Laura, Lenn und WØL

Martin Rolshausen

Wieder mal eine von diesen Geschichten, dachte ich: Menschen brauen Bier – erst nur, weil es ihnen Spaß macht oder weil ihnen das Zeug, das sie im Supermarkt kriegen, nicht genug ist. Anderen schmeckt das Bier dieser Homebrewer. Im Freundeskreis, im Verein, auf der Arbeit – immer wieder wird gefragt, ob es mehr von diesem tollen Bier gibt. Und irgendwann kommt der Gedanke: Wir könnten unser Bier doch auch verkaufen. Manchmal wird aus so einem Gedanken eine professionelle Brauerei. Ich mag diese Geschichten. Aber muss ich sie – gefühlt – zum 100sten Mal erzählen? Interessiert das noch jemanden?

Diese Frage ploppte auf, als mir ein Bekannter von Lennart und Laura erzählte. Die beiden haben eine kleine Brauerei gegründet, jetzt ihr erstes Bier auf den Markt gebracht. Ich sei doch eh demnächst wieder in Saarbrücken. Die beiden seien wunderbar und das Bier auch. Also gut.

Er hatte Recht: Die beiden sind wirklich wunderbar – und ihr Bier auch. Und mich hat ihre Geschichte sehr interessiert. Laura und Lenn erzählen sie so: „Wir beide haben krasse Schicksalsschläge erlebt – einmal durch den Schleudergang“, sagt Laura. Sie wolle nicht sagen, dass jedes Schlechte auch sein Gutes hat, aber: „Wir haben uns dadurch getroffen und uns gegenseitig das Leben gerettet.“

Laura ist in Berlin geboren, hat dort lange gelebt und familiäre Wurzeln im Saarland. Lenn kam vor 15 Jahren dort an. Seitdem braut er auch. Er hat mit Kumpels angefangen, im Keller eigenes Bier herzustellen. „Wir haben uns aber auseinandergelebt, als wir Väter wurden“, erzählt Lenn. Brauen war kein wirklich ernsthaftes Thema mehr, als er und Laura auf der Dachterrasse ihres Wohnhauses in der Saarbrücker Innenstadt standen und auf den Anbau blickten.

„Das Gebäude gehört der Familie – und wir wollten was machen“, erinnert sich Laura. Die Idee mit dem Bier war faszinierend. „Ich liebe Craft Beer, aber ich kann nicht brauen“, sagt sie. Also habe sie „die Rolle der Brau-Polizei übernommen“. „Es sollte wirklich perfekt sein“, erklärt Laura – und daran habe jeder mit seinen Talenten gearbeitet.

Nachdem die Frage „Warum lebt man nicht seinen Traum?“ geklärt war, habe er „zwei Bausparverträge gekillt“, sagt Lenn. Aus der Familie von Laura gab es Unterstützung. „In der Familie sind alle Unternehmer und Lebenskünstler. Beim Essen haben wir dann von unserer Idee erzählt. Die Reaktion war: Macht das!“

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Lenn und Laura, die beide mit Kommunikationsdesign ihr Geld verdienen, haben sich aber Zeit gelassen. „Wir fingen in der Corona-Zeit an. Zwei Jahre hat es gedauert, bis wir das Logo und den Namen hatten“, sagt Lenn. Laura heißt Weber, Lennart Köhl – daraus wurde in Anspielung auf Øl, das skandinavische Wort für Bier, WØL. „Die Leute haben dann immer ,zum WØL‘ gesagt statt ,zum Wohl'“, erklärt Laura die Namensänderung zu „Zum WØL BrauArt„.

2021 haben die beiden ihre Firma gegründet, aber erst in diesem September sind sie mit ihrem ersten Bier in den Handel eingestiegen, einem New England IPA. Davor hat WØL für Events gebraut. „Das Black IPA wurde uns regelrecht aus der Hand gerissen“, erinnert sich Laura. Trotz der Erfolge mit den Event-Suden: „Viele haben uns für verrückt erklärt“, sagt Lenn. Eine eigene Brauerei gründen, das Ersparte dafür einsetzen? Das schien doch sehr gewagt.

