Gut Ding will Weile haben. So knapp könnte man das Erfolgsgeheimnis der Gutmann Brauerei zusammenfassen. In über 300 Jahren Brauereigeschichte und sechs Generationen geballter Brautradition zeigt sich was, wirklich zählt: Frische statt Masse. Und Zusammenhalt statt Ellenbogen. Und am aller Wichtigsten: Schmecken muss es!
Die Sonne blinzelt an einem herrlichen Sommerabend durch die Baumkronen und setzt ein prächtiges Schlosstor in Szene. Akkurat geschnittene Hecken, ein wunderbar gepflegter Garten mit allerlei Blumenpracht und ein kleiner Steinbrunnen empfangen jeden, den es in diese Idylle inmitten des bayerischen Altmühltals verschlagen hat. In Titting, diesem 3.000 Seelen Dorf aus dem Bayern-Bilderbuch ist die Welt noch so richtig in Ordnung. Und fast wirkt es so, als stehe die Zeit hier tatsächlich still. Am Stammtisch im Braustüberl genießen die Dorfbewohner ihr Feierabendbier. Bunt gemischt, jung und alt. Es wird herzlich gelacht und gescherzt. Michael Gutmann und sein Hund Onti empfangen uns auf dem Brauerei-Vorplatz. Mit Lederhose, strammen Waden und seinem Spitzbuben-Lächeln passt er ziemlich gut in das Bild eines traditionsbewussten und dennoch aufgeschlossenen Braumeisters, der mit der gewissen Weitsicht das Erbe seines Vaters und der Urväter in die Zukunft führt.
Zeitlosigkeit als Qualitätsmerkmal
Und es geht gleich hinein ins Innerste der Brauerei. Oder besser gesagt der Schlossanlage, die aus dem Mittelalter stammt und 1855 an die Familie Gutmann überging. Bis ins kleinste Detail lässt sich erkennen, wie ehemalige Stallungen, Scheunen und Wohnräume über die Jahrhunderte für den Braubetrieb umfunktioniert wurden und gleichzeitig der Denkmalschutz heute noch großgeschrieben ist. „Das hier war früher das Ochsenhaus, heute sitzt hier unsere Verwaltung“, sagt Michael und zeigt rüber zur ehemaligen Stallung, die drei Stockwerke umfasst und behutsam restauriert wurde. Auch Michaels Neffe Sebastian Gutmann hat sich mittlerweile dazu gesellt. Er wächst langsam hinein in das Familienunternehmen und übernimmt immer mehr Verantwortung in der Produktion.
Über das kompakte, perfekt integrierte Sudhaus geht es durch meterdicke Mauern hinüber zum ganzen Stolz der Brauerei: den historischen Bierkellern und den riesigen in Edelstahl gefassten Gärbottichen.
Freiheit fürs Aroma
Denn wenn es etwas gibt, was die Gutmanns abhebt von einer Vielzahl der bayerischen Weizenbier-Brauer, dann passiert es genau hier. Satt türmt sich der Gärschaum in den Bottichen auf, der Hefeduft zieht durch die jahrhundertealten Gewölbe und macht das Bier fast schon greifbar. „Für unser Hefeweizen setzen wir auf eine offene Gärung, damit sich die Hefe und vor allem das Aroma langsam und frei entfalten können“, sagt Michael mit Blick auf den Gärschaum (Kräusen), dem sie förmlich tagtäglich bei der Arbeit zuschauen können. Den dafür nötigen Mehraufwand bei der Hygiene und die permanente Kontrolle nimmt Michael gerne in Kauf. Und das Beste daran: Am Ende der Hauptgärung wird die Hefe mit einem Sieblöffel geerntet und für den nächsten Sud wiederverwendet. Ein perfektes Kreislauf-System und es sorgt für ein gleichmäßiges Aroma.
Sud für Sud für Sud.
Seit Jahrzehnten.
So ist ein eigener Gutmann-Hefestamm entstanden, der quasi in jedem Sud weiterlebt. Sicherlich: Es gäbe effizientere Brauverfahren in geschlossenen Gärbottichen. Das ginge auch schneller. Aber richtig gutes Aroma, so die Gutmann-Phlosophie, braucht eben Zeit. „Maßgeblich für die Produktqualität ist die Frische“, sagt Michael. Deshalb reifen die Biere in der Flasche nach. Ewig haltbar? Bitte nicht. Und das ist auch wohl der Hauptgrund, weshalb sie sich eben nicht verzetteln in immer neuen Sorten.
„Da haben wir schon etwas gewagt“
Mit dem klassischen hellen Hefeweizen, einer dunklen, leichten und alkoholfreien Variante sind sie das ganze Jahr über gut aufgestellt und konzentrieren sich auf die Basics. Für jede Situation steht das passende Hefeweizen parat. Doch für besondere Anlässe legen Sie es dann drauf an. Und was da jedes Jahr in der Weihnachts- und Starkbierzeit in den Schlossgemäuern zurecht gebraut wird, lässt sich am ehesten als Raketentreibstoff beschreiben.
