Craft Beer in Reinform: Philipp Brokamp betreibt mit dem Hops and Barley Berlin seit bald acht Jahren eine Hausbrauerei, in der es nur sein Bier, Bockwurst und Treberbrot mit Schmalz gibt. Damit ist er so etwas wie der Ur-Typ des Craft Beer Brauers
In den USA wird, und das ist keine Übertreibung sondern eine Schätzung der Brewers‘ Association, dem Verband der kleinen und unabhängigen Brauereien der vereinigten Staaten, bis Ende des Jahres an fast jedem Werktag irgendwo eine Mikro-, Nano- oder Craft Beer Brauerei eröffnet werden.
In Deutschland nicht.
Aber: In Deutschland dürften auch noch einige Craft Beer Brauereien dazu kommen in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten. Große Haie, kleine Fische. There’s plenty of fish in the sea, im Craft Beer Tümpel wird es voller. Aber Philipp Brokamp lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen.
Um ehrlich zu sein wirkt Phillipp Brokamp wie jemand, der sich von überhaupt gar nichts auf der ganzen Welt aus der Ruhe bringen lässt. Nein, so groß und mit dem stillen, nett-zaghaften Dauerlächeln ist Phillip Brokamp mehr so etwas wie die Ruhe selbst. Generell. Aber besonders, weil er in der Craft Beer Welt sich, seinen Beat und seine Nische gefunden hat.
Das Prinzip Craft Brewer erster Stunde
Denn während andere mit Gypsy- und Lohnbrauen starten, viel Zeit und Energie in Etikettendesign, Logistik und Vermarktung pumpen, auf die eigene Brauerei sparen und sich den Kopf über die sauteure Abfüllanlage zerbrechen, praktiziert Brokamp seit bald acht Jahren konstant erfolgreich das Model des Ur-Craft-Beer-Brauers: Er hat ein eigenes Brewpub (also Braugasthaus oder besser noch Hausbrauerei, wie er selbst dazu sagt). Vorne ein Gastraum mit sieben Hähnen, selbstgebackenes Treberbrot mit Schmalz, Käse und Bockwurst (und veganen Aufstrichen, jawohl, soviel Hipstertum darf und muss sein, auch hier), hinten eine 5-Hektoliter Brauanlage, die passenden Tanks dazu im Keller und ein fleißiger Mitarbeiter, der mit ihm braut. Pils, Dunkel und ein Weizenbier standardmäßig.
„Ich persönlich trinke sicherlich genauso gerne ein gut gemachtes Helles wie ein IPA“, sagt der Münsterländer Brokamp. Er braut auch beides gern, macht aber darüber hinaus regelmäßig Saisonbiere wie Mai- und Winterböcke oder Festbiere je nach Jahreszeit. Und Spezialbiere. Pale Ales, IPAs eben auch, Single-Hop-Biere, solche Sachen. Jede Woche neu und anders. Jede Woche! „Ich schätze, dass ich hier wohl so um die 90 verschiedene Biere gebraut habe“, sagt Brokamp in aller Ruhe. Und kaum eines dieser Biere hat das Hops je verlassen. Brokamp braut nur für sich, für seine Kneipe. Er verkauft weder Flaschen noch Fässer sondern nur gläserweise frisch vom Hahn. Und das ist vermutlich auch der Trick.
Ein bisschen abseits des ganz wilden Lonely-Planet-Teils Friedrichshains, also direkt neben dem Simon-Dach-Kiez nahe des Boxhagener Platzes, ist die kleine Hausbrauerei eine feste Bar-Größe. „Unser Publikum ist ziemlich gemischt“, sagt Brokamp. „Am Wochenende sind es oft sehr viele Touristen, weil es in der Gegend viele Hostels und Ferienwohnungen gibt und wir mittlerweile in einigen Reiseführern stehen. Am Anfang waren es noch viele Ältere aus der Nachbarschaft, die hier ihr Feierabendbier getrunken haben, aber auch die Alternativen kommen eigentlich bis heute. Und natürlich die Fußball-Leute. Die sind regelmäßig hier, weil wir einen Beamer haben und BuLi zeigen.“ (Borussia Mönchengladbach Fans übernehmen hier regelmäßig den Laden. Offenbar alles Craft Beer Freunde. Oder auch nicht.) Der Boden ist schwarz-weiß gekachelt, die Wände auch. Früher, also noch vor der Wende, war das hier eine Metzgerei, erzählt Brokamp. Im Keller haben sie Wurst gemacht. Aber dann kamen Aldi und Lidl und Wurst aus der Packung und die Metzgerei musste 1995 dicht machen, das oft gehörte Lied eben.
