BREWER’S LITTLE HELPER: Zutaten jenseits von Malz, Hopfen und Hefe

Günther Thömmes

Ohne sie zu verteufeln oder in Hysterie zu verfallen: Es gibt eine ganze Reihe von Produkten, die dem Brauer die Arbeit erleichtern können, aber auf dem Etikett in der Regel nicht deklariert werden (müssen): Brewer’s Little Helper. Alle Brauer sollten sie kennen, viele Brauer setzen sie ein, die Puristen schimpfen über sie.

Die Absicht dieses Artikels ist es, eine kleine Übersicht zu bieten über Produkte, die beim Bierbrauen jenseits der klassischen Rohstoffe zu den verschiedensten Zwecken eingesetzt werden können. Mit einer kurzen Beschreiben inklusive Nutzen und Risiken. Und zwar möglichst INNERHALB des Rahmens, den das Reinheitsgebot vorgibt. Wobei es durchaus das eine oder andere nützliche Produkt auch AUSSERHALB gibt.

Für jedes Problem eine Lösung

Grundsätzlich ist es so, dass das Bierbrauen im Bereich der Getränkeherstellung ein besonders komplexer Prozess ist. Mit vielen Sollbruchstellen und Schnittstellen, bei denen etwas schiefgehen kann. Und, wie bei anderen Prozessen auch, es gab immer schon Menschen, die versucht haben, mögliche Probleme zu beseitigen oder erst gar nicht entstehen zu lassen.

Es liegt nahe, Schwierigkeiten gleich vermeiden zu wollen, indem man beim Ausgangsmaterial beginnt. Der Rohstoff, bei dem man am Besten ‚tricksen‘ kann, ist das Wasser. Zum Einen ist es der einzige Rohstoff, der immer direkt in der Brauerei aufbereitet wird (zumindest heutzutage), unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Zum Anderen hat das historische Gründe. Mehr dazu weiter unten.

Brewer's Little Helper

Was im Kessel passiert, bleibt im Kessel? Naja, zumindest müssen Brauer nicht alle Zusatzstoffe auf den Etiketten deklarieren. (Foto: CD)

In alten Zeiten war an die meisten Brauereien eine hauseigene Mälzerei angeschlossen – oder umgekehrt. Auch eine Hopfendarre war nicht selten. Jeder produzierte für den eigenen Bedarf. Das änderte sich spätestens im 19. Jahrhundert mit der industriellen Arbeitsteilung. Seither werden Hopfen und Malz in der Regel getrennt von der Brauerei produziert und der Brauer kauft fertig aufbereitete Rohstoffe an denen er nichts mehr verändert. Das Thema ‚Hopfenextrakt‘ ist aufgrund seiner Lösungsmittel seit Längerem zur Glaubenfrage erklärt worden, soll hier aber nicht weiter diskutiert werden. Ebenso die ‚Little Helper‘, die von den Hopfen- und Malzproduzenten eingesetzt werden (Pestizide, Fungizide, Düngemittel etc.). Wir bleiben in der Brauerei.

Das Wasser bestimmt(e) den Bierstil

Daher zurück zum Wasser: Wasser ist nicht nur mengenmäßig der wichtigste Rohstoff. Bis vor etwa einhundert Jahren war das Wasser DIE entscheidende Komponente für die Festlegung des Bierstils. Alle berühmten Bierstädte sind dies aufgrund eines besonderen Wassers geworden, welches sich aufgrund seiner Härte (oder dem Fehlen derselbigen) hervorragend für ein bestimmtes Bier eignete.

Pilsner, Wiener, Münchner, Kulmbacher, Dortmunder Biere, um nur einige zu nennen: Jedes hatte seine ganz eigene Wasser-Charakteristik. Der technische Fortschritt brachte es mit sich, dass man nun, richtiges Equipment vorausgesetzt, an jedem Ort der Erde Brauwasser jeder Qualität erzeugen kann. Wobei ‚Qualität‘ hier impliziert, für einen bestimmten Bierstil qualifiziert zu sein. Der gesetzliche Standard für Brauwasser-Qualität ist die ‚Trinkwasser-Qualität‘, was in Deutschland sicher ausreichend ist.

Heutzutage kann man Wasser aufhärten oder enthärten, je nach Vorgabe. Das bedeutet, salopp gesagt, nichts anderes, als gewisse Mineralsalze zuzugeben, zu entfernen oder neu zu mischen, bis das Wasser exakt dem zu brauenden Bierstil entspricht. Mittels Ionenaustauscher, Kalksättigung oder anderer Verfahren. Das hat nichts Ehrenrühriges und wird von den meisten Brauereien der Welt praktiziert. Man nutzt die Technik, wenn es geht, zu seinem Vorteil.

Brewer's Little Helper

Jeder Bierstil verlangt nach anderem Wasser. Früher wurde daher an unterschiedlichen Orten der Welt anderes Bier gebraut. Heute wird das Wasser ganz nach Bedarf vorbehandelt. (Foto: CD)

Hauptsache sauer?

