Mashsee

MASHSEE: „Wer nicht brennt, hat eh verloren!“

Nina Anika Klotz

Kolja Gigla und Alexander Herold kannten sich so gut wie gar nicht, als sie 2014 Mashsee in Hannover gründeten. Aber: Craft Beer verbindet.

Kolja Gigla hat Bier mitgebracht. Wer flüchtig hinschaut, liest nur „Pilsener“ auf dem Etikett. Und wundert sich dann, dass es das so in sich hat. *)

So ähnlich ist es auch mit Kolja Gigla und seiner Geschichte. Oder vielmehr der von Mashsee. Flüchtig würde man denken: Coole Sache, Craft Beer aus Hannover, starten durch, Craft Beer Olé, Olé.

Tatsächlich ist das aber eine Craft-Beer-Geschichte, ohne dass ein Hobby zum Beruf wurde, und in der niemand ganz plötzlich vom Erfolg völlig überrascht wird, mit dem Brauen kaum hinterherkommt, Bier, Absatz, alles läuft. Das liegt in erster Linie daran, dass Kolja Gigla seine Geschichte so anders erzählt, offen, unverblümt und selbstkritisch.
Und genau deshalb sollte man ganz genau hin hören.
Es ist eine sehr ehrliche Geschichte darüber, wie hart es ist ein Craft-Beer-Unternehmen zu starten, und vor allem erfolgreich fortzuführen. An ihrem Ende steht aber dennoch die feste Überzeugung mit dem Prinzip Craft Beer das Richtige zu tun.

mashsee

Damit fing alles an: Das Mashsee Trainingslager. (Foto: StP)

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Als Kolja Gigla und Alexander Herold im April 2014 ihre erstes Bier auf den Markt brachten, war das ein ziemlich gelungener Start. Das „Mashsee Trainingslager“ war eines der ersten, untergärigen Biere aus Craft-Brauer-Kreisen, eigentlich das einzige nach Oliver Wesselohs Kehrwieder „Prototyp“. Es schmeckte gar nicht so, als würden hier zwei noch üben (der Witz am Namen ist eigentlich unnötig zu erklären: Sie selbst trainieren und der Konsument in Sachen Craft Beer ja auch. Und, nunja, es war eben ein Lager.). Handwerklich tadellos – damit war dann auch klar, dass einer der beiden das Handwerk Bierbrauen tatsächlich und über Jahre gelernt hat – und kreativ, anders. Das fängt an bei der Malzauswahl (das Traininglager ist recht dunkelorange), geht weiter beim Maischprozess (da bleiben bewusst ein paar mehr unvergärbare Zucker drin). Und dann wird das Ganze kaltgehopft. Mit Crystal. Nie gehört? Ja, stimmt. „Crystal wird selten verwendet, mit fällt spontan kein anderes Bier aus Deutschland ein. Ich finde den Hopfen super, der bringt eine klare Mangonote mit – eigentlich“, sagt Kolja und grinst. „Wie ich jetzt über verschiedene Chargen Trainingslager feststellen musste, zeigt er aber immer ein bisschen ein anderes Gesicht.“

Mashsee

Vielschichtig: Mashsee kommt von „mash“, der Maische. Und vom Maschsee nahe Hannover. (Foto: StP)

Kolja Gigla ist streng mit sich und dem, was er macht. Er ist kein verbissener Typ, ganz und gar nicht. Aber eben selbstkritisch. Dass sie nach zwei Jahren „immer noch mit dem Trainingslager und dem Baltic Porter ‚Hafensänger‘ rumhängen“, wie er sagt, stinkt ihm. Es ist einer Strategie geschuldet, die er und Alexander Herold nun radikal ändern: Der Brauer und der BWLer, die sich auf den ersten Craft Beer Days in der Berliner Malzfabrik 2013 kennengelernt haben, beschlossen schnell und obwohl sie einander kaum kannten, ein gemeinsamen Business zu starten. „Als ich gehört habe, dass Alexander Ahnung von Vertrieb und Wirtschaft hat, habe ich gewusst, das ist mein Mann“, sagt Kolja. Sie gründeten  Mashsee in Herolds Heimatstadt Hannover (nahe dem Maschsee) als ein Unternehmen mit zwei Standbeinen, einer Brauerei bzw. Biermarke (die größten Mengen ihrer Biere brauen die beiden als Gypsies, erst bei Rupp Bräu in Lauenau, jetzt im Bürgerlichen Brauhaus Wiesen in Unterfranken) und einem Bierladen, dem Craft Beer Kontor in Hannover. Die Grundannahme war, dass es gut ist, so viel Bier wie möglich selbst zu verkaufen, weil die Marge dann besser ist. Auf der anderen Seite läuft man damit aber Gefahr, auf zu viel Bier sitzen zu bleiben. Und: Bierverkaufen ist ein Extrajob, der superviel Zeit kostet. „Am Ende standen wir beide ständig im Laden“, sagt Gigla. Kaum Luft zu brauen, zu experimentieren, Bier aus Hannover rauszubringen.

Das neue Hannoveraner Bier zu sein, reicht nicht

35 Prozent regionaler Ansatz sei zu viel, findet der Braumeister. Auch wenn es natürlich schön ist, dass Mashsee von den Hannoveranern als Hannoveraner Bier angenommen wird. Die seien ja auch durstig nach so etwas gewesen: Nachdem die Gilde Brauerei 2003 vom InBev-Konzern übernommen wurde und der daraufhin Gilde im Stadion von Hannover96 mit Hasseröder ersetzte, fehlte vielen Hannoveranern „ihr“ Bier.

