Stark aromatisch, bitter und giftig – warum Bilsenkraut im Bier nichts verloren hat
Stark aromatisch, bitter – und giftig. Bilsenkraut war im frühen Mittelalter eine beliebte Bierwürze, obwohl es in größeren Mengen Verwirrung, Gedächtnisstörungen und sogar tödliche Vergiftungen auslösen kann. Heute unvorstellbar! Doch bevor der Hopfen seinen Siegeszug antrat, griff man zu allerlei Kräutern, um Geschmack und Haltbarkeit zu beeinflussen. Mit dem 12. Jahrhundert änderte sich das: Der Hopfen kam in Mode, und mit ihm wurde Bier sicherer, wohlschmeckender – und im besten Sinne kultiviert.

Hopfen: Das wohl aromatischste „Gewürz“ der Welt
Hopfen ist streng genommen selbst ein Gewürz. Seine ätherischen Öle und Harze geben dem Bier Bitterkeit und Charakter – und haben ganz nebenbei heilende Kräfte. Hopfen beruhigt, wirkt antibakteriell, macht das Bier haltbarer und regt den Appetit an. Deshalb ist ein kühles Pils der perfekte Start in den Abend.
Und bei über 200 Hopfensorten weltweit ist die Aromavielfalt gewaltig: von fruchtig-zitrisch über kräuterwürzig bis harzig und erdig. Kein anderes „Gewürz“ prägt den Geschmack des Bieres so sehr wie der Hopfen.
Reinheitsgebot und Ausnahmen – wann Gewürze ins Bier dürfen
Was hierzulande ins Bier darf, ist im „vorläufigen Biergesetz von 1993“ festgeschrieben – und nicht wie oft angenommen im Reinheitsgebot von 1516. Für Experimentierfreudige gibt es die Möglichkeit, Genehmigungen zu beantragen. Voraussetzung: Die Zusatzstoffe sind gesundheitlich unbedenklich und passen sensorisch zum Bier – und das Ganze passiert außerhalb von Bayern. Denn im Freistaat gibt es diese Genehmigungen nicht. Die gute Nachricht für alle anderen: Es gibt also vielfältige Möglichkeiten für Brauer, mit Kräutern, Früchten und Gewürzen neue Bierkreationen zu schaffen.

Weihnachtsbiere: Zimt, Nelke und ein Hauch von Glühwein
Wenn draußen die Temperaturen sinken, wird’s im Glas gemütlich. Zimt, Nelken, Anis, Kardamom und Orangenschalen sind die Klassiker unter den Wintergewürzen. Sie verleihen meist dunklen Bieren eine festliche Note, die an Glühwein erinnert – nur eben in malzig. Diese Biere duften nach Weihnachten, Kaminfeuer und Karamellmalz – und passen perfekt zu Lebkuchen, Braten oder Blauschimmelkäse.
Chili im Bier: Mut zur Schärfe
Chili im Bier? Ungewöhnlich, aber genial. Die Schärfe sorgt für ein wärmendes Mundgefühl, verlängert den Abgang und setzt süße oder malzige Noten wunderbar in Szene. Besonders in kräftigen Stouts und Portern entsteht so eine spannende Geschmackskomposition – pikant, rund, intensiv. Wichtig ist die Dosierung: Eine Prise zu viel, und das Bier brennt. Eine Prise zu wenig, und man spürt es kaum. Brauerinnen und Brauer mit Fingerspitzengefühl machen daraus echte Kunstwerke.
Bier ohne Hopfen: Wacholder in der finnischen Tradition
Hopfenlos glücklich? In Finnland geht das! Dort wurde Bier jahrhundertelang mit Wacholderzweigen gebraut – ganz ohne Hopfen. Das traditionelle Sahti-Bier duftet waldig, würzig und ein bisschen nach Sauna. Diese alte Braumethode zeigt, dass Gewürze schon immer ein Teil der Biergeschichte waren – lange bevor das Reinheitsgebot sie auf vier Zutaten reduzierte.
Auch das Grutbier ist ein Beispiel für hopfenfreie Braukunst: gebraut mit Grut, einer historischen Kräutermischung aus Porst, Gagel, Schafgarbe und anderen Pflanzen. Solche Biere waren vor allem entlang der Nordseeküste verbreitet und zeigen, wie vielfältig das Brauen schon vor Jahrhunderten war. Heute erleben Grutbiere in der Craft-Szene ein Revival – handwerklich, geschichtsbewusst und geschmacklich einzigartig.
Kreative Brauer und klassische Stile: Was wäre Gose ohne Koriander?
Und was wären Gose und Wit ohne ihren typischen Korianderduft? Hier zeigt sich deutlich: Gewürze im Bier sind keine Spielerei, sondern gelebte Tradition. Kreative Brauer*innen führen das fort, was einst mit wilden Kräutern begann: Sie machen Bier zum genussvollen Erlebnis!
Außergewöhnliche Frucht-, Kräuter-, und Gewürzbiere gibt es hier.
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