20 Jahre im Geschäft, 150 Angestellte, 225.000 Hl Bier pro Jahr – es gibt gute Gründe, sich mal mit Bill Covaleski von Victory Brewing aus den USA über das Craft Beer Geschäft zu unterhalten.
Wenn jemand der beste Kung-Fu-Kämpfer der Welt werden wollte, wo würde er hingehen um Kung Fu zu lernen? In ein chinesisches Bergkloster, logisch. Einer, der Sushi-Chef werden will, der geht nach Japan. Und Mode. Sagen wir, jemand will ein Highfashionspitzenmodedesigner werden, wo studiert der? Paris. Keine Frage. Yoga? Indien! So gibt es für so ziemlich jede Kunst „the place to go“. Für Bierbrauen war dieser place die längste Zeit Deutschland.
Gutes Bier kommt aus Germany
„Deutschland ist die Wiege aller Qualitätsstandards in Sachen Bier“, sagt Bill Covaleski, Gründer von Victory Brewing in Pennsylvania, aktuell auf Platz 26 der größten Craft Beer Brauereien in den Vereinigten Staaten. Er und sein Partner Ron Barchet haben beide in Deutschland studiert, einer in Weihenstephan, der andere an der Doemens Akademie. In den späten Achtzigern war das. Dann gingen sie zurück in die USA, um eine Craft Brewery zu gründen, deren bekanntestes Bier ein Belgisches Tripel ist (Victory’s Golden Monkey). Ok, weird – eine ganz besondere Bindung zu Deutschland haben die beiden aber dennoch immer behalten.
Verrückte, biermagische Momente haben sie hier erlebt: „Ich werde nie vergessen, wie wir im Mai 1987 am Ufer des Tegernsees unseren ersten Maibock getrunken haben. Das Bier war golden und makellos, aber das Wetter war trüb und grau. Dennoch: Der Maibock zusammen mit einer Gulaschsuppe war das höchste der Gefühle. In diesem Glas war der Frühling, den das Wetter uns versagte. Dieses Bier konnte jeden und alles erhellen – es war einfach so gut”, erzählt der Victory-Gründer.
Ehrensache, dass Bill Covaleski immer wieder und immer wieder gern nach Deutschland reist – um Bier zu trinken und Bier zu verkaufen. Im Kleinen, zumindest. Das Deutschlandgeschäft sei für ihn mehr Kulturarbeit als big business, erzählt der Amerikaner im Interview über US-Biere in Good Old Germany. Als wir Bill im Förster’s Feine Biere in Berlin-Steglitz treffen, kommt er gerade von einem Collaboration-Brewday mit Greg Koch bei Stone Brewing Berlin.
Bill, sind die großen US-Brauer wie Greg Koch und du nun angetreten den noch kleinen, noch vor sich hindösenden, deutschen Craft Beer Markt wach zu rütteln?
Bill Covaleski: Vermutlich haben Greg und ich da eine etwas unterschiedliche Sicht der Dinge. Ich sehe, wenn ich den deutschen Biermarkt betrachte, vor allem das große Maß an Tradition, das hier überlebt hat. In den USA gibt es das nicht mehr, aus verschiedenen Gründen. Vor allem hat die Prohibition jede Form von Bierkultur weitestgehend ausgelöscht. Für mich ist dieses Erbe und die Möglichkeit, für einen kulturellen Austausch in Sachen Bier zu sorgen, bei meinen Besuchen in Deutschland sehr viel wichtiger, als mir ein möglichen, großen Absatzmarkt zu erschließen. Das zeigt sich, denke ich, auch daran, dass wir von Victory Brewing mit Jan Dérer als Importeur arbeiten, der kleine Mengen unseres Bieres an ausgewählte und gut sortierte Craft Beer Läden weiterverkauft. Greg hingegen verwendet sehr viel Zeit und Geld darauf, eine richtige Revolution zu starten.
Möglicherweise, weil man ja durchaus den amerikanischen Markt betrachten und überlegen kann, ob der sein Potenzial bald ausgeschöpft hat. Wenn man als Brauerei da nicht weiter wachsen kann, dann vielleicht im Ausland.
Bill Covaleski: Richtig, diese Überlegung kenne ich gut. Als wir unsere Victory Brewing Brauerei 2012/13 massiv erweitert haben, habe ich tatsächlich die Steigerung unseres Exports als eine Art Absicherung für unseren nationalen Absatz in Erwägung gezogen. Ich habe sehr genau beobachtet, was zu dieser Zeit auf dem britischen Marlt passiert ist: Aus dem Nichts wurde US-Craft Beer dort der ganz große Renner. Jeder wollte das haben. Sofort haben die britischen Brauer verstanden und ihre Produkte angepasst. Sie haben amerikanische Hopfen eingekauft und Biere wie unsere auf den Markt gebracht – nur eben frischer und mit Lokalbezug. Das hat mich zu der Einsicht gebracht: Solange du es nicht dermaßen groß und radikal machst wie Greg jetzt und hier, hast du mit deinem aus den Staaten importierten Bier immer das Nachsehen in Europa.
Das heißt für dich, lieber zuhause zu bleiben?
Was mich sehr interessieren würde, wäre es, in ein Land zu gehen, wo das Bewusstsein für Craft Beer gerade erst entsteht, es aber noch keine Infrastruktur gibt. Das könnte China sein. Oder Portugal. Dort eine „Communal Brewery“ aufzubauen, die gerade groß genug ist, dem eigenen Bedarf für die Produktion für dieses Land zu genügen, darüber hinaus aber Platz für lokale Brauer bietet, die sich dem Thema Craft Beer nähern und neue Biere hier ausprobieren können, das fände ich spannend. Aber ich habe keinen fertigen Businessplan für so etwas in der Schublade.
Bleibt der ganz lokale Markt, das eigene Brewpub und der Absatz um 30-Mile-Umkreis dabei dennoch wichtig?
Extrem wichtig. Die Vertriebswege vom Brauer zum Konsumenten sind anders hier als in den USA. In den USA ist es unentbehrlich, einen eigenen, lokalen Absatzmarkt zu kreieren. Denn die Wahl des Distributors eine lebenslange Entscheidung. Ist die Marke einmal in den Händen eines Vertriebspartners, gibt es quasi keine Möglichkeit, sie wieder zurück zu bekommen. Insofern ist es außerordentlich wichtig, sich mit dem direkten Verkauft einer gewissen Menge Bieres abzusichern, und zugleich einen Ort zu schaffen, an dem die Philosophie des Unternehmens und die Marke selbst und direkt vom Machen an den Konsumenten kommuniziert werden kann. Aber auch abgesehen von diese Besonderheiten des Vertriebssystems bei uns, denke ich, dass es auch für deutsche Craft Brauer wertvoll ist, einen direkten Draht zum Kunden zu haben. Einen Ort, wo man nicht nur über die Produkte, sondern direkt mit ihnen in Kontakt treten kann.