Wie unabhängige Brauereien gegen einen Konzern kämpfen

Martin Rolshausen

Ist die österreichische Bierkultur in Gefahr? „Ja“, sagt der Verein der unabhängigen Privatbrauereien Österreichs. „Bereits 6 von 10 Bieren, die in Österreich getrunken werden, stammen von internationalen Großkonzernen“, sagt der Verein. Das sei nicht gut. Vor allem die Brau Union, ein Tochterunternehmen des niederländischen Heineken-Konzerns, sieht der Verein als Gegner. Zwar drängt auch der Anheuser-Busch InBev-Konzern mit Hauptsitz im belgischen Leuven mit seinen Marken Stella Artois, Leffe, Hoegaarden, Beck’s, Spaten, Löwenbräu, Franziskaner und dem amerikanischen Budweiser in den österreichischen Markt, Platzhirsch ist aber die Brau Union. Deren Management selbst spricht von „mehr als 50 % Marktanteil“ und einem Bierabsatz von über 5 Millionen Hektolitern in Österreich.

Die Frage, ob die Bierkultur in der Alpenrepublik deshalb in Gefahr ist, beantwortet die Brau Union natürlich mit „Nein“. Im Gegenteil: „Ziel“ sei es, „Österreichs Bierkultur weiter zu verbessern“, wirbt die Unternehmenszentrale in Linz. Und: „Die Bierkultur Österreichs nicht nur respektieren und erhalten, sondern aktiv mitgestalten – dazu bekennt sich die Brau Union Österreich uneingeschränkt. Das ist Antrieb, Mission und Auftrag unseres Unternehmens.“ Und in der Tat: Die Brau Union pflegt ihre regionalen Biermarken – die landesweit positionierten Marken Gösser und Schwechater sowie die Weizenbiermarke Edelweiss und das alkoholfreie Schlossgold. Dazu kommen Marken, denen der Konzern „starke regionale Bedeutung“ zumisst: Zipfer, Puntigamer, Wieselburger, Kaiser, Schladminger, Reininghaus, Villacher und Fohrenburger.

Ob das so bleibt, darüber wird seit einigen Wochen heftig spekuliert. Nämlich seit bekannt wurde, dass der Mann, der bisher als Vorstandsvorsitzender der Brau Union für den Kurs der Marken- und auch der Bierstilvielfalt stand, Klaus Schörghofer, durch einen Manager aus der Heineken-Zentrale in Amsterdam ersetzt wird: Hans Böhm. Der Niederländer, der seit 27 Jahren im Konzern arbeitet, tritt seinen Job in Linz am 1. September an.

Hans Böhm wird mit September 2023 neuer Vorstandsvorsitzender der Brau Union Österreich. Foto: Brau Union

Die Gründung des Vereins der unabhängigen Privatbrauereien Österreichs sahen die damals 10 beteiligten Brauereien als „Antwort auf das Vordringen des globalisierten Einheitsgeschmacks“.
Inzwischen hat der Verein 43 Mitglieder. Darunter große Brauereien wie Stiegl und Ottakringer, aber auch Kreativbrauereien wie etwa Bierol, Kiesbye, Loncium und The Beer Buddies. Die meisten der Biere, die in den unabhängigen Traditions-Brauereien gebraut werden, setzen sich allerdings nicht wirklich ab von dem, was die Brau Union macht. Denn auch in der österreichischen Konzern-Filiale gibt es engagierte Brauer. Braumeister Andreas Urban zum Beispiel, der in Schwechat, den dort 1839 vom österreichischen Braumeister Anton Dreher senior „erfundenen“ Bierstil Wiener Lager pflegt. Oder Braumeister Martin Simion, der unter anderem in Linz maßgeblich daran beteiligt war, dass dort eine neue Brauerei entstanden ist, die an die alte Brautradition in der oberösterreichischen Landeshauptstadt anknüpft.

