Craft Beer in China

CRAFT BEER IN CHINA: „Manche sammeln die Biere wie Pokémon“

Claudia Doyle

Wir müssen über den Tellerrand schauen. Im Leben sowieso und beim Craft Beer auch. Richtig, es geht um Export. Weit im Osten erwacht gerade die Craft-Beer-Szene. Die Amerikaner haben das schon gemerkt (mehr dazu später) und strecken die Fühler aus. Erste große Player sind da, kleinere Brauereien probieren sich an Collab-Brews. Irgendwie logisch, dass auch deutsche Brauer mitmischen wollen. Aber, wie macht man das am besten? Wie verkauft man sein deutsches Craft Beer in China?

Normalerweise langweilen wir euch bei Hopfenhelden nicht mit solchen wirtschaftlichen Fragen. Außer, wir haben eine gute Geschichte aufgetan. Eine über Herrn Wang und seine DJ-Leidenschaft, das chinesische Oktoberfest und warum Geschäftsmänner gemeinsam Karaoke singen.

Aber der Reihe nach. Will man sein Bier in China verkaufen, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Entweder braut man es in Deutschland und verschifft es. Oder man braut direkt in China. Einer, der beides ausprobiert hat, ist Jann van der Brelie von der Weißen Elster in Leipzig. Tatkräftige Unterstützung kam von Simon Frank, der mit seiner chinesischen Frau gerade dabei ist, die deutsch-chinesischen Handelsbeziehungen zu beflügeln. Drei Jahre lang beschäftigt die beiden das Thema schon. Uns haben sie von ihren Erfahrungen mit Craft Beer im Reich der Mitte erzählt.

1. Wer soll das eigentlich kaufen?

Zuerst muss man klären, wer denn das Bier überhaupt kaufen will. Dafür braucht man Kontakte und wo knüpft man die besser, als bei einem Frischgezapften? Also packen Jann und Simon im Jahr 2015 ihre Tasche und machen sich auf nach Tsingtao, das größte Bierfestival des Landes. Auf dem Gelände eines alten Vergnügungsparks zwischen riesengroßen Plastikdinos feiern die Chinesen dort eine, nun ja, chinesische Variante des Oktoberfests.

In ihren Bierzelten schrumpfen sie Deutschland auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Von der Serviette bis zum Bierkrug ist alles mit Manuel Neuer dekoriert. Die Kellner servieren Krombacher aus der Dose und statt einem halben Hendl gibt es Tintenfisch am Stiel. „Das ist das Skurrilste, was man sich überhaupt vorstellen kann“, erzählt Jann.

Craft Beer in China

Bereit, den chinesischen Markt zu erobern! (Foto: SF)

Aber die Kontaktanbahnung läuft gut. Alle mögen die beiden Deutschen, jeder will ihr Bier kaufen, containerweise am liebsten. Die wirklichen Verhandlungen ziehen sich dann noch etwas in die Länge. Denn Chinesen ist es sehr wichtig, zu ihren Geschäftspartnern ein freundschaftliches Verhältnis aufzubauen. „Dort arbeitet keiner mit jemandem zusammen, den er persönlich nicht ausstehen kann“, sagt Jann.

Das bedeutet: viele gemeinsame Abendessen und viele Ausflüge in Karaoke-Bars. „Die hatten fast nur chinesische Lieder im Angebot, also muss man auf der Bühne improvisieren“, berichtet Jann. Was man singt, ist aber auch egal. Hauptsache, man macht mit. Bald hat der erste Großhändler Vertrauen zu den beiden Deutschen geknüpft. Es kann losgehen.

2. Der Export

Das klingt simpel. Man muss 187 Hektoliter Bier abfüllen und in Kisten verpacken, den Container beladen und dann am Kai stehen und wehmütig winken. Sechs Wochen später kann man in Bejing den Container wieder öffnen, das erste Bier einschenken – und dann mindestens genauso wehmütig gucken.

„Das Pale Ale von der Weißen Elster gehört mit zu meinen liebsten Bieren, aber als ich es in China getrunken habe, das war einfach traurig“, sagt Simon Frank. Sechs Wochen auf dem Seeweg bei tropischen Temperaturen, darunter leidet die Qualität des Bieres ganz erheblich. Alles, was vorher nicht sowieso schon pasteurisiert war, ist es spätestens bei der Ankunft.

Ein Kühlcontainer könnte Abhilfe schaffen, ist aber ungleich teurer. Während man für einen normalen Container mit 1000 bis 1500 USD hinblättern muss, werden für die gekühlte Variante 6000 bis 9000 USD fällig. „Wenn wir nochmal exportieren, würden wir Dosen probieren“, sagt Simon.

