SCHNIEKE: „Big dreams to stay small!“

Thomas Redders

Eigentlich muss dabei etwas Großes rauskommen, wenn Seba Pfister, Braumeister bei Straßenbräu, und Erik Mell, Braumeister bei Vagabund, ein eigenes Bier-Projekt starten. Eigentlich könnte man aber auch meinen, dass Seba und Erik im Moment ziemlich ausgelastet sind und nicht noch ein zusätzliches Projekt brauchen. Denn sowohl Straßenbräu als auch Vagabund sind vor kurzem erst in ihre neuen Brauereien gezogen. Aber dennoch entsteht da ein Schmuckstück. Ein Kleines, aber dafür sehr Feines: Schnieke Brauspezialitäten.

Schnieke macht Barrel-Aged Biere. Und zwar ausschließlich. Die ersten drei Sude sind schon abgefüllt und im Verkauf: Mumpitz, ein Barrel-Aged Fruited Sour, Heiabubu, ein Barrel-Aged Belgian Imperial Stout und Kunterbunt, ein Barrel-Aged Wild Saison. Neben echten Klassikern, schrecken Erik und Seba aber auch vor Experimenten nicht zurück. Die verrückteste Idee auf der Bierliste der Beiden, ist wohl eine Limetten-Gose aus dem Tequila-Fass.

Mumpitz und Heiabubu sind die beiden ersten Biere von Schnieke. (Foto: Schnieke Brauspezialitäten)

Kennengelernt haben sich Erik und Seba 2013, als sie zusammen den Diplombraumeister an der VLB und der TU begonnen – und 2015 abgeschlossen – haben. Es war so etwas wie Liebe auf den ersten Blick.

Wann und warum habt ihr euch entschieden, eine eigene Biermarke zu gründen?

Erik: Ich bin schon verheiratet und hab Seba lieb, da war Schnieke der nächste Schritt (lachen beide).

Seba: Wir wollten schon länger zusammen ein „Kind“ haben, aber dann hat Erik geheiratet (lacht). Nein, Spaß beiseite, die Idee kam zum ersten Mal 2017. Ursprünglich waren Erik und ich von 2013 bis 2015 zusammen im selben Diplombraumeister-Kurs an der TU und VLB. Wir sind sehr gute Freunde geworden, sind beide in Berlin geblieben und haben nach dem Studium tolle Jobs gefunden. Bei unseren Treffen haben wir öfter mal Barrel-Aged-Biere getrunken und merkten, dass der hiesige Markt nicht viel in dieser Kategorie zu bieten hatte. So entstand irgendwann die Idee, dass wir gerne eine eigene Biermarke als Nebenprojekt gründen würden, mit Fokus auf genau dieses Thema, Holzfass-gereifte Biere. Das Angebot in Berlin hat seitdem zugenommen, aber als wir das erste Mal darüber schnackten, gab’s noch nicht viel. 

Erik: In ganz Deutschland gab es kaum Barrel-Aged Biere.

Seba: Bekannte Beispiele in Deutschland sind Lemke oder Kehrwieder, und langsam kommt das Thema immer mehr. Aber nichtsdestotrotz ist es immer noch eine Nische. Wir finden es interessant, weil es eine Kategorie ist, die im Land nicht so sehr vertreten ist und uns selber sehr anspricht. Und wir können das gut mit unserem Hauptberuf vereinbaren, als Seitenprojekt.

Erik: Wir wollten einfach zusätzlich gerne etwas machen, dass wir unser Eigen nennen können. Und Pale Ales oder IPAs sind irgendwann ein Volumenspiel. Wir haben big dreams to stay small

Seba: Dass die Mengen kleiner und exklusiver sind, ist in unserem Fall von Vorteil, auch was Logistik und Vertrieb betrifft. Ein Bier, ein Barrel, ein paar hundert Flaschen. Das geht nebenberuflich ganz gut.

Erik: Wie unser Buchhalter immer sagt: „Das ist überschaubar.“ 

Ihr arbeitet beide als Braumeister in Berliner Brauereien. Wann habt ihr angefangen, nebenbei Schnieke Biere zu brauen?

Erik: Wir haben vor ziemlich genau einem Jahr unser erstes Bier rausgebracht. 

Seba: Die Firma haben wir aber schon Ende 2018 gegründet und da auch die ersten Sude gebraut. Die haben beide lange gebraucht. Wir geben dem Bier einfach so viel Zeit, bis es auf dem Punkt ist. Dann lassen wir es in der Flasche mehrere Monate nachreifen. Das ist eben auch der Vorteil, dass wir finanziell nicht von Schnieke abhängig sind. Damit können wir uns den Luxus erlauben, etwas länger zu warten. Der Start war allerdings sehr kostspielig, weil wir die Firma erstmal auf Papier brauchten, bevor wir den ersten Sud brauen durften. Die Biere haben dann ein Jahr und länger gebraucht, während bereits bürokratische Kosten anfielen.