Den Anfang machte der Helle Weizenbock als super süffiges, herrlich intensives und kräftiges Festbier mit ordentlich Umdrehungen. Und weil der eben einschlug wie die sprichwörtliche Bombe durfte Sebastian in diesem Frühjahr noch einmal aus dem Vollen schöpfen. Mit dem Dunklen Weizenbock hat er eine noch karamelligere und hopfigere Variante zur Starkbierzeit geschaffen. An der Sebastian dann allerdings anfangs die Hopfenschraube fast zu stark aufdrehte: „Für den dunklen Weizenbock haben wir schon etwas gewagt.“ Beim Probesud auf der Versuchsanlage merkten sie dann schnell, das jetzt doch gut ist mit Hopfen. „Die Hopfengabe haben wir dann a weng runtergeschraubt!“
Das Ergebnis ist gefährlich süffig und als nun sechstes Hefeweizen eine perfekte Abrundung des Angebots. Ganz zur Freude der Stammkunden und Traditionsbewussten, die jetzt noch mehr Grund zum Feiern haben. Aber eben auch für die jungen und neugierigen Kunden, die so viel Rock and Roll erst recht zu schätzen wissen. Das beide Biere im Umland bereits Legendenstatus besitzen, verwundert da nicht.
Es geht nur zusammen
Die Gutmann Brauerei ist fest verankert in der Region, mit langjährigen Partnerschaften mit Landwirten, Hopfenbauern und Gastwirten. Und die Gutmänner wissen ganz genau, dass es vor allem hier im ländlichen Bayern nur gemeinsam geht. Als unabhängige Familienbrauerei umso mehr. Denn beste Rohstoffe lassen sich nicht eben mal schnell herzaubern. Genauso wie starke Beziehungen eben über die Zeit wachsen müssen. „Alle Rohstoffe, die wir beziehen, sind aus der Region und wir legen großen Wert darauf, dass unser Hefeweizen frisch beim Konsumenten ankommt, egal wie weit er von der Brauerei entfernt ist“, sagt Michael.
Mit nachhaltig angebauter Braugerste der lokalen Erzeugergemeinschaften Jura-Land und dem persönlichen Draht zu den Hallertauer und Spalter Hopfenbauern, der am Ende den kleinen aber feinen Unterschied macht. Auch der Kontakt zu den Endkunden passt. So überraschten sie vor ein paar Jahren die Studenten aus dem nahegelegenen Eichstätt. Denn als deren Stammkneipe eine neue Theke bekam, war Michael mit seinem Vater Fritz auch zur Einweihung dabei. Und spendierte glatt allen (!) Gästen eine Maß Gutmann Bier. Es lief Champions League und der Laden war rappelvoll. „Unter den Studenten ging die Nachricht natürlich rum wie ein Lauffeuer“, erinnert sich Michael.
„Wir haben die Stimmung hochgehalten“
Jeder kann sich auf den anderen verlassen und wenn es in Krisenzeiten einmal eng wird, zeigt sich der besondere Zusammenhalt. Denn wenn das Jahr 2020 bisher eins gezeigt hat, dann wie unerschütterlich die Beziehungen zwischen Erzeugern, Brauern und Gastwirten auch einer globalen Pandemie standhalten. „Wir haben vor allem unser Wissen über Hygienemaßnahmen untereinander ausgetauscht. In den Außenbereichen konnten wir da schon mit extra Biertischen aushelfen“, sagt Michael. Oder wenn die Bestände der Wirte zu groß waren, wurden die einfach zwischenzeitlich wieder bei ihnen aufgenommen, damit das Bier frisch blieb.
Eine gewisse Systemrelevanz kann dem Brauereiteam um Michael so gewiss nicht abgesprochen werden. „Ich denke schon, dass wir die Stimmung mit hochgehalten haben“, sagt er. Denn auch das heimische Bier sorgt für Entspannung und vermittelt ein Gefühl von Stabilität. Für Michael und sein Brauerei-Team ist ihr Bier daher so viel mehr als nur Genussmittel. Lebensgefühl, Kulturgut und der Stolz auf ein unverwechselbares Bier. „Wir üben keinen Beruf aus – das ist Berufung, einfach Leidenschaft. Wenn man tagtäglich mit Leuten zusammenkommt, die dein Bier trinken und das auch entsprechend genießen, dann ist das ein Gefühl, das man kaum beschreiben kann“, sagt Michael. Freilich bringt das regionale Bier die Menschen näher zusammen, spendet Identität und lässt sogar eine Pandemie ein Stück erträglicher werden. Der kleinste gemeinsame Nenner quasi und so verkörpert sein Hefeweizen für Michael auch eine Grundhaltung. „Unser Hefeweizen soll jedem schmecken, da gibt es keine gesellschaftlichen oder sozialen Unterschiede. Ganz im Gegenteil. Bier verbindet und erleichtert oftmals die Kontaktaufnahme.“ Gut wenn auch die nächste Generation mit Sebastian schon parat steht.