MAHRS BRÄU: Straight outta Bamberg

Jakob KubeIm Portrait

Eigentlich ticken Biertrinker auf der ganzen Welt gleich, hat Stephan Michel von Mahrs Bräu in Bamberg festgestellt. Craft hin, Tradition her – alles Wurscht: Biere, die man gut trinken kann, sind’s. Genau die macht Mahrs Bräu in Bamberg schon immer. Nur, dass die seit geraumer Zeit nicht mehr nur um die Wunderburg in Bamberg, sondern in der internationalen Craft-Szene ein großer Hit sind.

Die Kellner wirbeln im Gastraum. „Noch a U“, ein Ungespundetes soll es bitte sein. Vorbei an den Stehgammlern, den Stammgästen die ihr Bier im Hauseingang stehend trinken, geht es hinein ins Herz von Mahrs Bräu. Es ist Freitagmittag und das Wirtshaus füllt sich langsam. Neben die kleine Gruppe Italiener gesellt sich ein Stammtisch. Ein grün-gekachelter Ofen heizt hier schon seit hunderten von Jahren und sorgt für eine wohlige Wärme im Schankraum, der mit seinen dunklen Holzbalken in der Zeit stehengeblieben zu sein scheint.

Mahrs Bräu

Darauf ein U! (Foto: Jakob Kube)

Bei dem Mann, der das hier alles verantwortet, herrscht hingegen nie Stillstand. Stephan Michel hat immer irgendetwas am Laufen. Mit bayerischer Trachtenjacke, Fünf-Tage-Bart und modern gerahmter Brille schafft er einen interessanten Spagat zwischen traditionell fränkischem Brauer und Start-Up-CEO. Ruck-zuck stellt er sich vor und versucht mit dem Kellner noch schnell zu koordinieren, welche Termine für heute anstehen. Die Brauereiführung mit der Italienerin verschiebt er erstmal. Wären da noch ein paar Japaner, die sich für heute angekündigt haben. Händler und Wirte. Sind für einen Besuch extra eingeflogen. Denn wer sein Bier haben möchte, der soll erstmal herkommen und sich vor Ort ein Bild machen. Dann kann man weiterreden.

Dass die Kunden weite Wege für seine Biere auf sich nehmen, freut Michel natürlich. Aber er weiß auch, wieso das so ist. Nicht weil er das Lagerbier neu erfunden hat. Sondern weil er sich gerade in Zeiten einer immer größeren Biervielfalt auf das Wesentliche konzentriert. Bei einem Frischgezapftem erklärt er, was er genau damit meint. „Die Leute wollen eben Biere haben, die gut schmecken und Drinkability haben, aber nicht totgestopft sind“, sagt Michel. IPA, Coffee Stout oder Sauerbier gibt’s bei ihm nicht.

Mahrs Bräu

„Bumms-simpel“, das sei sein Geheimrezept. (Foto: Mahrs Bräu)

Dagegen steckt in seinen Lagerbieren ganz viel Drinkability. Um zu erkennen, welches Potential in seinem Bier steckte, dafür musste der abenteuerlustige Junggeselle sein eigenes Handwerk erst aus einer neuen Perspektive sehen. Raus aus der fränkischen Idylle, um den Kopf wieder frei zu bekommen.

„Wer biste, was willste, wo willste hin“

„Ich wurde in dieses Showbusiness schon reingedrückt“, sagt Stephan Michel, wenn er über seinen Weg in die Braubranche spricht. Vater Ingmar hatte einen klaren Plan für den Junior. Viel Freiraum gab es da nicht. Und um das alles zu verarbeiten hatte er halt auch seine „Hardcorephase“. Er wollte ja bei allem mitreden können und einfach viel ausprobieren. Also ab in die weite Welt. „Ich hab auf Hawaii gewohnt, ständig Reisen gemacht“, erzählt er. Und weil es als Brauersohn eben auch interessant ist, was in anderen Ländern so ins Glas kommt, nahm er natürlich auch biertechnisch alles mit was ging. „Ich habe die letzten zwanzig Jahre so viele verschiedene Biere probiert und beobachtet, was der Kunde trinkt“, sagt Michel und es waren eben nicht die alternativen und immer noch aufwendiger gebrauten Bierstile, sondern die schlichten, gut gemachten Lagerbiere, die bei ihm hängen blieben. Biere, bei denen sich der Kunde keinen Kopf mehr macht, ob das jetzt schmeckt oder eben nicht.

