Richtig ist: Traditionelle Biere aus Bayern sind gut. Falsch wäre: Es gibt Gutes nichts jenseits traditioneller Biere aus Bayern. Der Oberpfälzer Sebastian Jakob vom Brauhaus Nittenau beweist, wie gut Mut, Innovation und Investition einer bayerischen Privatbrauerei tun und wie die Craft Beer Bewegung hier etwas ganz Neues entstehen lässt. The Bavarian Way of Craft. Könnte man sagen.
Früher, da hat Bier in Bayern so funktioniert: Der Brauer braut Bier. Der Wirt verkauft Bier. Der Gast trinkt Bier. Alle sind happy.
Oft waren Brauer und Wirt eng miteinander verbandelt, mal hatte der eine den Gasthof beim anderen gepachtet, mal betrieben beide beides, und ging es einem gut, ging’s dem anderen auch besser.
Doch dann kam dieser wunderbare Gleichlang von Wirtshäusern und Brauereien in Bayern aus dem Takt. Wie das eben so ist, weil die Zeiten sich ändern: Immer mehr Dorfwirtschaften machten dicht und so kam es, dass bisweilen auch die Brauereien nachziehen mussten. Beispiele dafür gibt es genügend, von Dörfern wo „früher auch mal eine Brauerei“ war.
Nicht stillgestanden!
Nun muss man die Vergangenheit nicht schwärzer malen als sie ist, viele bayerische Privatbrauereien haben sich in den veränderten Zeiten wacker behauptet. Sie verkaufen ihr gutes Bier jetzt eben mehr im Getränkemarkt als in der Schenke. Regionales Bier ist und bleibt beim bayerischen Kunden immer noch Trumpf, Fernsehbierkonkurrenz hin oder her. Aber ein unendlicher Sonntagnachmittag mit einem Bier in der Sonne ist das Brauerdasein in Bayern heute trotzdem nicht. Sinkende Bierpreise machen zu schaffen. Zumal ja auch gilt:
Wer rastet, der rostet.
Ohne Wachstum keine Zukunft.
Und ohne Investments kein Wachstum.
Sebastian Jakob hat das sehr früh in seiner Karriere als bayerischer Brauer so gesehen. Zwischen Hofverkauf und Brauereiführung hat er sich an einem regnerischen Samstag Morgen an den kleinen Verkostungstisch neben der wie neu glänzenden 20-Hl-Brauanlage gesetzt und erzählt, wie man ein 250 Jahre altes Brauhaus zukunftsfähig macht. Wobei sich das nicht wie ein typisches Gespräch über „Zukunftsfähigkeit“ anhört, wenn ein schlacksiger, junger Mann in grauem T-Shirt und blonder Durcheinanderfrisur so etwas erzählt, während er seiner Einjährigen behutsam die Bierspindel wieder abnimmt.
Stichwort: Zukunftsfähigkeit
Man braucht, um das Thema Zukunftsfähigkeit durchzuholen, aber auch keine überbezahlten Unternehmensberater im Anzug, da reicht das bisschen BWL aus dem Brauwesenstudium in Weihenstephan, ein heller Geist und ein wacher Blick fürs Drumherum: „Ich könnte aus dem Stehgreif fünf Brauereien aus der Region aufzählen, die daran kaputt gingen, dass nicht investiert wurde“, sagt er. Und ein paar mehr würden ihm noch einfallen, bei denen es nur eine Frage der Zeit ist, bis das passiert, bis das Invest so dringend wird, dass es zur finalen Entscheidung kommen muss. Da laufen uralte Braumaschinen, die tapfer seit Jahr und Tag gutes Bier ausspucken – aber wehe, es ist mal etwas Größeres kaputt. Und an Ausstoßsteigerung, sprich also Wachstum, ist dort einfach gar nicht zu denken.
Die Jakobs wollten nicht, dass ihnen so etwas passiert, und haben vor vier Jahren zunächst in ein Grundstück am Rande von Nittenau investiert. Hier kamen bald Gärkeller, Lager und Abfüllung hin. Viel einfacher anzufahren für den Lieferverkehr. Viel mehr Platz als im alten Nittenauer Brauhaus im verwinkelten Zentrum des Oberpfälzer Städtchens an der Regen. Dort war für Wachstum und Ausbau schlicht kein Platz. Vor vier Jahren brauten die Jakobs dort im Jahr 2.500 Hl Bier. Heute sind es 6.000 Hl. So funktioniert Wachstum durch Investition.
Vom Kommunbrauhaus zur Craft Beer Brauerei
Das Brauhaus Nittenau ist ein schönes Beispiel für die bayerische Wirt-Brauer-Symbiose aus alten Tagen: Das Brauhaus Nittenau gibt es seit mehr als 250 Jahren. Zuerst was es ein „Kommunbrauhaus“, später wurde es von mehreren Gaststätten gemeinschaftlich betrieben. Dann aber wurden die Gaststätten weniger. Erst waren es fünf, dann nur noch zwei. Und dann beschloss Josef Jakob Anfang der 1990er, das Brauhaus Nittenau, das sowohl die Brauerei als auch das Braugasthaus umfasste, allein als Familienunternehmen weiter zu führen. Immerhin hat er ja zwei Söhne. Der Jüngere zeigte schon früh Ambitionen, als Küchenchef das Hotel und Braugasthaus der Familie Jakob weiter zu führen. Und der andere?
