Tiffany Herrington ist die Erfinderin der Berlin Beer Week. Mit uns sprach die Amerikanerin über ihre Idee, Craft Beer aus der Hipster-Nerd-Ecke zu holen, das gute Gefühl, Hefe an den Fingern zu haben und wunderliche Bierstil-Interpretationen deutscher Craft Beer Brauer
Tiffany Herrington ist eine ziemlich coole Brezn. One tough cookie, wie man bei ihr zuhause sagen würde. Eigentlich kommt Tiffany nämlich aus Kalifornien, aber noch eigentlicher würde sie Seattle als ihre gefühlte Heimat bezeichnen, denn da hat sie die letzten acht Jahre gelebt und da ist die Craft Beer Szene so verdammt großartig, wie sie sagt.
Nach einer Ausbildung zur Krankenschwester und ein paar Jahren in einer Rechtsanwaltskanzlei, beschloss das Mädchen, das von Herzen gerne gutes Bier trinkt und ebenso gerne als Homebrewer braut, Bier zu ihrem Beruf zu machen. Dafür arbeitete sie sich zäh und fleißig nach oben. Sie fing im Brewpub der Pike Brewing Company in Seattle an, aber nur unter der Bedingung, dass sie einen Job in der Brauerei selbst bekäme, sobald einer frei würde. So kam sie ein paar Monate später in die Abfüllung und stand Tag für Tag in Arbeitshosen und Schutzbrille am Flaschenabfüller. „Ich war jeden Abend voller Bier, Schweiß und Scherben – aber ich habe den Job geliebt“, sagt sie. Später bekam sie einen Job im Sudhaus, dann braute sie in zwei anderen Craft Breweries in Seattle – bis sie während eines Rucksack-Trips durch Europa mehr oder weniger aus Versehen in Berlin hängen blieb. „Alle hatten gesagt, ich solle mir Berlin mal anschauen, das sei eine tolle Stadt“, erzählt sie. „Ich wollte nur zwei Wochen bleiben, fand’s aber so gut– und bin geblieben.“
Macht der Berliner Craft Beer Szene Dampf
Seit einem Jahr lebt die 34-Jährige jetzt in Berlin und setzt hier nun alles daran, die Craft Beer Szene auf Spur zu bringen. „Wahrscheinlich bin ich jetzt ein Beerevangelist“, sagt sie, „auch wenn ich das Wort nicht leiden kann.“ Passt auch nicht wirklich, Evangelist klingt nach Heiligenschein, weißem Kleid und andächtig gefalteten Händen. Und nicht nach Vollgas, drei Meetings und hundert Emails am Tag. Das ist nämlich so ungefähr das Pensum, dass die Amerikanerin bewältigt, seit sie beschlossen hat, gemeinsam mit Stefan Krüger (Beergeeks Distribution) und Dirk Hoplitschek (Bierindex) die erste Berlin Beer Week auf die Beine zu stellen.
Sie träume inzwischen sogar schon von der Berlin Beer Week, erzählt Tiffany. Davon, und manchmal auch von Hefeschleim an den Fingern. Das vermisst sie nämlich am meisten an ihrer Arbeit in der Brauerei: „Klebrige Finger und den Geruch von Malz.“
>> Mehr Infos zur Berlin Beer Week 2015, das Programm und einzelne Events <<
Tiffany, gib’s zu: Die Berlin Beer Week war deine Idee.
Nicht direkt. Es war so: Stefan und ich waren im Auto unterwegs und haben einfach so über Bier geredet, als ich ihn gefragt habe: „Ach, sag mal, wann ist eigentlich in Berlin Beer Week?“ Und er so: „Was ist Beer Week?“ Und ich: „Alles klar…!“ In den USA sind die Beer Weeks der einzelnen Städte feste Institutionen, seit Jahren schon. Die Seattle Beer Week ist für mich die schönste Zeit des Jahres, das ist besser als Weihnachten und Geburtstag, da freue ich mich Monate im Voraus schon darauf.
Stefans Frage bleibt aber: Was ist eine Beer Week?
Die Beer Week ist quasi ein großes, dezentrales Bierfest. Statt viele Brauer an einem Ort zu versammeln, finden während dieser Woche in der ganzen Stadt verteilt Craft Beer Events statt. Das gibt zum einen vielen kleinen Unternehmen, seien es Brauereien, Bars, Cafés und so weiter, die Möglichkeit, mit ihren ganz eigenen Veranstaltungen an der Beer Week teilzunehmen. Zum anderen entsteht so das schöne Gefühl, als würde die ganze Stadt Craft Beer feiern.
Das heißt, statt die Leute zum Craft Beer zu locken, bringt ihr Craft Beer zu den Leuten.
Irgendwie so, ja. Es wäre schön, wenn wir damit dazu beintragen könnten, Craft Beer das Hipster-Stigma zu nehmen. Damit klingt es immer so, als wäre das nur ein kurzlebiger Trend. Aber das ist Craft Beer nicht. Wir wollen Craft Beer zu einer ganz normalen Sache machen für Leute, die gern Abwechslung haben und gutes Bier trinken wollen. Denen es um gute Qualität und gute Zutaten geht.
Du kennst die gigantische US-Craft Beer Szene und du kennst seit einem Jahr die deutsche, oder zumindest die Berliner. Könntest du die beiden einmal vergleichen?
Ok, ganz ehrlich? Als ich frisch hier in Berlin angekommen war, war ich schon irgendwie enttäuscht. Was ich so in Getränkemärkten und Spätis an Bier gefunden habe, war nicht besonders aufregend. Dabei hatte ich mir von deutschem Bier schon einiges versprochen. Erst dann habe ich nach und nach die Berliner Craft Beer Szene entdeckt. Ich glaube, mein erstes deutsches Craft Beer war „Holy Shit“ von Schoppe Bräu. Das war toll, endlich ein Double IPA!
Die Berliner Szene muss dir im Vergleich zu Seattle winzig vorgekommen sein.
Ja, klar, ganz offensichtlich ist das Thema Craft Beer in Deutschland noch viel kleiner als in den USA. Aber abgesehen davon gehen die Brauer hier auch anders mit den unterschiedlichen Bierstilen um. Sie werden fast alle ganz anders interpretiert als in den USA. Manche entsprechen auch gar nicht dem Stil, der sie sein wollen. Zum Beispiel habe ich neulich ein Saison getrunken, das richtig malzig war und ziemlich dunkel. Es war ein gutes Bier, wirklich – aber ich hätte es nicht „Saison“ genannt. Ich glaube, viele Brauer sind hier noch dabei, ihre Rezepte zu verfeinern. Aber es gibt eine Menge Potential, eine Menge Brauer, die sehr talentiert sind und viele, die immer mehr aufholen.
Und Parallelen?
Gibt es auch! Hier wie dort ist die Craft-Beer-Branche eine weitgehen Arschloch-freie-Zone. Das liebe ich so daran. In meiner Zeit in der Anwaltskanzlei habe ich ganz anderes erlebt. Craft Beer Brauer sind alle voller Leidenschaft. Keiner verdient wirklich viel Geld, alle machen das, weil sie gern machen, was sie tun.
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