Als Brokamp 2007 nach Berlin zog, um endlich mit seiner Freundin, einer „echten Berliner Pflanze“, fest verwurzelt und nicht von hier wegzubekommen, wie er sagt, zusammenzuleben, war hier in der Wühlischstraße 22 einfach gar nichts. Rumpeliger Leerstand. Die Geschichte von „ich bin da vorbei gelaufen und konnte sofort meine Kneipe drin sehen“ kann Brokamp nicht erzählen. Er ist ganz ehrlich: So richtig geil fand er das alles nicht, die Gegend war damals noch eine ziemlich dunkle Ecke, vor der die Leute ihn gewarnt hatten, der Laden selbst eine Ruine und die Vorstellung, sich selbstständig zu machen, ziemlich beängstigend. Aber was blieb ihm anderes: Auf einen festen Job als Diplombraumeister brauchte er damals gar nicht zu hoffen, die Lage bei den Berliner Brauereien war nach der Schließung des Kindl-Schultheiss-Standortes in Potsdam eher beschissen.
Das Hops and Barley Berlin ist was es immer war
Also haute er sich eben mit voller Muskelkraft rein. Sein Plan: Eine kleine Gaststätte mit Bar-Snacks, einer eigenen Brauanlage und nur den eigenen Bieren am Hahn. Und genau das ist das Hops and Barley bis heute geblieben. Nur dass die kleine Braxmann-Anlage, mit der Brokamp hier angefangen hat, heute nur noch zur Deko im Gastraum steht. Sie war schon 2009 zu klein für den großen Bierdurst der Friedrichshainer Hops-Fans. Brokamp investierte, was er mit der Kneipe erwirtschaftete, in eine „richtige“ Brauerei im hinteren Bereich des Ladens. Sein Bier verkauft er bis heute nur in der eigenen Bar. „Die Preisgestaltung in der eigenen Kneipe ist etwas leichter“, sagt der Braumeister. „Den Flaschenbiermarkt empfinde ich ein bisschen als ein Haifischbecken.“ Im Hops and Barley kosten 0,3l der Standardbiere 2,10 Euro, 0,5 l kosten 3,50. Nur die Spezialbiere kosten auch mal einen Ticken mehr. „Grundsätzlich verkaufe ich aber lieber noch ein zweites und drittes Bier für etwas weniger und habe am Ende mehr davon. Hängt natürlich davon ab, wie kostenintensiv die Produktion ist. Wenn ich die zehnfache Menge Hopfen nehme ist es schwierig den Preis zu halten. Natürlich ist ein IPA teurer zu brauen als ein Bayerisch Hell.“
Das Prinzip Brewpub ist so übersichtlich wie überzeugend: Wo gebraut wird, wird getrunken. Der Braumeister hat alles selbst in der Hand, irgendwie. Auch den Zapfhahn. Oft genug steht Brokamp hinter seinem Tresen, schenkt aus und redet immer öfter über Bier. Denn natürlich ist das Hops and Barley auch wenn der Chef den Begriff „craft“ nicht mag, ein Treffpunkt der Berliner Craft Beer Szene. „Ich merke schon, dass sich in den sieben Jahren, die ich das hier nun mache, einiges getan hat, dass immer mehr Leute kommen, die gezielt nach den Spezialbieren fragen“, sagt er.
Natürlich, da geht was, einiges. Ob er da nicht auch etwas für sich wittert? Will er da nicht mitmachen, Craft Beer aus Berlin, erprobt, bewährt, beliebt…? Könnte man doch sicher gut so verkaufen. Still lächelnd schüttelt er den Kopf. „Richtig groß durchstarten brauche ich nicht. Ich bin froh, wenn die Kneipe gut läuft und ich davon leben kann. Alles Größere geht ja dann doch immer zulasten des Privatlebens.“ Nur einen kleinen Durchstart erlaubt er sich dann doch: Brokamp ist kurz davor, eine zweite, kleine Brauanlage in Marzahn in Betrieb zu nehmen. Er brauche einfach manchmal ein bisschen Platz zum Ausweichen. Es muss nur ein Braufest anstehen oder ein größeres Event und er kommt in den begrenzten Räumlichkeiten in Friedrichshain schnell an seine Grenzen. Und: „Dort habe ich dann sogar auch eine sehr kleine Flaschenabfüllung“, sagt der Brauer, „will diese aber nur selten benutzen.“ Trotzdem könnte es dann vorkommen, dass es vielleicht doch mal eine Charge abfüllt. Vereinzelt. Und die wird es auch nur in ganz wenigen Läden zu kaufen geben. Sicherer ist und bleibt es, wenn man Hops and Barley trinken will, im Hops and Barley in Berlin- Friedrichshain vorbei zu kommen. So isses und so soll es auch bleiben.
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Auf einen Blick
Hops and Barley
Philipp Brokamp, Berlin-Friedrichshain
in Mikrobrauer-Map anzeigen
Bekannteste Biere:
Standard sind Pils, Dunkel und Weizen. Dazu gibt es wöchentlich wechselnde Spezialbiere.