Seit ziemlich genau einem Jahr wird nun im Süden von Berlin West Coast IPA gebraut. Im Sommer 2016 nahm Greg Koch die 100 Hl-Liter-Anlage bei Stone Brewing Berlin in Betrieb, quasi zeitgleich eröffnete er Stone Brewing Bistro and Gardens, das gigantische Restaurant im ehemaligen Gaswerk Mariendorf.
Zeit, sich mit dem Raudau-Onkel der Craft Beer Welt (der, der so gern über „fizzy, yellow beers“ pöbelt und damit Mainstream-Industriebiere meint) mal auf einen Arrogant Bastard zusammen zu setzen und darüber zu sprechen, wie es so läuft. In Germany. Mit Greg Kochs kompromisslosen, teuren Dosenbieren im Bier-unter-einem-Euro-Land, wo selbst das Pils in den letzten Jahren IBU um IBU verloren hat. „Es liegt in der Natur des Unternehmerseins immer gewissen Höhen und Tiefen zu durchleben“, lächelt er sich ins Ein-Jahres-Bilanz-Gespräch. „Und das gehört eben auch dazu, wenn man jemand ist, der leidenschaftlich Dinge vorantreibt, die es der Form noch nicht gibt.“
Also, wie war es, das erste Jahr Stone Biere in und vor allen Dingen AUS Deutschland?
Wir haben uns – ganz bewusst – mit Craft Beer in Deutschland auf ein Feld gewagt das, sagen wir, noch nicht komplett bestellt war. Es gibt hier immer noch – lass es mich so ausdrücken – viel unausgeschöpftes Potential (er muss selbst lachen). Ok, du hast mich längst ertappt, ich versuche hier die Dinge so positiv auszudrücken, wie möglich. Aber die Sache ist eben die: Ich komme gerade aus Irland. Ein Land, das in Sachen Bier total von einem namhaften Industrieplayer dominiert wird. Und dennoch findest du dort kaum einen Pub oder Restaurant, das nicht eine solide Auswahl an Craft Bieren serviert. Wenn du nach der Craft Beer Karte fragst, schaut dich keiner schräg an, du bekommst sie einfach.
Verglichen dazu in Deutschland?
Verglichen dazu in Deutschland, könnte man sich fragen, wie es eigentlich dazu kommen konnte, das ausgerechnet hier in einem guten Restaurant noch immer nur Industriebier serviert wird? Warum wird denn hier die großartige Brautradition dieses Landes nicht gelebt und hochgehalten? Sind die Deutschen denn nicht stolz auf ihr Bier, ihr gutes Bier? Hier gibt es so viele wunderbare Brauereien, auf die man stolz sein könnte – aber man scheint sie zu übersehen.
Das stimmt, ich höre auch von deutschen Craft Brauern, dass die Gastronomie hinter den Erwartungen zurückbleibt und das Thema Craft Beer verpennt.
Dabei ist Craft Beer eine Riesenchance, gerade für die Gastronomie: Craft Beer bietet die größeren Margen und Craft Beer zieht ein Klientel an, die gern bereit ist, mehr für qualitativ hochwertigeres Essen und Trinken zu bezahlen. Es gab in den USA etliche Untersuchungen, die gezeigt haben, dass die durchschnittliche Restaurantrechnung eines Craft-Beer-Trinkers höher ist, als die eines Industriebier-Trinkers. Im Supermarkt ist es genauso: Jemand der Craft Beer kauft, bezahlt auch für alles andere in seinem Warenkorb mehr als ein Kunde, der entweder gar kein Bier oder Industriebier kauft. Das Angebot von Craft Beer bringt dem Händler eine besser gebildete und kaufkräftigere Klientel, einen „higher quality customer“, wenn man so will.
Wo steht Deutschland im Vergleich mit anderen europäischen Ländern?
Für Stone Brewing Berlin sind die wichtigsten europäischen Regionen bisher Schweden und Großbritannien, auch Russland war überraschend stark im ersten Jahr. Deutschland zieht nach, aber kommt.
Das sehen einige der US-Kollegen wohl ähnlich. Zumindest kommen immer mehr US-Craft Brauereien auf die Idee, ihre Biere hier zu verkaufen.