SIAL, Messe, Stand

German beer goes east: 2017 stellten Simon, Jann (Weiße Elster) und Jürgen (Craft Country Brewing) ihr Bier auf der größten Getränkefachmesse in Shanghai aus (Foto: SF)

2015 sind Jann und Simon mit ihrem Anliegen, Craft Beer in China zu etablieren, allein auf weiter Flur. In den nächsten zwei Jahren erwacht die Szene zum Leben. Als die beiden 2017 nach Shanghai fliegen, um die größte Getränke- und Lebensmittelmesse Asiens zu besuchen, ist alles anders. Brauer aus Amerika, Russland oder Europa sind plötzlich da. Großhändler schleppen Kataloge dick wie Telefonbücher durch die Gegend. „Die Chinesen sammeln Craft Beer wie Pokémon“, sagt Simon.

Zum ersten Mal überlegt Jann, ob China das überhaupt braucht. Craft Beer, das mit Qualitätsverlusten aus Deutschland importiert wird. Viel günstiger ist es sowieso, nicht das Bier über den Ozean zu schicken, sondern den Brauer einzufliegen. Fehlt nur noch die passende Brauerei.

3. Das Co-Brewing

In China kann man nicht einfach so eine Brauerei gründen. Heimbrauen ist zwar legal, aber die Abfüllung in Flaschen ist nur mit staatlicher Lizenz erlaubt. (Fässer sind ohne Probleme möglich, bei Dosen bewegt man sich im Graubereich). Bevor man aber versucht, eine solche Lizenz zu erlangen, sucht man sich lieber einen Brauer, der bereits eine hat.

Im Falle von Jann und Simon war das Herr Wang. Herr Wang war mal DJ und legte so lange Platten auf, bis er genügend Geld für eine Brauerei beisammenhatte. Doch die brannte ab. Also stieg er wieder aufs DJ-Pult und ließ die Scheiben kreisen. Als die zweite Brauerei eröffnet war, standen staatliche Kontrolleure vor seiner Tür und sperrten sie gleich wieder zu (auch Herr Wang hatte damals noch keine Lizenz). Also brachte er noch einmal die Meute zum Tanzen, bis genug Geld beisammen war für Brauerei Nummer drei inklusive Lizenz.

In dieser Brauerei brauten im Sommer 2017 Jann van der Brelie und Herr Wang eine Imperial Gose ein. „In Chengdu ist es immer warm und stickig, da sehnt man sich nach einem erfrischenden Sauerbier“, erklärt Jann. „Aber gleichzeig wollten wir richtig abgefahrenen crazy shit machen, also ist es eine Imperial Gose mit 22° Plato geworden, die wir auf Grapefruit gelagert haben.“ Ob sie damit den chinesischen Geschmack getroffen haben, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.

4. Das Fazit

Die Barszene in Großstädten wie Shanghai und Beijing ist lebendig. Die Chinesen trinken gern und zahlen durchschnittlich 5 bis 6 Euro pro Glas. Ein durchaus attraktiver Markt. Was also empfiehlt Simon Frank all denjenigen, die es mit Craft Beer in China versuchen wollen?

„Schaut es euch erstmal an, besucht die Supermärkte, Bars und Bottleshops, trefft die Brauer, pitcht euer Bier. Dann probiert einen Collab-Brew. Schritt für Schritt.“ Denn was er in den letzten Jahren gelernt hat: Wer mit Craft Beer nach China will, der investiert eine Menge Zeit und Energie ohne zu wissen, was am Ende daraus wird. „Es kann immer alles passieren“, pflichtet Jann ihm bei.

Craft Beer in China

Die Chinesen mögen ihr Essen scharf und – für unsere Gaumen – ausgefallen. Auch an kreativen Bieren finden sie zunehmends Gefallen (Foto: SF)

Und wie sieht es finanziell aus? Klar, es gibt besondere belgische Biere, für die die chinesischen Kunden 200 € hinblättern. Pro Flasche. Aber ob man für sein Produkt solche Premiumpreise bekommen kann, ist aber nicht vorhersehbar. „Für mich ist es wirtschaftlicher, mein Bier in Deutschland zu verkaufen“, sagt Jann. „Exportieren würde ich nicht mehr nach China, es sei denn es ergibt sich eine spannende Gelegenheit. Aber für einen Collab-Brew fliege ich gern nochmal hin.“

Andere Brauereien scheinen das gleiche Fazit gezogen zu haben. Unter dem Namen „8×8 China Brewing Projekt“ gab es dieses Jahr acht Kollaborationen zwischen chinesischen und US-amerikanischen Brauereien. Breakside Brewery, Holy Mountain oder Parallel 49 haben sich auf das Abenteuer Fernost eingelassen.

Etwas Ähnliches schwebt auch Simon Frank vor. Im nächsten Jahr wird er mit acht chinesischen Brauern durch Bayern touren. Am Ende, so hofft er, stehen mindestens acht Kontakte zu einheimischen Brauereien, die Lust haben in China zu brauen. Falls jemand jetzt schon Lust bekommen hat – Frank freut sich, von euch zu hören!

Aufmacherbild: Jann van der Brelie, Herr Wang und Jürgen Ladstätter. Foto: Simon Frank