Erst Säen, dann Ernten

Ganz nebenbei konnte er auch Kontakte knüpfen mit Brauern in der ganzen Welt. Ken Grossman von Sierra Nevada oder Greg Koch von Stone Brewing gehören zu seinen Freunden. Spätestens seit dem Stephan Michel seinen schönen Janker an einem langen, feuchtfröhlichen Festivalabend Greg Koch schenkte, hat er bei ihm einen Stein im Brett. Und wenn er mal wieder in den Staaten ist, nutzt er jetzt einfach Kochs Wohnung. Es öffnen sich viele Türen für Stephan Michel. Weil der eben mitreden will, trotz aller Tradition immer am Puls der Zeit bleibt und auch das nötige Selbstbewusstsein mitbringt. Und sein eigenes Bier nicht unter Wert verkauft.

Auf seinem Youtube-Channel feiert er den Weizenbock-Anstich mit seinen Brauerfreunden, philosophiert gemeinsam mit Greg Koch über Craftbeer oder reißt mit Rockabilly Bands den Hinterhof der Brauerei ab. Und mit einem gewissen Augenzwinkern bewirbt er seine Biere als das „Mahrs aller Dinge“. Dass dieser Franke so offensiv ist, das mögen auch seine amerikanischen Kollegen. Ken Grossman klopfte vor zwei Jahren bei ihm an. Für ihr jährliches Oktoberfestbier setzten sie sich zusammen und entwickelten ein neues Rezept. „Du hast dein Ding ausgesät und jetzt wird halt geerntet“, sagt er dazu.

Mahrs Bräu ist Evolution statt Revolution

Die fränkische Traditionsbrauerei Mahrs Bräu hat sich ständig weiterentwickelt, weil Michel nicht alles so gemacht hat, wie es eben Tradition für einen Bamberger Bräu gewesen wäre. Denn nach seiner Braumeisterausbildung bei Doemens stieß er sich schnell an der Einstellung vieler Bamberger Brauereien. Da war das Motto: Das haben wir schon immer so gemacht, also machen wir es auch weiterhin so. An der Hopfensorte wird hier natürlich nicht gerüttelt. Und auch sonst am Rezept nicht  – niemals!

Mahrs Bräu

Schau old-school aus – ist aber ganz schon progressiv. (Foto: Mahrs Bräu)

Stephan Michel sieht das anders. „Das funktioniert natürlich nicht“, sagt Michel und denkt dabei vor allem an den Klassiker unter den Mahrs Bräu Bieren, das U, das Ungespundete. Das heißt so, weil das offene Spundloch an der Seite des Gärbehälters mehr Kohlensäure entweichen lässt. Das U ist längst über die Stadtgrenze hinaus wegen seines besonders würzigen Aromas zum Kultbier geworden. Wenn er sich das Rezept von 1967 anguckt, erkennt er das Bier kaum wieder. Dafür steckt zu viel Potential in den Aroma-Hopfensorten die in der Hallertau angebaut werden. Und da bedient er sich selbstverständlich gern, um trotz aller Tradition ein zeitgemäßes Bier zu machen. Der Erfolg gibt ihm recht. Innerhalb der letzten sechs Jahre hat er 10.000 Hektoliter Zuwachs gehabt und somit den Bierausstoß fast verdoppelt. „Trotz zweier Preiserhöhungen – das zeigt mir, dass der Kunde den ich erreiche, derjenige ist, der aus Genuss trinkt“, sagt Michel.