Ein weiteres, viel heikleres Thema ist die Säure. Ein niedrigerer pH-Wert der Bierwürze (kurz zur Erinnerung: je niedriger der pH-Wert, desto saurer), als normal mit Wasser und Malz erzielt wird, hat technologisch enorme Vorteile, wie eine bessere Enzymwirkung, bessere Klärung oder eine hellere Farbe. Außerhalb des Reinheitsgebotes hilft eine Säurezugabe (Milchsäure oder gar Phosphorsäure!). Wer sich an Reinheitsgebot hält, hat also einen Nachteil, den es zu kompensieren gilt. Daher verfielen die deutschen Brauer auf die Idee, Milchsäurebakterien, die natürlich auf Malzkörnen vorkommen, in flüssige Bierwürze-Kulturen einzuimpfen und weiter zu züchten. Die somit gewonnene Milchsäure ist ein wunderbarer ‚Reinheitsgebot-geprüfter Little Helper‘. Große Brauereien haben eigene Zuchtanlagen, kleinere kaufen RG-geprüfte Milchsäure. Ich halte dieses Verfahren im Kern für sehr heuchlerisch, ohne die Vorteile einer Milchsäuregabe in Abrede zu stellen.

Noch ein letztes Wort zu den Rohstoffen: Brauereien, die ihre Hefe ernten, ‚waschen‘ diese in der Regel, um ihre Qualität für einen weiteren Einsatz zu verbessern. Dabei gibt es Möglichkeiten, diese mit Säure oder Nährstoff-Kombinationen aufzupeppen. Ist innerhalb des Reinheitsgebotes natürlich nicht erlaubt, aber wo kein Kläger…

Läuft das Sudhaus auf vollen Touren, gibt es keine Möglichkeit mehr, die Rohstoffe zu ändern. Das geht nur über den Prozess mittels komplexer chemisch-physikalischer Abläufe (Enzymarbeit, mechanische Filtration im Läuterbottich und Kochung mit Hopfen). Die hier möglichen Hilfsmittel (Enzyme, Gummi Arabicum u.a.) sind im Rahmen des RGs nicht diskutabel.

Grundsätzlich kann die rote Linie gezogen werden zwischen Mitteln, die (bio-)chemische Änderungen bei Würze und Bier bewirken und sich dabei selbst ändern (Nein!) und jenen, die rein physikalisch wirken, ohne sich selbst zu verändern (Ja!).

Schließlich will die Würze gut geklärt werden, damit die Gärung sauber verläuft und erste Trübungsbildner von vorneherein eliminiert werden. Das Gerät dazu nennt sich Whirlpool und ist mittlerweile der Standard bei mechanischer (physikalischer) Abscheidung mittels Rotation und Ausfällung. Alle anderen technischen Modelle waren weniger erfolgreich.

Beim Wein erlaubt, beim Bier verpönt

Für die Klärung und das gute Aussehen des Bieres stehen mittlerweile die meisten Mittel im Brauprozess überhaupt zur Verfügung.

Bei den nun zur Verfügung stehenden ‚Little Helpern‘ ist allerdings eine sehr interessante Trennlinie zwischen Wein und Bier zu beobachten. Während, bei gleicher Aufgabenstellung, beim Wein ganz legal von ‚Schönung‘ die Rede ist, wird der Einsatz der gleichen Mittel beim Bier erheblich restriktiver gehandhabt.

Ob Aktivkohle, Gelatine, Eiweiß, Hausenblase (Gemahlene Fischblase, ein Klassiker, in alten Zeiten auch beim Bier!), Carragheen, (Irish) Moss: Geht alles nicht.

Brewer's Little Helper

Hopfen und Malz, Gott … okay, wir alle kennen den Spruch. Aber inzwischen verwenden Brauereien ein paar mehr Zutaten. (Foto: CD)

Bentonite, Kieselsole und Mischungen davon sind erlaubt, da sie eine rein physikalische Abtrennung (Adsorption) bewirken, sich selber nicht verändern und komplett wieder ausfallen. Ihr Einsatz bei der Heißtrubentfernung ist aber eher selten zu beobachten.

An der Grenze zum RG stehen die vom Autoren sehr geschätzten Tannine. Das sind pflanzliche Extrakt mit extrem hohem Gerbstoffanteil (ähnlich denen des Hopfens). Sie werden  mittlerweile speziell für den Braueinsatz hergestellt und sind in verschiedenen Abschnitten der Produktion einsetzbar. Tannine können unerwünschte Eiweißanteile sehr spezifisch und zuverlässig ausfällen. Und sich selber auch mit. Gleichzeitig erhöhen sie das Redoxpotential des Bieres, verbessern die Geschmacksstabilität und wirken als natürliches Antioxidans. Und alles als natürlich wachsender Rohstoff, der auch biologisch entsorgt werden kann, im Gegensatz zu den meisten anderen Fällungsmitteln. Die Zusammenhänge der Tannin-Fällung sind noch nicht zur Gänze erforscht, eine Studie befasst sich seit einiger Zeit mit diesem Thema, um die Tannine auch innerhalb des RGs salonfähig zu machen.