Ist es auch. Und dann ist da noch „der Faktor Deutschland“, sagt Laura. Und der „beflügelt nicht unbedingt junge kreative Menschen“. Viel Bürokratie, viele Bedenkenträger. Aber auch deshalb fühlen sich die beiden in der Bier-Branche wohl. Es sei „die Art, wie Brauer sind, diese Community“, beschreibt Laura das gute Gefühl. „Wenn wir uns gegenseitig beflügeln, können wir standhalten und aufblühen. Es ist viel möglich, weil es Leute gibt, die Bock haben gegen oder trotz der ganzen Verhinderungskultur“, glaubt sie. Lenn und sie sind jedenfalls „hochmotiviert“.

Eng zusammenarbeiten tut WØL mit „KuehnKunzRosen“ in Mainz. Dort werden größere Sude produziert. Kleinere Sude werden in der eigene Brauerei selbst abgefüllt. Ihr New England IPA liefern Laura und Lenn in der Dose aus – weil die Dose das Bier am besten schützt und weil „die Dose die bessere Leinwand“, also besser zu designen ist. Und das ist ihnen wichtig, schließlich sind sie beide Designer. Aber auch bei der Dose gibt es den „Faktor Deutschland“. Was in anderen Ländern gut läuft, ist hier ein Problem. „Es gab Nachfragen aus der gehobenen Gastronomie, da kommt die Dose aber nicht an“, sagt Lenn.

Deshalb kommt das nächste Bier für den regionalen Markt in die Flasche. Es ist ein Pils und heißt „MaxOPils“. Das ist eine Anspielung auf den Saarbrücker Regisseur Max Ophüls, nach dem auch das inzwischen bundesweit relevante Filmfestival benannt ist. Auch das New England IPA hat einen lokalen Bezug. „Du Geila“ haben Laura und Lenn es genannt. „Saarbrigge, du Geila“ gilt im Saarland als Liebeserklärung an die Landeshauptstadt.

Auch wenn beide keine gebürtigen Saarländer sind, sagt Laura: „Wir leben in Saarbrücken, wir leben Saarbrücken. Wir sind über Umwege hierhergekommen. Das ist unser Ort, hier fühlen wir uns richtig wohl. Das wollen wir mit unseren Produkten auch zeigen.“ Und noch etwas: „Wir in Saarbrücken können Craft Beer!“

Und zumindest einige im Saarland haben die Botschaft verstanden. „Ein benachbarter Supermarkt hat uns vom ersten Moment an unterstützt. Der wusste noch gar nicht, was das für ein Bier ist, hat aber zugesagt, dass er es verkauft. Das Gemeinschaftliche ist das typisch Saarländische“, schwärmt Laura. Sie ist in Berlin geboren, hat aber familiäre Wurzeln im Saarland.

Für WØL gehe es nun darum, „weiter langsam zu wachsen“. Das heiß, dass Laura und Lenn weiter alles gemeinsam machen: die Rezepte, das Design, die Website. „Ziel ist es, irgendwann zu 100 Prozent die Brauerei zu machen“, sagt Lenn. Die beiden hoffen dabei auch auf den „Generationsumbruch in der Gastronomie“. Dass etablierte und traditionelle Kneipen und Restaurants schließen „sehen viele als Verlust, aber es kommt auch etwas Neues“, erklärt Laura. Es gehe schließlich in der Gastro wie in der Brauerei darum, Menschen „zum Erkunden von Genuss zu verleiten“. „Und der Trend geht zum Besonderen“, ist Lenn überzeugt.

Laura und Lenn haben das Besondere bereits gefunden: sich, die Kinder aus ihren Beziehungen vorher, mit denen sie nun zusammen in einer Patchwork-Familie leben – und WØL.
(Fotos: WØL)
(7. Dezember 2024)