Trotzdem: Mashsee will mehr raus aus Hannover. „Klar war das gut, dass bisher alle Verkäufe auf Zuruf kamen und wir kaum aktiv Vertrieb betrieben haben“, sagt Gigla. Aber das soll sich ändern, sobald der Laden im Frühling endgültig seinen Besitzer gewechselt hat. Ja, Alexander Herold und Kolja Gigla haben das Craft Beer Kontor verkauft.

Mashsee Brauerei

Jetzt in der Flasche: Captain Blaubeer von Mashsee. (Foto: StP)

Jetzt kommen erst einmal neue Biere, „Captain Blaubeer“ hatten sie bereits entwickelt, den gibt es jetzt endlich in Flaschen. Und dann steht das „Berverly Pils“ auf dem Plan. „Ich weiß, man erwartet jetzt eigentlich auch mal etwas rasanteres von uns“, sagt Gigla und meint das in Sachen Volumenprozent, Fülle, Wumms, kein Pils halt. „Aber das wird kommen. Allerdings  werden wir im Lagerbereich bleiben.“ Da sieht der Braumeister seine Stärken – und die Schwächen des konventionellen Biermarktes.

Wie das Pils verlangweilte

„Beim Pils kann man sich am meisten über den Hopfen unterscheiden“, erklärt der Diplombraumeister, der nicht nur an der VLB in Berlin studiert, sondern im Anschluss daran auch drei Jahre in deren Versuchsbrauerei gearbeitet hat. „Brautechnisch und über Malz ist das schwer, es können  ja nur helle Malze drin sein, Pils soll immer filtriert und möglichst weit vergoren, also schlank, sein. Man hat nicht viel Spiel. Und als seit den Achtzigern, seitdem der Bierkonsum stetig sank und die Brauereien schauen mussten, wie sie auf einem schrumpfenden Markt ihren Schnitt hielten, alle anfingen, beim Hopfen einzusparen, war das Schicksal besiegelt, dass alle Pils immer gleicher wurden.“

Was daraus resultieren kann und was Brauereisterben, -verkäufe und -übernahmen tatsächlich bedeuten, hat Kolja Gigla am eigene Leib erlebt: Er hat im Hofbräuhaus Wolters in Braunschweig seine Lehre zum Brauer und Mälzer gemacht, die damals zu InBev gehörte. Während seiner Lehrzeit beschloss der Konzern, die Brauerei zu schließen. Widerstände seitens der Region und Stadtverwaltung konnten das letztlich verhindern. „Aber das mitzuerleben, das hat mich so bewegt, dass klar war, so etwas kommt für mich später nicht in Frage“, sagt Kolja. Kein Job in der Großindustrie, lieber etwas eigenes Schaffen. Und – ganz wichtig – daran festhalten.

Mashsee

Das Moonshine Imperial Pils ist eine Kollaboration von Mashsee und der Buddelship Brauerei in Hamburg. (Foto: StP)

„Ich kann InBev verstehen, dass sie in den USA vermehrt Craft Breweries aufkaufen. Die merken, in ihren eigenen Bereichen gehen die Zahlen zurück, sehen den Erfolg der Kleinen und haben Ambitionen, die in ihre Logistiknetze einzupflegen“, analysiert er. „Wenn man einen Craft Brauer mit 100.000 Hl Jahresausstoß einkauft, kann man den über ein ausgereiftes Logistiknetz schnell auf 200.000 Hl steigern.“  Die Strategie InBevs sei es, sechs, sieben tolle Craft Beer Marken ins Portfolio zu holen – aber nicht mehr. Mit diesen zwei Hand voll würden sie dann kleinere Marken aus den Regalen verdrängen. Und darum sieht Kolja das Thema kritisch.

Würden sie auch verkaufen?

„Ich denke, dass auch hierzulande irgendwann der Punkt erreicht wird, an dem Leute, die über Jahre etwas aufgebaut haben, es aus der Hand geben“, sagt er. „Und ich habe auch selbst schon oft darüber nachgedacht. Würde ich das machen? Sich zurückziehen, ja, das kann ich verstehen. Meine Funktion an jemanden anders übergeben, ja, auch. Aber Inhaber würde ich bleiben wollen. Solange man gesund ist und keine finanziellen Sorgen hat, ist es für mich unverständlich, diesen Schritt zu gehen“, sagt er, überlegt kurz und fügt dann an: „Es sei denn, man hat Feuer und Flamme für das Unternehmen verloren. Aber dann ist eh alles verloren.“

 

*) Wer genau schaut, der liest auch das „Imperial“ auf der Flasche und weiß, dass das „Moonshine“, eine Kollaboration von Mashsee und der Buddelship Brauerei in Hamburg, stattliche sieben Umdrehungen mitbringt.

Mashsee

Kolja Gigla und seine Biere auf der Wurst und Bier 2016 in Berlin. (Foto: StP)

Auf einen Blick

Mashsee Brauerei

Kolja Gigla, Alexander Herold
Website

Bekannteste Biere:

  • Trainingslager (Lager)
  • Hafensänger (Baltic Porter)
  • Very White Pornstar (Witbier – Kollaboration mit Hanscraft & Co. )

Hopfenhelden’s Choice:

  • Captain Blaubeer (Baltic Porter)