Camba Bavaria setzt auf die Dose

Martin RolshausenBier, Im Gespräch, Uncategorized

Für den ein oder anderen, der glaubt, dass alles, was mit deutschem Bier im Allgemeinen und bayerischem im Besonderen zu tun hat, in Stein gemeißelten ist und hell strahlenden Regeln unterliegt, ist Markus Lohner ein Schurke aus dem Reich der Finsternis. Der Mann hat sich doch tatsächlich schonmal übers sogenannte Reinheitsgebot hinweggesetzt – eher aus Versehen. Denn natürlich akzeptiert er dieses im Gesetz verankerte Gebot. Und auch sonst hat er einige Regeln anders interpretiert als die Hüter des wahren Glaubens. Und das, sagt eine seiner Mitarbeiterinnen, sei im Landkreis Traunstein, „in etwa so schlimm, als wenn man jemanden umgebracht hat“. In dem oberbayerischen Kreis, genauer gesagt in Seeon unweit des Chiemsees, betreibt Markus zusammen mit Christian Nuber zwei Firmen: die BrauKon, die moderne Sudhäuser entwickelt und weltweit verkauft, und die Brauerei Camba Bavaria.

Markus Lohner, der Chef von Camba Bavaria. Foto: Camba

In dieser Geschichte soll es nicht um die Sache mit dem Milkstout gehen, das den Blutdruck in oberbayerischen Amtsstuben hat in die Höhe gehen lassen. Und die BrauKon, mit gut 120 Mitarbeitern der größere Teil des beruflichen Schaffens von Markus Lohner, soll nur am Rand vorkommen. In dieser Geschichte geht es um eine Entscheidung bei Camba, die in den Büros des Deutschen Brauerbunds für nach oben gezogene Augenbrauen sorgen dürfte. Hat deren neuer Präsident, Christian Weber, doch gerade erst im Hopfenhelden-Interview gesagt: „Das deutsche Mehrwegsystem und das deutsche Reinheitsgebot zu schützen, sind zwei große Kernaufgaben unserer Arbeit.“

Das deutsche Mehrwegsystem steht für Markus ebenso wenig ganz oben auf der Liste, der allerwichtigsten Dinge, wie das sogenannte Reinheitsgebot. Im Gegenteil: Camba setzt verstärkt auf Einweg, auf die Dose nämlich. Dafür gibt es viele Gründe. Einer ist die Qualität des Produkts. Camba pasteurisiert seine Biere nicht. „Das Bier hält in der Dose länger“, sagt Markus. Das sei vor allem für den Export von Bedeutung. Und da hat Camba gute Karten. Die Wände in der Brauerei hängen voll mit Auszeichnungen. „Im Export schlagen all unsere Medaillen durch. Die haben im Ausland mehr Wert als in Deutschland“, erklärt er.

„Die Dose ist ein kleines Fass“, sagt Markus Lohner – und das ist gut fürs Bier. Foto: Screenshot Camba-Homepage

Aber auch ökologisch müsse sich die Dose vor Mehrwegflaschen nicht verstecken. Die Dose ist nicht nur sicherer zu transportieren, sie braucht auch deutlich weniger Platz. Wer sein Bier also in Dosen auf reisen schickt, hat deutlich weniger Laster auf der Straße. „Mehr als doppelt so viele 0,44-Liter-Dosen wie 0,33-Liter-Flaschen passen aufe eine Europalette“, hat man bei Camba ausgerechnet. Und kaum jemand spreche bei der Verteidigung des Mehrwegsystems von den „Mengen an Wasser und Reinigungsmitteln, die dafür gebraucht werden“, gibt Markus zu bedenken. Seine Erfahtrung: „Wir haben Kunden, die sich bewusster mit Bier beschäftigen. Für diese Kunden ist die Dose interessanter. Für die ist die Dose nicht böse. Die verstehen, dass die Dose ein kleines Fass ist. Und ein Fass ist ja auch nicht böse.“

Insbesondere für den Export ist die Dose besser geeignet als deutsche Pfandflaschen. Foto: Screenshot Camba-Homepage

Wobei Camba die Biere, die vor allem in der Region um die Brauerei herum verkauft werden, nach wie vor auch in Halb-Liter-, teilweise auch in Drittel-Liter-Flaschen abfüllt. Wobei die Halb-Liter-Flaschen mit den „traditionellen Bieren“, wie Markus es formuliert, in den roten Camba-Kisten ausgeliefert werden. Die machen im Super- oder Getränkemarkt etwas daher. Für die kleineren Flaschen hat Camba selbst keine Kisten. Die werden in den schwarzen Logipack-Pfandkisten ausgeliefert. Das ist eine Notlösung, denn: „Logipack ist eine gute Idee, aber im Supermarkt kriegt man dafür den Preis für die hässlichste Kiste.“ Man dürfe sich nichts vormachen: „Auch die Optik spielt eine Rolle.“ Und auch da punktet die Dose mit originellen Motiven bei immer mehr Kunden.

