Vom Zahnarzt zum Clubbier zu Hanscraft & Co.: Die letzten drei Jahre im Leben des Christian Hans Müller aus Franken waren rasant. Und anstrengend. Der Quereinsteiger hat es geschafft, sich in die Top-Liga der deutschen Craft Beer Macher zu brauen. Und vom Bayerischen Brauerbund ließ er sich dabei nicht stoppen
Sobald es in Deutschland um Craft Beer geht, meldet sich immer früher oder später ein Franke zu Wort. Immer! Dieser Franke, kein bestimmter, erinnert dann freundlich daran, dass Franken ja die größte Brauereidichte der Welt habe, am Einwohner-Sudhaus-Verhältnis gemessen, und dass man theoretisch an jedem Tag der nächsten fünfeinhalb Jahre ein fränkisches Bier trinken könnte, ohne dass sich eines wiederholen würde, so groß sei Biervielfalt in Franken nämlich. Und deshalb, schlussfolgert dieser Franke dann gerne, braucht es Craft Beer überhaupt nicht und in Franken schon gleich drei Mal überhaupt nicht.
Der Franke Christian Hans Müller sah das anders und gründete Ende 2012 eines der ersten Craft Beer Startups in Franken. Weil seine Heimatstadt Aschaffenburg unbedingt noch ein paar mehr Biere, andere und ja, verdammt, auch bessere Biere vertragen konnte. Der Zahnmediziner und Biersommelier machte ganz konkret zwei Marktlücken aus: Erstens fehlte ein besonderes Bier, das in die gehobene Gastronomie passte und Wein Paroli bieten könnte und zweitens bräuchte man ein besseres Bier für die Disco. Also braute er unter dem Namen „Hans Müller Sommelierbier“ ein „spezielles Bier von Sommelierhand für Sommelierhand“, wie er selbst sagte. Dabei ging es vor allem um fassgelagerte Sachen. Zudem brachte er das „Bayerisch Nizza Clubbier“ auf den Markt.
Hanscraft Backbone Splitter als der Durchbrecher
Club- und Sommelierbier machten sich auf ihren Weg aus Aschaffenburg und fanden rasch Freunde in der damals noch winzigkleinen Craft Beer Szene in Berlin oder Hamburg. Für richtig großes Aufsehen aber sorgte Christian Müllers „Backbone Splitter“, ein kraftvolles, weiches IPA mit viel Herz und Wumms und 97 Punkten auf Rate Beer, dass er erstmals 2013 braute und unter einem neuen, anderen Markennamen verkaufte: „Hanscraft & Co.“. Das klingt nicht nur mehr nach Jeans und hochgekrempelten Ärmeln, Hanscraft ist auch in Design und Auftritt weniger vornehm als Müllers Sommelierbier-Schiene. „Von dem Zeitpunkt an hat sich die Marke Hanscraft an die Spitze meines Unternehmens gesetzt. Dem Erfolg dieses Bieres geschuldet habe ich dann die ganze Unternehmensausrichtung dieser Marke angepasst und auch die Firma umbenannt“, erklärt Müller warum es „Hans Müller Sommelierbier“ heute nicht mehr gibt.
Er sitzt im Auto und ist auf dem Weg in die Brauerei in Wiesen, wo er seit jeher den größten Teil seiner Biere braut. Als er über die letzten drei Jahre spricht, wundert er sich selbst: „ Das hat sich angefühlt wie ein Viertel Jahr, aber gealtert bin ich bestimmt um zehn Jahre“, sagt er. Die Zeit als Craft Beer Brauer sei sehr schnell vergangen, habe aber auch gezehrt. Der Lohn ist, das Christian Hans Müller als Quereinsteiger heute in der Liga der deutschen Spitzen-Craft-Brewer der ersten Generation spielt. Das ehre ihn, so der Franke, denn er wisse, dass es nicht selbstverständlich ist, als Seiteneinsteiger so wahrgenommen zu werden. Das sei aber auch viel harte Arbeit gewesen: „Während die gelernten Brauer, wenn sie Firmen gründen, viel Zeit in Verwaltungsangelegenheiten stecken und wenig Zeit in der Brauerei verbringen, war das bei mir anders: Ich musste viel Zeit in der Brauerei sein, weil ich alles dort erst für mich entdecken, ausprobieren, auf die Schnauze fallen und aus Fehlern lernen musste. Alles was ich mir in den letzten zwei Jahren an technischem Know-How erarbeitet habe, konnten die schon.“
Rechtsstreit mit dem Bayerischen Brauerbund? Gewonnen!
