marke Bergmann vor ein paar Jahren ganz plötzlich wieder aus der Versenkung auftauchte, fanden die Dortmunder das irgendwie ziemlich gut. „Kennich, hat mein Oppa immer getrunken.“ Und: „Weißichnoch, warn großes Plakat anner Ecke bei uns gehangen.“ Man mag es nennen, wie man will: Ein Markenrevival, eine Wiederauferstehung oder auch einen Neustart der Dortmunder Bergmann Brauerei als Craft Brauerei ausm Revier. Jedenfalls läuft das ziemlich gut – ganz jenseits leidvoller Diskussionen über Craft oder Nicht-Craft und Sind-doch-alles-Hipster-Gepöbel.

Unser Autor Tobias Kullmann, selbst „von da weg“, hat sich mit Oliver Mühlmann von der Bergmann Brauerei über den Umgang mit einer uralten Biermarke in einer neuen Bierwelt unterhalten. Der Treffpunkt für das Gespräch: die „Stehbierhalle“, quasi der Taproom der Brauerei. Das Wort sagt eigentlich schon alles: Früher trafen die Bergmänner und Arbeiter sich in solchen Hallen auf ein schnelles Feierabendbier im Stehen.

Oliver Mühlmann hat selbst erlebt, was das Wiederauferstehen der alten Marke in so einem Dortmunder auslösen kann: „Als ich gehört habe, dass Bergmann wieder da ist, meinte ich nur: Datt find ich geil. Meine Großeltern hatten in Dortmund-Marten eine Kneipe. Ich bin mit dem DBB-Logo in so einem Bleiglasfenster vor der Nase groß geworden und hab immer meinen Oppa gefragt: ‚Opa, was heißt denn das DBB noch mal?’“

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Hier wird’s gebraut, das Bergmann-Bier (Foto: TK)

Bergmann, das klingt ja schon nach ganz alter Pott-Tradition, nach Bergbau und so weiter.

Das stimmt – stimmt aber eben nicht! Die Bergmann Brauerei ist eine alte Brauerei, die von der Familie Bergmann 1796 in Dortmund-Rahm gegründet wurde. Familie Bergmann, sage ich immer ganz bewusst. Denn Familie Bergmann hieß nur so, war aber eine Bauernschaft. Der Bauer Bergmann, der Getreide über hatte, hat Malz daraus gemacht und die Bergmann Brauerei gegründet.

1972 wurde die aber dicht gemacht. Bergmann war bis dahin regional ziemlich stark. So wie in Dortmund-Hörde die Stifts Brauerei immer sehr stark war, so war es im Dortmunder Westen die Union, Ritter und eben die Bergmann Brauerei, die sich das Feld geteilt haben. Zuletzt hat Schultheiss aus Berlin Bergmann auf Lizenz produziert, 1972 wurde die Brauerei selbst dann demontiert. Die Marke wurde lange ruhen gelassen beziehungsweise von Verkauf zu Verkauf weitergereicht und landete irgendwann bei der Radeberger Gruppe. Dr. Thomas Raphael hat sie bei der Recherche in Markendatenbanken 2005 zufällig gefunden und für ein paar Euro übernommen.

Und was macht man mit so einer Biermarke dann?

Hat Thomas Raphael sich auch gefragt. Erstmal fand er es eigentlich nur ganz lustig, sich das Dokument zu rahmen, in dem stand, dass er, so als Dortmunder Jung‘, der Inhaber der Marke Bergmann Bier ist. Hat er sich über den Schreibtisch gehängt. Ein befreundeter Anwalt sagte ihm aber dann: „Naja, eigentlich musst du auch Bier produzieren, damit du die Marke führen und behalten darfst.“

Und, konnte er das?

Nä, woher, Thomas Raphael ist im wahren Leben Mikrobiologe und kümmert sich um die Entsorgung von Abfällen in der Lebensmittelbranche. Er hat aber dann ein paar Kumpels angesprochen und ist so an den Christian Vormann von der Vormann Brauerei in Hagen-Dahl gekommen und hat ihn gefragt, ob er einen Sud für ihn machen könnte. Das hat er dann auch gemacht, waren ca. 6.000 Liter. Das war natürlich sehr viel für eine Person. Also hat er mit seinen Freunden geteilt, da waren es dann nur noch 300 Liter pro Kopf; und er durfte das Bier auf einer privaten Firmenfeier ausschenken – und was soll ich sagen: Ist eingeschlagen wie eine Bombe.