Die Gründer des Vereins der „unabhängigen Privatbrauereien Österreichs“, von links: Josef Sigl (Trumer Privatbrauerei), Josef Rieberer (Brauerei Murau), Karl Theodor Trojan (Brauerei Schrems), Hubert Stöhr (Brauerei Schloss Eggenberg), Heinz Huber ( Mohrenbrauerei), Ewald Pöschko (Braucommune in Freistadt), Klaus Möller (Privatbrauerei Hirt), Heinrich Dieter Kiener (Stieglbrauerei zu Salzburg), Siegfried Menz (Ottakringer Brauerei) und Karl Schwarz (Privatbrauerei Zwettl). Foto: Anna Stöcher

Es kann sein, dass sich das unter dem neuen Chef ändert, aber bisher liefert die Brau Union eine ebenso gute Qualität wie die unabhängigen Brauereien. Das Problem ist ein anderes: Ein Konzern, der die Hälfte des Marktes im Griff hat, hat enorme Macht. Die Brau Union wird diese Macht weiterhin für Preiskämpfe im Handel, Einfluss auf die Gastronomie und einen weiteren Ausbau der Marktanteile nutzen. Die Gründung des Vereins der unabhängigen Privatbrauereien Österreichs ist also ein Kampf ums Überleben der Brauereien, die nicht nur für Bierkultur, sondern für eine Unternehmenskultur stehen, die der der Konzerne entgegensteht. Es gehe um „prachtvolle Traditions- und Familienbrauereien mit Sitz in Österreich“, erklärt der Verein. Wichtig sei: „Sie zahlen ihre Steuern zu 100 Prozent in Österreich. Sie denken in Generationen, nicht in Bilanzperioden.“ Mit dem Logo des Vereins auf den Flaschen und Dosen aus diesen Brauereien, wolle man die Kundinnen und Kunden entscheiden lassen, ob „mit ihrem Einkauf, die Wertschöpfung in Österreich bleibt, oder ins Ausland wandert“. Menschen, die das Bier der unabhängigen Brauereien kaufen, „tragen damit zum Gemeinwohl des Landes bei und leisten mit ihren Steuern und Abgaben einen fairen Beitrag zu Bildung, Gesundheitsversorgung, Infrastruktur und anderen Aufgaben der öffentlichen Hand“, wirbt der Verein.

Auslöser für die Initiative seien „die Marktverzerrungen am heimischen Biermarkt, die von den mittelständischen Privatbrauereien schon länger mit Sorge beobachtet werden“. Die Pandemie habe „die Situation zusätzlich verschärft“: „Durch den monatelangen Ausfall der Gastronomie brach der Bierkonsum ein. Die internationalen Großkonzerne reagierten darauf mit scharfen Preiskämpfen, bei denen die Privatbrauereien nicht mithalten können und wollen.“

Das Logo der unabhängigen Privatbrauereien in Österreich.

Die Pandemie habe aber auch etwas Gutes gehabt, heißt es im Verein. Sie habe „auch eine ganz andere Entwicklung ausgelöst, nämlich eine Besinnung auf das Österreichische, Authentische, auf Regionalität und Nachhaltigkeit“. Darauf setzen die unabhängigen Brauereien. Und sie inszenieren den Kampf „David gegen Goliath“, in dem der kleine David der  Sympathieträger ist. Mit Shirts, die in Anspielung auf die Französische Revolution „Liberté, Égalité, Schaumkroné“ proklamieren, will der Verein Lust auf „100 % unabhängig“ machen. Zusammen mit Nichtregierungsorganisationen hat man sich dafür stark gemacht, dass Neuzüchtungen von Braugerste „nicht mehr patentiert und damit der allgemeinen Nutzung entzogen werden“. Das österreichische Parlament folgte der Argumentation. „Dass dieser Missbrauch jetzt gestoppt werden konnte, ist ein Erfolg für die österreichische Braukultur und darüber hinaus für den Erhalt der Artenvielfalt“, sagte der damalige Obmann der Vereinigung der Unabhängigen Privatbrauereien Österreichs, Ewald Pöschko. 

Ob die österreichischen Biertrinkerinnen und Biertrinker sich in revolutionäre Stimmung versetzen lassen, ist ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Der Verein der unabhängigen Privatbrauereien Österreichs schafft zumindest Transparenz, indem er über sein Logo und auf seiner Homepage durch Auflistungen der Brauereien, die zum Konzern und zum Verein gehören, Transparenz schafft. Über diese Seite kann man auch die „Liberté, Égalité, Schaumkroné“-Shirts bestellen. Die Konsumenten sind nun also an der Reihe mit ihrer Antwort auf die Frage: Ist die österreichische Bierkultur in Gefahr? 

(1. August 2023)