Reinheitsgebot

DAS REINHEITSGEBOT: Was ist das eigentlich?

Nina Anika Klotz

Aus unserer Reihe Bier-Basis-Wissen: Was ist eigentlich das Reinheitsgebot? Ein Gesetz? Eine Empfehlung? Hokuspokus? Was passiert, wenn man dagegen verstößt? Biergefängnis? Sind Craft Brauer Verbrecher? Wir räumen auf mit krudem Halb- und Falschwissen zum Deutschen Reinheitsgebot

Fakt ist: Das Reinheitsgebot von 1516 besagt, dass Bier in Deutschland nur mit vier Rohstoffen gebraut werden darf. Fakt ist auch: Rechtlich bindend ist „das Reinheitsgebot“ nicht, sondern das Vorläufige Biersteuergesetz von 1993. Und: Craft Beer in Reinheitsgebot sind per se kein Widerspruch.

Reinheitsgebot

Ah, Bier, so herrlich und rein… oder was!? (Foto: StP)

Geschichte des Reinheitsgebotes

Das Reinheitsgebot wird gern als „das erste Verbraucherschutzgesetz der Welt“ gefeiert. Stimmt irgendwie auch. In Teilen. Deutsches Bier vor 1516 war nicht immer ein Hochgenuss. Bilsenkraut, Eier, Pech, Kreide, Fliegenpilz, Ochsengalle – alles soll da reingewandert sein. Im besten Fall schmeckte das Bier damit recht grausig, im schlimmsten Fall war’s giftig bis tödlich.

Trotzdem war Bier im Mittelalter das Getränk für alle und zwar oft von morgens bis abends, denn solange der Brauer nicht all zu schlimm pantschte, war es das sicherste, Bier zu trinken: Durch das Aufkochen waren zumindest die Bakterien im Wasser abgetötet. Und wenn der Brauer mit Hopfen als Biergewürz gearbeitet hat, blieben sie auch tot und man wurde vom Bier – im Gegensatz zum Wasser – nicht krank.

Erlass vom Ständetag in Ingolstadt im April 1516

Weil sich das mit dem Hopfen so gut machte, erließen die Brüder Herzog Wilhelm IV und Ludwig X, die gemeinsam Bayern regierten, auf den Ständetag in Ingolstadt am 23.April 1516 eine Verordnung mit der Überschrift  »Wie das pier summer un winter auf dem Land sol geschenckt und prauen werden«. In neueres Deutsch übersetzt steht da: „Ganz besonders wollen wir, dass forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen. Wer diese unsere Anordnung wissentlich übertritt und nicht einhält, dem soll von seiner Gerichtsobrigkeit zur Strafe dieses Fass Bier, so oft es vorkommt, unnachsichtlich weggenommen werden.“

Dieser Abschnitt ist das, worauf man sich heute, 500 Jahre später, beruft, wenn man das Deutsche Reinheitsgebot meint. Heute darf Bier in Deutschland ausschließlich mit vier Rohstoffen gebraut werden:

  • Gerstenmalz
  • Hopfen
  • Wasser
  • Hefe (deren Bedeutung waren Wilhelm und Ludwig sich nicht bewusst, weshalb die in ihrem Erlass unerwähnt blieb)
Reinheitsgebot

Wie anno dazumal: Bier wird angeblich seit 500 Jahren gleich gebraut. Stimmt das? (Foto: NAK)

Kritische Betrachtung des Reinheitsgebots

Betrachtet man die Geschichte etwas genauer, stellt man fest, dass es den beiden bayerischen Herzögen nicht um das Wohl ihres Volkes ging. Also schon, aber nicht nur in dem Sinn, dass sie wollten, dass die Leute gutes Bier trinken. Tatsächlich ist das Reinheitsgebot nämlich auch ein Erlass, der sich in die Kategorie „Ressourcenmanagement“ packen lässt: „Weizen fürs Brot, Gerste fürs Bier, Hafer für die Pferde“ war eingängiger Spruch dieser Zeit. Und der steckt auch im Ingolstädter Erlass: Mit Gerste sollt ihr brauen, Leute. Nix anderem.

Ganz nebenbei sicherten sich die Wittelsbacher hiermit das exklusive Recht, mit Weizen Bier zu brauen, das damals schon beliebte Weißbier. Sie bauten ein Weißbiermonopol auf und reichten Braulizenzen heraus, die sie sich teuer bezahlen ließen. Manche Historiker sagen, mit den Einnahmen hätten die Wittelsbacher die Verteidigung ihres Besitzes im Dreißigjährigen Krieg finanziert.