Kunterbunt heißt das dritte Bier von Schnieke, ein Barrel-Aged Wild Saison. (Foto: Schnieke Brauspezialitäten)

Seba, du kommst aus einer Winzerfamilie. Habt ihr Fässer vom Weingut deiner Eltern, oder woher bekommt ihr eure?

Seba: Bei Straßenbräu habe ich Fässer von meinem Vater stehen, in dem wir mittlerweile wilde Biere machen, unter anderem Berliner Weiße. Da ist der Weingeschmack nach mehrmaliger Benutzung schon raus, der Kontext des Holzfasses eignet sich aber hervorragend für Brettanomyces und Co.. Die aktuellen Fässer bei Schnieke – diesmal Bourbon – haben wir über Wilhelm Eder bestellt. 

Wann ist ein Barrel-Aged Bier ein gutes? Was muss es haben?

Erik: Holz, Zeit und Sorgfalt! (beide lachen) Das ist unser Motto und steht auf unserem Etikett. 

Seba: Es gibt verschiedene Grundrichtungen, die man einschlagen kann und entsprechend ein Holzfass auswählt. Man kann beispielsweise saubere, nur mit Brauhefe vergorene Biere, meist mit höherem Alkoholgehalt brauen und in charakterstarken Fässern ausbauen, die noch viel von der Vorbesetzung und/oder vom Holz zu bieten haben – und unbedingt keine Infektionen mit sich bringen (!). Oder man braut etwas mischvergorenes, mit beispielsweise Brettanomyces, Laktobazillen und manchmal auch Pediococcus, wobei das Holzfass eher als Entfaltungsort für die wilden Bewohner und ihre Aromen gesehen werden kann, und es oft weniger um den Charakter der Vorbelegung geht, oder dieser eher als leichte Note im Hintergrund gehalten wird.

In Belgien, bei den Lambic-Brauern, werden die Holzfässer oft wieder und wieder benutzt, seit Generationen. Dort wurde es meist bevorzugt, wenn nicht mehr viel von der Vorbelegung zu schmecken ist.  Das ändert sich heutzutage aber auch wieder mit der Zunahme an Experimentierfreudigkeit. Persönlich könnte ich mir auch gut eine Berliner Weiße aus einem deutschen Weinfass vorstellen, wobei der Wein stark miteinbezogen wird. Warum nicht? Wenn man in der Bierwelt versucht etwas zu beschreiben, klingt es oft sehr kategorisch, dabei sind die Grauzonen eigentlich oft unendlich farbenfroh, die Möglichkeiten bei Bier doch schier unendlich.

Generell macht ein gutes Barrel-Aged-Bier meiner Meinung nach das harmonische Zusammenspiel zwischen einem guten Holzfass, also der Art des Holzes, der Vorbelegung und der Art des Bieres, das man darin ausbaut, aus. Wobei wir als Brauer versuchen sollen, sauber zu arbeiten, eventuellen Wildhefen gute Bedingungen zu ihrer Entfaltung zu bieten und den Faktor Reifung gut zu überwachen.

Erik: Hauptsächlich nutzt man Barrique-Fässer aus drei Gründen: langsame Oxidation, Geschmack der Vorbelegung und gute Heimat für Mikroorganismen. Oder eben aus allen drei Gründen zusammen. Es ist in jedem Fall eine Veredelung. Man muss schmecken, dass es Zeit gekostet hat. Es ist richtig veredelt und niemand wird verarscht. 

Seba: Wenn man saubere Biere in Fässer macht, sollen sie auch sauber bleiben. Es kann passieren, dass ein Holzfass schon infiziert ankommt bevor es wieder mit Bier gefüllt wird. Je geringer der Alkoholgehalt der Vorbelegung desto höher ist dieses Risiko. Oder es kommen nachträglich Mikroorganismen rein, weil man nicht sauber genug gearbeitet hat. Die Reinigung der Holzfässer ist schwierig, aber man kann sie beispielsweise ausspülen und ausdampfen.

Weinfässer sind da am schwierigsten, weil Wein nicht so viel Alkohol hat wie Destillate und sich so Infektionen einfacher ausbreiten können. Daher werden Weinfässer oft geschwefelt, was aber leider den Geschmack des vorbelegten Weins beeinträchtigt. Als ich die Weinfässer meines Vaters benutzt habe, haben wir sie geleert, am nächsten Morgen abgeholt und abends in Berlin direkt wieder gefüllt. So ist es tatsächlich gelungen eine Infektion zu vermeiden, die Biere sind richtig gut geworden und haben schön sauber nach Wein geschmeckt. Saubere Arbeit ist also auch ein wichtiger Teil des Barrel-Agings, nicht nur das richtige Bier im richtigen Fass.