Schwachstellen im Pfand-System

Eine Schwachstelle des Pfandsystems gegenüber der Dose ist vor allem der Verlust von Bierkisten. Gerade kleine Brauereien, kriegen einen nicht unwesentlichen Teil der Kisten, die deutliche mehr Kosten, als Pfand für sie verlangt wird, nicht mehr zurück. Für so manchen Getränkehändler oder Supermarkt sei es kostengünstiger und einfacher, Kisten kleinerer Brauereien, von denen nicht so viele anfallen, zum Schreddern also zum Logistikzentrum zu geben. Das Pfandsystem nützt den großen Brauereien wesentlich mehr als denjenigen unter den kleinen, die auf überregionalen Verkauf angewiesen sind. Dazu gehört auch Camba.

Es gebe in der Region viele gute Brauereien, die den Markt recht fest im Griff haben, erklärt Amelie. „wir beliefern zurzeit in Italien mehr Gastronomie als in der Chiemsee-Region“, sagt sie. Im Gegensatz zu den mächtigen Traditionsbrauereien könne Camba auch nicht mithalten, wenn es darum geht, Schankanlagen und Biergartenmöbel zu finanzieren.

Lohnbrauen spielt eine größere Rolle

Dass Camba seit diesem Frühjahr in 0,44-Liter-Dosen abfüllt, bringt der Brauerei einen weiteren Vorteil: Sie ist dadurch interessanter für Brauerinnen und Brauer geworden, die keine eigenen Brauerei haben. Bisher sei es so gewesen, dass das Lohnbrauen etwa ein Drittel des Umsatzes von Camba ausmacht, sagt Amelie Simmel vom Marketing. Die beiden anderen Drittel verteilen sich auf das Geschäft mit dem eigenen Bier und dem, was im Besucherzentrum läuft: Es gibt einen Rundgang, den man ohne Führung selbst absolvieren kann. Dazu kommen viele Besuchergruppen und der Taproom. Und es gibt dort eine eigene, bio-zertifizierte Bäckerei. Schließlich steht Name Camba für einen Ort, an dem gebraut und gebacken wird, erklärt Amelie. Markus geht davon aus, dass das Lohnbrauen bereits in diesem Jahr die Hälfte des steigenden Umsatzes ausmachen wird. Vor allem weil viele dieser Partnerinnen und Partner auf die Dose setzen.

Der Camba-Taproom ist auch ein Show-Room für Kunden die sich für ein BrauKon-Sudhaus interessieren. Foto: Martin Rolshausen

Auch eine andere Prozentzahl soll sich im laufe dieses Jahres ändern: Das Helle habe im vergangenen Jahr rund die Hälfte des Ausstoßes bei Camba ausgemacht. Es soll auf etwa 25 % runter, sagt Markus. Das Helle sei zwar ein klasse Bier, aber Camba sei angetreten mit dem Anspruch, die Biervielfalt zu fördern. 16 Sorten hat man ständig im Programm. Dazu kommt eine monatliche Braumeister-Edition und einige saisonale Biere. Da Camba selbst etwa 30 Hefen pflegt, habe man da sehr viel Spielraum – auch was das Lohnbrauen angeht, sagt Amelie.

BrauKon liefert weltweit Sudhäuser

Rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind bei Camba beschäftigt. Bei dem Unternehmen, mit dem 2003 alles begann, sind es drei mal so viel: der BrauKon. Markus, der als gelernter Brauer viele Jahre unter anderem in den USA im Anlagenbau gearbeitet hat, gründete damals seine eigene Firma. Camba ist 2008 entstanden, weil die BrauKon eine Art Showroom gebraucht hat – also einen Ort, an dem man potenziellen Kunden zeigen kann, wie gut die BrauKon-Technik ist. 2016 ist das Unternehmen an den jetzigen Standort umgezogen.

Vor zehn Jahren habe er zwar noch geglaubt, dass die Chinesen seinem Geschäftsmodell mit billigen Brauanlagen gefährlich werden können, sagt Markus. Aber diese Sorge sei unbegründet gewesen. „Diese Technik kann man nicht so einfach kopieren“, weiß er. „Ein Sudhaus zu kaufen, ist für einen Brauer eine Lebensentscheidung“, erklärt er. Da schauen man schon genau hin. Weil die BrauKon langlebige Anlagen baut und nicht einfach ein Sudhaus, sondern auch Sicherheit verkaufe, sei das Geschäft sehr stabil. Gerade wird an Anlagen für den neuen Guinness-Standort in London und die Brooklyn Brewery gebaut.

„Hey, Camba wird jetzt cool.“

Die Sache mit der Dose läuft ebenfalls gut – besser als erwartet. „Ehrlich gesagt: Ich habe mir das schwieriger vorgestellt“, räumt Markus ein. Was auch daran liegt, dass der erste Versuch, Camba-Bier in Dosen auf den Markt zu bringen gescheitert ist. „Da hat sich etwas geändert. Vor acht Jahren war man ein Exot, wenn man in Dosen abgefüllt hat“, erinnert er sich. Inzwischen gibt es eine neue Generation von Biertrinkerinnen und Biertrinkern, für die die Dose nicht für Billig-Bier steht, sondern für Qualität. „Hey“, hat neulich eine Brauerin die Dosenentscheidung in Seeon auf einem Bierfestival kommentiert, „Camba wird jetzt cool.“

Wer sich durchs Sortiment probieren will, kann das in Seeon tun, aber auch in den Camba-Taphouses in Frankfurt und München.

(25. September 2023)