Reinheitsgebot als USP

In den Jahrzehnten nach Wilhelm und Ludwig wurde das Reinheitsgebot eher lax gehandhabt. Bier mit Honig oder Kümmel, Wacholder und Salz waren üblich. Und eigentlich war diese Reinheitsgebotssache fast vergessen, bis ein bayerischer Landtagsabgeordneter das Ganze 1918 wieder hervorkramte:  Die Bayern machten es zu einer Bedingung ihres Beitritts zum Deutschen Reich, dass „ihr“ Biergesetz deutschlandweit gelte – weil es das deutsche Bier im Wettbewerb mit Bieren aus dem Ausland hervorheben sollte.

Reinheitsgebot

Darf rein: Hopfen. Hier in Form getrockneter Dolden. Pellets und Extrakt erlaubt das Reinheitsgebot auch. (Foto: NAK)

Aktuelle Diskussion über das Reinheitsgebot

Gerade im Jahr des 500. Geburtstages des Reinheitsgebotes wurde viel über Sinn und Unsinn der Verordnung diskutiert:

  • Verfechter des Reinheitsgebotes führen gern an, dass das Reinheitsgebot verhindert, dass die deutsche Biergesetzgebung an Europa-Recht angeglichen wird. Damit könne man die Qualität deutschen Bieres sichern, denn im Gegensatz zu einigen Nachbarländern dürfen Brauer in Deutschland keine Adjuncts verwenden, billigeren Stärkelieferanten wie Reis oder Mais, es werden keine Enzyme eingesetzt ,um den Maischprozess zu beschleunigen, genauso wie Konservierungsstoffe und künstliche Aromastoffe.
  • Kritiker des Reinheitsgebotes sagen, das Reinheitsgebot sei ein Marketingtool. Es suggeriere, dass Bier in Deutschland noch so ursprünglich und handwerklich wie vor 500 Jahren gebraut würde – was natürlich Quatsch ist in Anbetracht gigantischer, hochautomatisierter Braukonzerne. Der Verbraucher sieht vor lauter Reinheitsgebot auch nicht, welche teils umstrittenen Hilfsmittel benutzt werden dürfen, die Bier klären und stabiler machen. Einige Kritiker sagen auch, das Reinheitsgebot ist mit Schuld, dass Craft Beer hierzulande so spät auf den Plan kommt, weil es echte Biervielfalt verhindert.

Craft Beer und Reinheitsgebot

Falsch ist allerdings die Annahme, Craft Beer und Reinheitsgebot gingen gar nicht miteinander. Tatsächlich sind die allermeisten Bierstile innerhalb des Reinheitsgebotes möglich: IPA, Pale Ale, Berliner Weisse, Baltic Porter, Stout – kann man alles machen. Bei Lambic und Witbier wird es allerdings tricky: Außerhalb Bayerns auch kein Problem. In Bayern? Geht gar nicht.

Die bindende Rechtsgrundlage für Deutschlands Craft und Nicht-Craft-Brauer ist das „Vorläufige Biersteuergesetz von 1993“. Demnach darf was „Bier“ genannt werden mag, ausschließlich mit Gerstenmalz (für Weißbier auch Weizen), Hopfen, Wasser und Hefe gebaut werden. Ausnahmen sind möglich. Dafür muss nach Paragraph 9 einen Antrag zum „Brauen besonderer Biere“ gestellt werden, der in aller Regel auch bewilligt wird. Nur in Bayern und Baden-Württemberg existiert dieser Paragraph nicht.  Noch nicht.

Ausblick

Gerade aus Craft Brauer Kreisen kamen im Jahr des Jubiläums vermehrt Vorschläge, die in die Richtung gingen, das Reinheitsgebot in ein „Natürlichkeitsgebot“ zu überführen. Keiner will E-Nummern und Aromastoffe aus dem Labor im Bier, aber vielleicht mal ein paar Kisten Bio-Erdbeeren, so die Idee dahinter. Und tatsächlich hört man auch Kreisen des Deutschen und Bayerischen Brauerbundes leise Stimmen, dass das 500 Jahre alte Gesetz vielleicht bald ein kleines Make-Over bekommen könnte.