Erik: Man kann ein Bier mit Geschmacksfehler im Fass nicht gut retten.  

Die Bourbon-Fässer, die ihr jetzt verwendet habt, habt ihr aber nicht vorher noch gereinigt?

Seba: Bourbon-Fässer sind an sich schon mikrobiologisch unbedenklich wegen des hohen Alkoholgehalts des Bourbons. Trotzdem spülen wir die Fässer noch einmal mit heißem Wasser und Dampf aus, um sicher zu gehen. Und bei einer solchen Reinigung verliert man nur ganz wenig Geschmack, da der Bourbon tief im Holz gespeichert ist und nur durch langen Austausch mit einem Medium wieder rausgewaschen wird. Wenn ich aber sehe, dass noch eine Bourbon-Pfütze im Fassboden vorhanden ist, dann dampfe ich es nur noch einmal schenll aus, da ich davon ausgehen kann, dass die Wände noch mit Hochprozentigem befeuchtet und entsprechend sauber sind.

Könnt ihr den Reifungsprozess steuern, sobald das Bier im Fass ist?

Seba: Die Arbeit muss man grösstenteils davor machen also beispielsweise ein geeignetes Bier in ein sauberes Fass bringen. Sobald das Bier im Fass ist, muss man es im Falle eines sauberen Bieres nur immer wieder auffüllen, da ein Teil verdunstet. Gerade wenn man ein Stout macht, das nicht makrooxidieren soll durch eine verdunstungsbedingte größere Kontaktfläche, sondern höchstens etwas mikrooxidieren, ist das wichtig. Mikrooxidation finde ich eigentlich toll, die veredelt die Biere nämlich. Dadurch kommen süße Honig- und Sherry-Noten mit rein, das ist eine positive Oxidation.

Je größer die Oberfläche im Bier wird, desto eher passiert eine schnelle Oxidation, welche oft nicht so angenehm ist und zum Beispiel Noten von Karton und Staub mit sich bringen können. Deshalb füllt man das Fass einmal die Woche wieder auf. Anders ist das natürlich bei Sauerbieren, die füllt man tendenziell nicht auf und kann zuschauen wie sich ein schöner Teppich (Pelikel) bildet, welche das Bier auf natürliche Weise schützt und Teile des Mikroklimas im Fass ausmacht. Da kommt es so auch nur zu Mikrooxidation durch die Stäbe, wobei die Brettanomyces diesen Sauerstoff dann auch wieder in ihr Tun miteinbeziehen beziehungsweise reduzieren kann.

Funktionieren Barrel-Aged-Biere in Deutschland? Seid ihr eure Biere gut losgeworden?

Erik: Bei 200 Flaschen pro Fass schon.

Seba: Ich glaube die Szene, die sich dafür interessiert, ist sehr klein ist. Es ist schon ein Nischenprodukt. Da wir aber nur wenig anbieten, funktioniert das. Die kleine Gruppe ist groß genug, um die kleinen Mengen, die wir haben, anzunehmen. Wir zielen auch auf die gehobene Gastronomie, wenn diese jetzt wieder aufmacht.

Erik: Ein Massenprodukt wird das sicher nicht!

Wie viel Bier plant ihr in diesem Jahr abzufüllen, und wie viel lagert aktuell noch in Fässern?

Erik: Wir haben 3 Sorten in der Flasche. Zwei sind fast ausverkauft, eins ist gerade auf dem Markt, ein Barrel-Aged Wild Saison, namens Kunterbunt. Und dann haben wir noch eins, dass schon aus dem Barrique raus, aber noch nicht in Flaschen abgefüllt ist. Das ist ein Bretted Porter. 

Seba: Wenn wir unsere neuen hauptberuflichen Brauereien einfahren, haben wir den nächsten Sud für Schnieke schon miteingeplant. Wir werden auf jeden Fall die Sorten, die wir bis jetzt in unserem Portfolio haben, nochmals brauen, weil wir damit ganz happy sind. Und an verrückten Ideen für neue Barrel Aged-Biere mangelt es uns im Moment sicherlich nicht. Barrel-Aged Hard Seltzer, anyone?! Spass beiseite, wir freuen uns sehr auf das kommende Jahr und auf neue Experimente, die man so hierzulande noch nicht geschmeckt hat.

Big dreams to stay small.