Alle so: Toll, Bergmann ist wieder da und jemand erinnert sich an die Bierstadt Nr. 1, die Dortmunder Bierkultur und tut auch was dafür! Also hat Thomas Raphael mit seinem Freund Herbert Prigge, einem Unternehmensberater, eine GmbH gegründet, um Bergmann wieder zum vollen Leben zu erwecken. Das war 2007. 2008 kam der Bergmann Kiosk dazu, der seitdem als Ausschankstelle in der Nähe des Dortmunder Hauptbahnhofs fungiert und dann ging es weiter. Erst waren Produktion, Lager und Verwaltung an drei Orten verteilt bis 2017 der Umzug auf das Gelände in Phönix West kam. Allein der Ausblick auf den alten Hochofen und das alte Gasometer hier ist schon etwas Besonderes.

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Phoenix West: Das neue Zuhause der Bergmann Brauerei (Foto: TK)

Hier stehen jetzt eine stattliche Brauerei und eine 200 m² Verkostungshalle, die „Stehbierhalle“. Wir wollten nie eine Gastronomie, aber einen Ausschank. Ein Zwitterling zwischen Selbstbedienung und Büdchen, eben wie es die Kultur im Pott war und an manchen Orten auch noch ist. Und so haben wir uns dann für den traditionellen Begriff Stehbierhalle entschieden.

Und wer braut das Bier?

Marcel Koch, 26 Jahre alt, ursprünglich aus Essen, ein Ruhrpottgewächs also. Hat bei der Einbecker Brauerei gelernt und ist dann raus in die Welt. Mit einer Initiativbewerbung hat er sich bei uns vorgestellt und passt einfach zu uns, jung genug um mitzuwachsen und sehr kreativ. Wir mögen uns alle und das ist auch einfach wichtig. Marcel ist auch heiß wie Frittenfett, hier alles mögliche auszuprobieren, mal diesen und mal den Sud zu machen.

Was ist das Ziel: Bierhauptstadt Dortmund 2.0, also ein Revival der 70er oder ein neuer Start, vielleicht sogar als Craft Beer-Brauerei?

Ich sag es mal so: Ich finde es einfach gut, dass nach dem ganzen Brauereisterben endlich wieder eine Brauerei aufmacht. Es gibt hier viele kleine´re Projekte wie die Bieragentur Dortmund, den Brauwolf oder das Brauprojekt 777, die das Thema Bier im Revier immer mal wieder hochholen. Das ist stark, gar keine Frage. Aber was ein echtes Bewusstsein für Sortenvielfalt angeht, muss noch mehr getan werden. Wir hatten Jahrzehnte lang eine Monokultur. Es gab entweder Brinkhoffs oder Kronen, mal in den Vororten noch ein Ritters oder ein Stifts oder ein Hövels oder Schlösser Alt. Aber das war es dann aber auch. Sonst gab es eben immer nur Pils.

Die Konsumenten sind aber nun so weit, dass sie neugierig geworden sind. Und das ist schon irgendwie eine Folge des Craft Beer Trends, der bringt den Normalverbraucher dazu, auch mal über den Tellerrand zu gucken und nicht nur das Medienbier zu trinken. Ich glaube, dass die ganze Bierszene davon profitiert.

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Ganz klassisch, aber im neuen Look: Die Stehbierhalle (Foto: TK)

Ihr seht eure Wurzeln tief im Herzen des Potts verankert. Sieht es auch für den weiteren Vertriebsweg so aus oder wird es Bergmann bald auch deutschlandweit geben?

Dortmund. Dortmund und Umgebung, ganz ehrlich gesagt. Wir glauben, dass sich die Stehbierhalle und auch die Marke wie Lava langsam wabernd um Dortmund herumwickelt und somit auch hier wachsen. Ein Freund von Thomas Raphael hat mal spaßeshalber gesagt: „Wenn jeder Dortmunder zum Geburtstag eine Kiste Bergmann bekommt, sind datt fast 580.000 Kisten“ – und das ist schon eine große Menge.