BIERFEHLER: Dimethylsulfid (DMS)

Thomas ReddersBierwissen

So, liebe Biermenschen und Trüffelschweinchen! Heute gibt’s was für euch: Dimethylsulfid! Nein, wir fangen jetzt nicht an euch grundsätzlich mit irgendwelche seltsamen Kosenamen zu begrüßen – aber in diesem Fall passt’s. Denn unsere kleine Bierfehler-Serie bringt genau das zusammen: Bier und Trüffel! Des einen Fluch, des anderen Segen. 

DMS in Bier kann zu ziemlich unangenehmen Gerüchen und Geschmäckern führen – wobei auch hier wieder Ausnahmen die Regel bestätigen. In Lagerbieren zum Beispiel kann eine Konzentration zwischen 30 und 100 Mikrogramm pro Liter durchaus als angenehm wahrgenommen werden. Darüber hinaus sind oft gekochtes Gemüse oder gekochter Mais typische Aromen. Passt also nicht! DMS in schwarzem Trüffel allerdings hat einen ganz großen Vorteil. Trüffelschweine und -hunde riechen die schwefelhaltige Verbindung. Aber mal von Anfang an: Was ist DMS eigentlich?

Dimethylsulfid, kurz DMS

Dimethylsulfid ist eine organische, schwefelhaltige Verbindung, die – wie schon gesagt – Fehlaromen im Bier erzeugt, allerdings in vielen anderen Lebensmitteln wie Kakao, Tee oder Wein auch wünschenswerte Aromen erzeugt. Für die etwas Chemie-affineren ist DMS der kleinste existierende, organisch flüchtige Thioether.

DMS

Zu Qualitätskontrolle gehören regelmäßige Tastings und Bierfehler-Trainings. (Foto: NAK)

Erstmals entdeckt wurde DMS in Bier 1963 von zwei dänischen Wissenschaftlern (Ahrenst-Larsen und Hansen). Der Geruchs-Schwellenwert in Wasser liegt bei gerade einmal 1 Mikrogramm pro Liter, in Bier ist er mit 30 bis 100 Mikrogramm pro Liter höher. Der typische Geschmack nach gekochtem Gemüse oder gekochtem Mais kann oftmals erst ab 80 bis 100 Mikrogramm pro Liter geschmeckt, beziehungsweise als unangenehm wahr genommen werden. Der Vorteil für die Brauereien: DMS hat einen sehr geringen Siedepunkt von 38 °C und ist hochflüchtig.

DMS-Precursor und der Weg zu DMS

Ein Precursor ist ein Vorläufer, oder ein Vorprodukt. Also ist ein DMS-Precursor sozusagen das, woraus DMS nachher gebildet wird. Im Falle von DMS in Bier sind das zwei entscheidende: S-Methylmethionin (SMM) und Dimethylsulfoxid (DMSO).

Während der Keimung von Braugetreide bildet sich SMM im Korn. Ein großer Teil wird schon während der Darre hydrolytisch in DMS umgeformt, der Rest bleibt als SMM im Malz. Bei einem Maische-pH von 5,5 bis 5,7 ist SMM unter 60°C stabil. Das gebildete DMS hat nun drei Wege: Es kann verdampfen, im Korn bleiben, oder es oxidiert zu DMSO. Je höher die Darrtemperatur, desto mehr SMM wird umgewandelt.

DMS Pathway

Der Weg vom SMM über DMS zu DMSO. (Grafik: Matthias Baldus: The Redox Behavior of Dimethyl Sulfide and Dimethyl Sulfoxide in Malting and Brewing).

Während des Maischens und Kochens spielen DMS und SMM insofern erstmal eine weniger wichtige Rolle, dass ein Großteil des aus dem SMM gebildeten DMS bereits bei relativ geringen Temperaturen schnell verdampft wird. Hier ist also vor allem die DMSO-Konzentration spannend, da der Siedepunkt erst bei 189°C liegt.

Trotzdem beinhalten die meisten Anstellwürzen SMM, DMS und DMSO. Da DMS aber nicht nur während des Mälzens und des Brauens gebildet und abgebaut werden kann, spielt auch, oder vielleicht sogar vor allem, die Fermentation eine entscheidende Rolle. Da ist zum einen der Hefestamm. Es entsteht mehr DMS bei Verwendung von S. cerevisiae als bei S. pastorianus. Besonders geschlossene Fermenter weisen höhere Konzentrationen auf, als offene, in denen das DMS mit Kohlendioxid ausgetrieben wird. Während die Hefe SMM schnell absorbiert, kann DMSO weiter DMS bilden. Denn, neben der thermischen Umwandlung von SMM zu DMS, haben mehrere Studien gezeigt, dass DMS auch aus DMSO über die Hefe durch enzymatische Reduktion reduziert wird. Bis über 25 % des DMSO können so zu DMS umgewandelt werden. Das dann noch enthaltene DMS muss während der Fermentation ausgedampft werden.

Noch ein paar Einflussfaktoren

Neben den bereits genannten Einflussfaktoren auf die DMS-Konzentration, wie Darrtemperatur, Hefestamm, pH oder Fermentationssystem gibt es noch mehr.

Die Malzsorte hat eine Einfluss. Je höher der Stickstoffgehalt, desto mehr SMM wird während der Mälzung gebildet. Auch die Lagerzeit der Gerste hat eine Auswirkung: Lange Lagerzeit führt zu mehr SMM. Die Fermentationstemperatur ist mit entscheidend für die DMS-Konzentration in Bier. Gerade die Fermentation bei niedrigen Temperaturen fördert die DMS-Bildung. Auch soggenantes High Gravity Brewing – also Brauen mit hoher Stammwürze – erhöht die DMS-Bildung.

Eine kleine Besonderheit haben wir euch beim Diacetyl noch verschwiegen. Jeder Mensch hat eine ganz eigene Wahrnehmungsschwelle für bestimmte Stoffe. So sind manche sensibler für Diacetyl oder DMS, andere weniger sensibel und wieder andere schmecken oder riechen es erst in Konzentrationen, die so eigentlich nicht auftreten. Für DMS ist die Lösung für letztgenannte einfach: Besorgt euch ein Trüffelschwein!

Erste eine Nase nehmen, dann einen Schluck. (NAK)