Und dann bekam ausgerechnet er auch noch extra große Steine in den Weg gelegt. Vom Bayerischen Brauerbund. Dem gefiel nämlich der Name „Bayerisch Nizza Clubbier“ nicht. Klänge wie „Bayerisches Bier“, meinte der Bund, was eine geschützte Herkunftsbezeichnung ist. Und das bei einem Bier, für das amerikanische Hopfensorten verwendet wurden? Schwierig, schwierig. Oder auch nicht: Müller konnte den Rechtsstreit recht schnell für sich entscheiden, mit dem schlagenden Argument, dass das Bier in Bayern gebraut wurde. Im Sinne des Klügeren, der nachgibt, benannte er das Bier dann aber dennoch schnell um in „Bayerisch Nizza Wheat Pale Ale“. Was soll er zu dieser anstrengen Episode noch weiter sagen: „Spielregeln sind halt vorhanden und man tut sich einen Gefallen, wenn man nach ihnen spielt. Alles andere führt zu enormen Zeit- und Nervenraub.“
Ausbremsen ließ Müller sich dadurch jedenfalls nicht. Wenn der Bayerische Brauerbund sich an diesem „bayerisch“ so aufhängt, dann braut er eben anderswo. Müller schloss sich mit den Jungs von Mashsee in Hannover zusammen und macht mit ihnen den „Very White Pornstar“, ein ziemlich erfolgreiches Witbier. Davon wird es bald eine Winterausgabe geben, sagt er. In schwarz. Und diese beiden, das Wit für den Sommer und das dunkle Bier für den Winter, soll als regelmäßiges Kollaborationsprojekt dauerhaft bestehen. Mit Hanscaft & Co. wird Müller noch in diesem Jahr ein Pils auf den Markt bringen. Gestopft mit Hallertau Blanc. Eine hervorragende Hopfensorte, erzählt er, während er immer noch im Auto sitzt und von der Autobahn abfährt.
Absehbares Ziel: Die eigene Hanscraft & Co. Brauerei
Die Fahrerei mache einen Großteil seiner Tage aus, erzählt er. Leider. Aber geht nicht anders: „Beim Biermachen ist es ja nicht mit Brauen und Abfüllen getan. Es gibt viel Arbeit im Keller, Überprüfung des Gärprozesses, Hopfenstopfen, Proben nehmen und so weiter. Das erfordert eine relativ häufige Präsenz an der Produktionsstätte. Deshalb pendle ich so viel. Und das raubt Zeit. Da kommt der Wunsch nach einer eigenen Braustätte schon immer wieder hoch.“ Dessen Erfüllung ist schon zum Greifen nahe: Christian Müller hat bereits eine Location für seine eigene Brauerei gefunden. Die muss allerdings noch ein wenig umgebaut werden. Und die Finanzierung eines eigenen Sudhauses braucht auch ihre Zeit: „Ich bin ein Freund des eigenen Cashflows. Keine Banken, kein Crowdfunding und auch nicht zu ‚Die Höhle der Löwen‘“, sagt er.
Bis Müller also seinen Backbone Splitter in der eigenen Brauerei abfüllen kann, wird es noch ein Weilchen dauern. Das ist schon OK, er kann sich die Zeit lassen, schließlich war er früh genug da und hat sich seinen Namen als Craft Brewer schon gemacht. „Ich denke, alle, die jetzt nachkommen, haben es nicht so einfach. Der Markt hat sich weitgehend konsolidiert. Viele der Neuen werden sich auf einen regionalen Markt stützen, statt den ganzen deutschen Craft Beer Markt oder gar den internationalen in Angriff zu nehmen. Das wird auch gut und richtig sein – aber nicht leicht.“ In Deutschland gibt es nämlich einen großen, regionalen Brauerei-Mittelstand – wie ja vor allem die Franken wissen und gern wissen lassen (200 Brauereien! Allein in Unterfranken! So viele! Wie nirgends sonst!). In den USA aber auch in anderen Ländern, Polen zum Beispiel, Dänemark auch, fehlt dieser. Da machen das jetzt die Craft Breweries, die im 50 Kilometer-Umkreis um den eigenen Schornstein viel Bier verkaufen. „Der regionale Mittelstand ist es, der unser Vorankommen verlangsamt“, sagt Müller. Aufhalten könne er die Craft Beer Bewegung aber nicht. Noch nicht einmal in Franken.
Auf einen Blick
Hanscraft & Co.
Hans Christian Müller
Website
Bekannteste Biere:
- Bayerisch Nizza (Wheat Pale Ale)
- Black Nizza (Imperial Stout)
- Backbone Splitter (India Pale Ale)
Hopfenhelden's Choice:
- Backbone Splitter