„Die hoffen, dass es kein Russian IPA ist“

Mit der Zeit hat sich Mahrs Bräu auch im Ausland einen Namen mit seinen Lagerbieren gemacht. Als schlauer Geschäftsmann hat Michel das früh erkannt und Mahrs Bräu International gegründet, um sein Bier auch weltweit zu verkaufen. Egal ob USA, Tschechien oder Italien, seine Biere haben sich da am Zapfhahn durchgesetzt. Funktionieren einfach. Und von denen bestellen die Leute auch gerne noch ein Drittes. Dass sich das Münchner Helle so gut verkaufe, wundere ihn nicht. Das sei eben „bumms-simpel“. Und deshalb so gut.

Auch bei vielen europäischen Craftbrauern haben sich die Interessen etwas verschoben, beobachtet Michel. „Die wollen jetzt alle Lagerbier brauen“. Auf großen Bierfestivals sieht er die Gäste immer mehr zu den Sorten greifen, die einem eben nicht die Schuhe ausziehen. „Die hoffen, dass es kein Russian IPA, dass es kein Pale Ale und dass es kein Sauerbier ist“, sagt Michel.

„Wenn ich die Frau bekomm, bekomm ich den Mann sowieso“

Mahrs Biere sollen jedem schmecken. Das hat sich Michel auf seine Fahne geschrieben. „Ich gebe gar nicht so viel auf den männlichen Biertrinker“, sagt er. Der trinke sowieso Bier. Wenn er die Frau bekomme, dann bekomme er den Mann sowieso. „Der Mann wird ja dann nicht auf einmal anfangen Sekt zu saufen“, sagt er und amüsiert sich. Dass er die in Bayern wie in Stein gemeißelte „Halbe“ als Flaschengröße auch wegen der weiblichen Biertrinker anrührte, das ist mutig. Und zahlt sich voll aus. Denn die „halben Halben“ 250 ml Flaschen verkaufen sich super und bestätigen Michel darin, dass seine Kunden auch kleine Innovationen zu schätzen wissen.

Mahrs Bräu

Hier ist Mahrs Bräu zuhause (Foto: Mahrs Bräu)

„Heute will sich jeder Selbstständig machen“

 Auch wenn er merkt, dass es bei ihm grad gut läuft, macht er sich doch Gedanken um die Zukunft. Was wohl in zehn Jahren mit der familieneigenen Brauerei sein wird? Das beschäftigt ihn natürlich sehr. Er ist ja Brauer und gleichzeitig Arbeitgeber. Hat ein Team hinter sich, wo sich jeder auf den Anderen verlassen kann. Einfach alles so laufen lassen, geht für ihn nicht. Dass jetzt jeder als Brauer selbstständig ist, macht es für ihn schwierig, gute Leute zu finden. „Man braucht ja nur mal bei der Brauergemeinde bei Facebook gucken, wie viele Stellenanzeigen es da gibt“. Jeder suche händeringend nach Leuten.

Arbeit gibt es genug hier an der Wunderburg 10 in Bamberg. Für dieses Jahr hat sich Michel wieder einiges vorgenommen. Ein Zirkuszelt für ein Frühlingsfest mit seinen guten Brauerfreunden soll hier bald stehen. Irgendwie muss er die schläfrigen Bamberger abholen um ihnen mal was Neues zu zeigen. Da wird dann sicher auch mal ein IPA oder Sauerbier auf der Tafel stehen. Und Stephan Michel freut sich weil er mit seinen Buddies hinter dem Tresen steht und seinen Kunden beides bieten kann: Sein Bier für die Drinkability und die ein oder andere Geschmacksbombe von seinen Freunden. Eben etwas für jeden. Gemeinsam entsteht schließlich auch Vielfalt.