Filtrieren oder nicht?

Schließlich ist das Bier fertig. Und die Masterfrage lautet: Filtrieren oder nicht? Puristen möchten ein unfiltriertes Bier. Aber am Liebsten eines, das aussieht wie filtriert. Das Beste dazu ist eine lange, kalte Lagerung.

Kann man das nicht, mag man das nicht, oder darf man nicht, bleibt nur die Filtration, um dauerhaft eine Trübung zu vermeiden.

Wobei man klar trennen muss zwischen einer biologisch verursachten und einer chemisch-physikalischen Trübung. Die biologische Trübung ist, wie der Name schon impliziert, Mikroorganismen geschuldet, die im Bier nichts zu suchen haben (außer einer beabsichtigten Hefetrübung). Ansonsten sollte das Bier die Brauerei nicht verlassen, außer es wird stramm filtriert und möglicherweise noch pasteurisiert. Ist alles dem guten Geschmack nicht förderlich.

Brewer's Little Helper

Trübes Bier schmeckt, keine Frage. Aber viele Biertrinker sind an klare Biere gewöhnt. Da hilft nur: filtern! (Foto: CD)

Spannender ist das Thema ‚chemisch-physikalische Trübung‘. Es gibt hier zwei Trübungsbildner zu unterscheiden: Eiweiße und Gerbstoffe, auch Polyphenole genannt. Jeder für sich ist harmlos, kommen sie jedoch zusammen, wird das Bier trüb und es kommt zum Beispiel zum bekannten Phänomen der Kältetrübung. Nach der gängigen Verbrauchererwartung ist das Bier dann schlecht, obwohl es natürlich voll trinkbar ist.

Gefährlich ist es, weil die beiden Stoffgruppen unterschiedliche Ladungen besitzen. Sie ziehen sich unter bestimmten Umständen an, wie Magnete. Hilfreich ist es also, einen von beiden auszuschalten. Oder halt beide, um ganz sicherzugehen.

Das ganze Thema ist derart hochkomplex, dass es hier bestenfalls in Schlagworten und Verallgemeinerungen behandelt werden kann, was jedoch ausreichen sollte, um einen grundsätzlichen Überblick zu gewinnen.

Basismaterial fast jeder Bierfiltration ist Kieselgur. Das sind, salopp gesagt, gemahlene, fossile Kieselalgen. Sieht aus wie Sand und wird, mit Bier vermischt, in den Filter eingespült. Dort bildet die Kieselgur eine Schicht, ‚Filterkuchen‘ genannt, die alles zurückhält, was größer ist als erlaubt. Hefezellen und unerwünschte Mikroorganismen, aber auch Hopfenreste kann man damit wunderbar ausschalten. Die Porenweite lässt sich durch Kieselguren verschiedener Feinheitsgrade regulieren. Kieselgur ist unlöslich in Bier und bleibt komplett im Filter zurück. Problematisch ist auf Dauer nur die Entsorgung. Auch die langjährige Produktion ist mittlerweile in Frage gestellt, weswegen seit einigen Jahren bereits kieselgurfreie Systeme entwickelt werden.

Will man mehr Trübungssicherheit erreichen, kann man der Kieselgur andere pulverförmige Substanzen als Adsorptionsmittel beimischen: Kieselgele, auch Silicagele genannt (Wasserglas), Perlite (vulkanisches Glas) oder Bentonit (Vulkanasche). Diese Adsorptionsmittel binden Eiweiße und fällen sie aus.

Eins zu Null für Brewer’s Little Helper

Alternativ kann man auch die Gerbstoffe entfernen. Das geht mit einem Mittel namens ‚Polyvinylpolypyrrolidon‘ oder PVPP (Kennzeichnung: E 1202). Dieses, von BASF entwickelte weiße Pulver hat seit einiger Zeit einen schlechten Ruf als „Kunststoff im Bier“. Bei sauberer Arbeitsweise sollte nichts zurückbleiben, da PVPP komplett unlöslich ist. Weswegen PVPP auch innerhalb des RGs erlaubt ist. Aber eben diese akkurate Arbeitsweise wurde zuletzt in Frage gestellt.

Eine richtig harte Filtration würde alles beinhalten: Kieselgur, Eiweiß- und Polyphenol-Entfernung. Und womöglich noch eine Sterilfiltration am Ende.

Vier zu Null. Der Geschmack wird in diesem Fall aber im Filter hängenbleiben.

Für weitere Überlegungen, wie der Einsatz von brauereifremdem Kohlendioxid, die Verwendung von Zuckerkulör, Farbebier oder anderen erlaubten, in der Praxis eher unüblichen Hilfstoffen, fehlt hier der Platz.

Abschließend bleibt zu sagen: Beim Einsatz der Brewer’s Little Helper sollte sich jeder verantwortungsbewußte Brauer an den alten, in Pharmazie und Lebensmittelrecht bis heute gültigen Grundsatz des „Quantum satis“ halten:

„So viel wie nötig, so wenig wie möglich“.