Das ist nur natürlich, die Wachstumskurve in den USA ist nicht mehr so steil, wie sie früher war.
Manchen planen auch, hier zu brauen. Stichwort: Contract Brewing. Letzte Woche zum Beispiel wurde bekannt, dass Against the Grain bei der Vormann Brauerei in Hagen-Dahl brauen wird. Boulevard Brewing bespielt den Europamarkt mit Bieren, die sie bei Duvel in Belgien brauen. Wie geht es dir, wenn du das hörst? Ich meine: Du bist den harten Weg gegangen. Du hast hier eine riesengroße Brauerei gebaut. Nervt das, was die anderen machen?
Als wir vor sieben Jahren zum ersten Mal kundgetan haben, dass wir nach einer Location suchen um in Europa zu brauen, bekamen wir viele Angebote, auch von deutschen Brauern, wir könnten doch bei ihnen brauen. Aber ohne jemandem zu nahe treten zu wollen … Du erinnerst dich an Milli Vanilli?
Das Popduo mit dem Playback-Skandal, das keinen einzigen Song selbst gesungen hat?
Es hätte sich für mich verdammt nach Milli Vanilli angefühlt, nichts selber zu machen – außer im Video herumzuhüpfen. Wir glauben, solche Contract Brewing Projekte entfernen einen eher von den Kunden und so sind wir einfach nicht. Wir singen unsere Songs alle selbst, immer. Wir spielen die Instrumente selbst, wir haben kein Studioorchester. Das ist unsere Band. Oder zurück, im Bezug auf Bier gesprochen, wir wollen unseren Gästen und Fans unsere Brauerei zeigen können. Wir wollen, dass alle alles wissen und sehen, was hinter dem Vorhang passiert.
In den USA passieren einige Dinge hinter dem Vorhang. Das Thema Buy-Out reißt nicht ab, immer wieder liest man von Brauereien, die von AB Inbev teils oder ganz gekauft werden, bei denen man denkt: Krass, die auch! Stone hat vor einiger Zeit als eine Art Gegengewicht einen Fonds namens True Craft aufgelegt. Kurz gefasst: Du hast einen Finanzinvestor, mit dessen Hilfe ihr in Craft Beer Brauereien investiert. Wie läuft das?
Leider habe ich da noch nichts neues zu berichten. Das liegt ein bisschen in der Natur der Sache, nachdem wir nur Minderheitsanteile kaufen, können wir nicht die sein, die den höchsten Preis bezahlen – insbesondere im Vergleich zu globalen Braukonzernen. Und wenn es Lagunitas oder Ballast Point offenbar um Sell-Out und Cash-In geht … nun ja.
Könntest du dir denn vorstellen, mit True Craft auch in Deutschland, in deutsche Craft Beer Brauereien zu investieren?
(Er schweigt lange, für Koch-Standards) Nein, ich kann mir noch nicht vorstellen, wie das konkret in Deutschland aussehen könnte.
OK, dann: Was ist sonst noch auf deiner Deutschland-Agenda für Jahr Zwei? Was ist mit dem großen Streitthema Reinheitsgebot?
Das Reinheitsgebot ist kein Streitthema für mich, nie gewesen. Die einzige Situation, in der ich über das Reinheitsgebot streite, ist, wenn Leute Dinge behaupten, die schlichtweg nicht wahr sind. Im Grunde sind wir uns doch alle einig: Es gibt wundervolle Biere, die gemäß des Reinheitsgebotes gebraut sind. Und genauso gibt es billiges, minderwertiges Bier, das gemäß dem Reinheitsgebot gebraut wurde. Und andersherum: Es gibt wundervolle Biere, die nicht gemäß des Reinheitsgebotes gebraut sind und es gibt billiges, minderwertiges Bier, das nicht gemäß des Reinheitsgebots gebraut ist. Insofern: Kein Streit. Was ich hingegen für das nächste Jahr vorhabe, ist, das Thema „Bier in Dosen“ weiter voranzubringen. Wir werden intensiver daran weiterarbeiten, Missverständnisse über Bier in Dosen zu entkräften. Und ansonsten: Nicht allzu viel Neues. Auch das zeichnet einen Unternehmer aus. Eine gewisse Konsistenz in den Dingen, die er verfolgt.