GREG KOCH: „Ich habe ein strittiges Verhältnis zur Realität“

Nina Anika KlotzIm Gespräch

Schluss nach nur zweieinhalb Jahren: Stone Brewing übergibt die Berliner Brauerei an Brewdog. Gründer Greg Koch über seinen Schmerz und die Gründe

Reden schwingen, wenn’s läuft? Easy.
Weiterreden, wenn’s nicht mehr läuft? Nur was für Große.
Am Abend, an dem James Watt und Martin Dickie, die beiden Chefs und Gründer von Brewdog, in Berlin die Übernahme der Mariendorfer Stone-Brauerei in Berlin-Mitte bekanntgaben, haben wir uns mit Greg Koch zu einem Gespräch getroffen.

Wann wusstest du, dass es mit Stone Brewing Berlin nicht weitergehen kann? Gab es einen bestimmten Moment?

Es gab diesen Moment. Und dann gab es eine Leugnung dieses Moments. Und dann eine Abwehr dieses Moments. Was ich sagen will: Entgegen besseren Wissens und trotz all der Informationen, die ich sehr wohl hatte, wollte ich weiter glauben, dass wir alles noch zum Guten wenden können. Ich kann es meinem Management-Team nicht hoch genug anrechnen: Obwohl sie bereits längst wussten, was rauskommen wird, sind sie trotzdem mit mir durch den ganzen Prozess gegangen, alles immer wieder aufzudröseln und aus unterschiedlichsten Perspektiven darauf zu schauen. Nur, weil ich einfach nicht akzeptieren wollte, was die Realität ist, der wir hier ins Auge schauen müssen.

Ich gebe gern zu, dass meine Beziehung zur Realität immer etwas strittig war. Strittig oder zweifelhaft. Aber das ist in gewisser Weise so ein Unternehmer-Ding: Entrepreneure machen ihre eigene Realität. Da gibt es freilich Grenzen. Ich kann beschließen, dass es meine Realität ist, in der Luft zu schweben, aber die Erdanziehungskraft ist vermutlich stärker. Und auch im Fall von Stone Berlin war die Erdanziehung am Ende zu stark.

Erdanziehung oder der deutsche Biermarkt. Funktioniert Craft Beer einfach nicht in Deutschland?

Craft Beer wächst weiter. Aber für einen Enthusiasten und Unternehmer wie mich wachsen die Dinge nie schnell genug. Viele Menschen nehmen Veränderungen an und viele Menschen lehnen Veränderungen ab. Die Allgemeinheit wird immer ein Mix aus beiden Gruppen sein. Funktioniert Craft Beer in Germany? Ich weiß ehrlich nicht, was ich darauf antworten soll.

Stone Berlin Ende

In der Stone Library Bar, geschlossen ab Mai 2019. (Foto: StP)

Das letzte Jahr über wurde ich in den USA immer wieder gefragt: „Und, wie läuft’s in Berlin?“ Klar, waren wir da schon unter Druck, wenngleich ich natürlich nicht den jetzigen Ausgang geahnt habe. Ich habe also immer geantwortet: „Naja, mein Ziel da drüben ist es, eine Debatte über Bier anzustoßen.“ Und die Leute schauten mich an, als wäre ich durchgeknallt: „Moment mal, wir reden hier von Deutschland. Dem Bierland. Wieso sollte man da das Gespräch über Bier erst anstoßen müssen?“ Ernsthaft, die glauben mir nicht, wenn ich ihnen versuche zu erklären: Deutschland hat eine wundervolle Brautradition und einen hervorragenden Ruf – und trotzdem wird diese Bierkultur von den Deutschen weitestgehend ignoriert, weil sie das 08/15-Supermarktbier vorziehen. Das ist eigentlich eine Tragödie.

Was hast du denn zu James Watt dazu gesagt?

James Watt und Brewdog sind absolut in der Lage ihre eigenen Entscheidungen in dieser Frage zu treffen. Sie haben ihre eigene Perspektive und ihre eigenen Erfahrungen. Ihre Marke ist in Europa und in Deutschland stärker etabliert. Und wir hoffen, dass ihnen das die Möglichkeit gibt, Dinge zu tun, die wir nicht geschafft haben. Das klingt vielleicht komisch, aber: Wir haben das Gefühl, dass wir eigentlich ziemlich viel geschafft haben. Zum Beispiel die Dose: Ja, die Dose wird langsamer angenommen als gehofft. Aber trotzdem ist das Wachstum in diesem Bereich gut. Es ist nur absolut gesehen nicht gut genug. Oder: Unser Menü war sehr erfolgreich, aber es war außerhalb des Berliner Preisgefüges. Und ich beschuldige hier nicht die Berliner, zu geizig zu sein. Davon gibt es noch viel mehr Beispiel. Alles sind Themen, die man einzeln hätte lösen können, hätte es zwei oder drei und nicht dreißig davon gegeben. Letztlich ist das Ende von Stone Berlin das Ergebnis des komplexen Zusammenkommens von vielen, viele kleinen Dingen.

Stone Brewing Berlin Ende

Team Stone wird größtenteils Team Brewdog werden. (Foto: StP)

Was ist mit der weiten Entfernung zwischen Berlin und San Diego? War das auch ein Problem?

Ja, das ist das Nächste: Die geographische Entfernung, die vielen Zeitzonen dazwischen, Sprache und Kultur – das alles sind Differenzen, die uns natürlich vorab bewusst waren, wir haben aber nicht wirklich verstanden, welch großen Impact sie haben würden. Und weil es eben so viele Dinge sind, muss jedes nur 10 Prozent stärker ins Gewicht fallen, als man dachte. Wenn am Ende alles zusammenkommt, ist es ein ganz schöner Batzen – und zu viel.

Gibt es ein neues Projekt, auf dass du dich stürzten wirst, vielleicht auch um Berlin zu überwinden?

Ganz ehrlich: Ich werde mich weiter auf Berlin konzentrieren. Auf Deutschland und auf Europa. Unser Wachstum hier ist gut. Es ist nicht so, als wären wir nicht erfolgreich gewesen. Es war nur einfach alles zehn Prozent komplizierter, teurer, langsamer als gedacht. Und wir reden halt von gefühlt dreißig unterschiedlichen Themen. Wir verlassen nicht den deutschen Markt. Wir behalten den Taproom im Prenzlauerberg, wir vertreiben unsere Biere hier weiter, wir brauen sogar weiter in Mariendorf. Da steht dann zwar Brewdog über der Tür, aber es ist immer noch die Anlage, die wir gekauft und konzipiert haben, es sind die Leute, die wir ausgebildet haben, die weiter unser Bier brauen werden. Ehrlich: Aus Sicht des Bieres hat sich eigentlich gar nicht verändert, das Bier kann nicht lesen, was draußen an der Tür steht.