Mei, nach dem Abitur war Sebastian Jakob nicht ganz sicher, ob er Brauer werden wollte. Auf der anderen Seite: Es lag schon irgendwie nahe. Also machte er eine Lehre bei der Brauerei Kneitinger im 30 Kilometer entfernten Regensburg. Danach geht er für ein Jahr nach Argentinien, aber das Brauen lässt ihn auch da nicht los. Irgendwie fühlte sich das schon richtig an und so zieht er nach seiner Rückkehr zum Studium nach Weihenstephan. Dann kommt er mit Diplom, Weitsicht und guten Ideen ausgestattet in die Oberpfalz zurück.
Und noch ein Stichwort: Experimentelle Sachen
2014 unternahm Sebastian Jakob gemeinsam mit seinem Vater einen zweiten, ebenso mutigen wie wichtigen Investitionsschritt: Die Jakobs kauften eine nigelnagelneue Brauanlage für das Gebäude außerhalb der Stadt. Eine 20-Hl-Anlage mit vier Geräten. Klein und flexibel, Minimalausschlaggröße 12 Hl. Sebastians Überlegung: So kann man leicht auch mal kleine Sude fahren. Versuchssude. Experimentelle Sachen. Schon klar, wo das hinführen soll. Zugleich kann man mit den vier Geräten aber auch locker vier Sude Helles an einem Tag fahren und damit dann auch auf ordentlich Menge kommen. „Das Standardbier darf auf keinen Fall vernachlässigt werden“, sagt er, Begeisterung für Neues hin oder her.
Als Sebastian Jakob ins Familienunternehmen kam, erweiterten er und sein Vater das Sortiment erst einmal von drei auf fünf Sorten Nittenauer Bier. Mit der neuen Anlage wurden daraus dann stattliche 12 Sorten, die regelmäßig gebraut werden. Besondere Biere, Neue-Welt-Biere. Der Vater Josef war erst skeptisch, genauso wie die meisten Brauerkollegen aus der Umgebung. Aber anderseits – kleine Mengen kann man ja mal ausprobieren. Überschaubares Risiko. Und siehe da: Das Bier, das ging. In Nittenau sogar. Besonders aber in Regensburg. Und bald auch im Export, Italien liebt die besonderen Biere aus der Oberpfalz. Irgendwann wurde auch Josef Jakob ein echter Fan hopfenbetonter Biere mit betörenden Aromen amerikanischer Flavourhops-Sorten.
Craft Beer made in der Oberpfalz
Sebastian Jakob schreibt ganz bewusst Craft Beer auf die geschmackvoll und bewusst un-traditionell gestalteten Etiketten seiner „neuen“ Biere, wenngleich er eine ganz eigene, schlaue Sicht auf das Thema Craft Beer in und aus bayerischen Traditionsbrauereien hat. Sein erstes Nittenauer Craft Beer war der „Doldenzwerg“, ein „Bayerisch Pale Ale“, ein ByPa, wenn man so wollte. Anfangs habe er es mit einer bayerischen Weißbierhefe vergoren, inzwischen verwendet er eine Ale-Hefe. Sein Brauverfahren, insbesondere das Einmaischen, sei ganz traditionell bayerisch. Er setzt auf das Dekoktionsmaischverfahren, wo ein Teil der Maische getrennt und gekocht wird. Die Hopfung ist jedoch typisch für ein Pale Ale. Damit ergibt sich ein ganz neuer Bierstil. Der Doldenzwerg ist einfach streng genommen kein sortenreines Pale Ale – sondern eben ein Bayerisch Pale Ale, ein ganz eigenes Bier. „Für mich bedeutet die Craft Beer Bewegung, dass sich unterschiedliche Braueinflüsse vermischen und etwas einzigartiges Neues entsteht“, so Jakob.
Vor ein paar Jahren stolperte dann auch noch dieses Nordlicht bei ihm auf den Hof. Sebastian Jakobs früherer Braumeister war mit einem gewissen Oliver Wesseloh befreundet, einem Brauer, der nach Jahren im Ausland plante, eine „Kreativbrauerei“ in Hamburg zu eröffnen. Weil er aber noch keinen Standort dafür gefunden hatte, baute er seine Brauanlage bei den Nittenauern zusammen. Und solange damit noch nicht zu brauen war, durfte der Hamburger auch an Sebastian Jakobs Kessel. Inzwischen ist nicht nur zwischen den beiden Brauereien eine feste und ergiebige Freundschaft entstanden: Nittenauer und Kehrwieder entwickelten gemeinsam das erste alkoholfreie IPA Deutschlands, das „Le Chauffeur“ (so heißt es, wenn es vom Brauhaus Nittenau verkauft wird) bzw. das „ü.N.N.“ (Kreativbrauerei Kehrwieder). Das ist gleich in zweierlei Hinsicht spektakulär: Erstens propagierten die Brauer dafür eine ganz ungewöhliche Hefe, die so gut wie keinen Alkohol produziert, und zweites hopfen sie dieses Bier wie die Irren. „Da ist mehr Hopfen drin als in unserem Double IPA“, lacht Sebastian Jakob. Nachdem die beiden Brauer das ü.N.N. und den Chauffeur zwar zusammen entwickelt haben, sind das mittlerweile zwei unterschiedliche, alkoholfreie Biere, weil beide das Rezepte in unterschiedliche Richtungen weiter entwickelt haben.
Auf einen Blick
Brauhaus Nittenau
Sebastian Jakob
aus dem Standard-Sortiment (ganzjährig verfügbar)
- Doldenzwerg – Bayerisch Pale Ale
- Hopfenkreuzfahrt – Kaltgehopftes Lager (IPL)
- Mein Wildes – Zwickel
Hopfenhelden-Tipp: Amanda – Zwickl Pils