Zwischen Spaß und Ernst liegen oft ja nur zwei kleine Bier. Und so wurde aus den rauschenden Bier-und-Brau-Parties bei Christina Saez Martinez und ihrem Mann Andreas Håkansson ein richtig und echtes Craft-Beer-Business: Pirate Brew aus Berlin.
Bier selber zu brauen ist vor allem anderen zunächst einmal ein gutes Gefühl: Ich habe das gemacht. Selbst. Mit meiner Hände Arbeit.
Für manch einen mag es fast schon ein bisschen archaisch sein (Craft Brewer Johannes Heidenpeter aus Berlin beschrieb das einmal so: Der Gedanke, dass es vor achthundert Jahren genauso roch, als sie Bier brauten fasziniere ihn.), für manchen ist es nur einfach der willkommene Ausgleich zum schnellen, stressigen, digitalen Job. Denn Brauen, Homebrewing zumal, funktioniert weitestgehend analog – und ist ziemlich gemütlich. Man hat da jede Menge Zeit. Einmaischen? Stündchen warten. In Ruhe Abläutern – halbe Stunde. Würze kochen? Stündchen warten. Abkühlen. Stunde warten.
Home + Brewing+Party. So logisch, eigentlich.
Wenn man das weiß, fragt man sich eigentlich, warum nicht schon viel früher jemand auf die Idee kam, mit der Christina Saez und Andreas Håkansson in Berlin landeten. Oder warum zumindest noch niemand ein dickes, fettes Geschäft daraus gemacht hat. Christina und Andreas veranstalteten nämlich sogenannte „Homebrewing Parties“. Sie luden zum Brauen ein und feierten eine Party. Mit vielen Leuten und viel Bier. So logisch, so gut.
„Eigentlich haben wir damit schon in Spanien angefangen“, erzählt Christina. Dort, in ihrer Heimat, haben sie und Andreas bereits vier Jahre Craft Beer gelebt. Als leidenschaftliche Trinker zunächst, wie sie erzählen. Beide sind nämlich eigentlich Ingenieure. Wie das dann aber so ist, fingen sie irgendwann mit dem Hobbybrauen an. Er, weil er fand, dass Brauen eigentlich ganz viel mit Ingenieuerwesen zu tun hat. Sie, weil sie darin mehr das Gegenteil ihres Jobs sah. „Für mich ist Brauen wie Kunst oder Musik.“ „Du bist eben eher der romantische Teil von uns beiden. Und ich… nicht so“, sagt Andreas.
Berlin im Sturm erobert
Vor zweieinhalb Jahren zieht das Paar nach Berlin. Und selten haben zwei Expats wohl so schnell Anschluss gefunden wie Christina und Andreas – und das Dank ihrer Heimbrauerei und den Parties. Es dauert Monate, ach, Wochen vielleicht auch nur, bis die zwei die gesamte Craft Beer Szene aufgemischt hatten. Letztes Jahr ließen sie sich sogar von Greg Koch bei Stone Brewing in Mariendorf trauen. Ernsthaft! Den Schweden und die Spanier? Kennt jeder. Brauen auch richtig gutes Bier, so hobbymäßig, raunt man sich allenortens zu.
Natürlich kommt das auch bei den beiden an – und lässt einen zunächst kleinen Hinterkopf-Gedanken immer drängeliger und lauter werden: Sollten wir nicht einfach mal einen Sud bei einer der Berline Craft Breweries brauen und schauen, wie unser Bier sich, nun ja, dann eben auch verkauft?
Sollten wir, beschließen Andreas und Christina und wenden sich mit ihrem Vorhaben an Philipp Brokamp vom Hops & Barley, der ihnen gerne hilft. Immerhin hat er ja gerade erst in Marzahn eine zweite, größere Brauerei gebaut, die soll doch auch ausgelastet sein. Also stellen sich die beiden Ingenieuere an den Topf und Brauen ein pitchblackdunkelnachtschwarzes Porter. Das muss so. Christina und Andreas sind nämlich Piraten – Pirate Brew. So heißt ihre kleine Craft Beer Marke. Und als solche entern sie seit über einem Jahr nun Brauereien und brauen piratenschwarze Biere.
„Porter und Stout sind unsere liebsten Biere“, sagen die beiden. „Sie sind spannender und komplexer als helle Biere, dunkle Malze geben Biere eine neue, andere Dimension. Und natürlich haben wir auch gesehen, dass wir mit diesen in Deutschland eher ungewöhnlichen Stilen eine Chance haben uns abzusetzen.“ Der nächste Trend nach IPA und Sauerbier? „Porter!“ sagt Andreas. Überhaupt keine Frage.
Pirate Brew. Nur echt mit Chili und Kaffee und Zeug.
Pirate by heart scheren sich Christina und Andreas natürlich einen feuchten Seeräuber-Dreck um das Reinheitsgebot. „Irgendwie war das hier in Berlin auch noch nie ein Problem“, grinst Christina zufrieden. Aus ihrem Piraten-Porter-Grundrezept haben die Pirates drei Biere gemacht, das klassische Porter, eine Porter mit Kaffee und ein Porter mit Chili, der „Crazy Bastard“. So heißt das Bier. Und das hat es besonders in sich. Fängt harmlos an. Und ist hinten raus richtig fies. Also im guten Sinne.
„Den letzten Sud haben wir mit einer Chilisorte namens Trinidad Scorpion gewürzt, die hat 1,000,000 Scoville Schärfeeinheiten.“ Will sagen: Die ist richtig, richtig scharf. Manch einem vielleicht sogar zu scharf, weshalb die beiden planen die Kronkorken ihrer Crazy Bastards mit einer, zwei oder drei Chilischoten zu markieren, abhängig davon, wie viel Feuer in der Flasche steckt.
Große Kollaborateure
Ja, Flasche. Das ist die nächste Etappe. Erst gab es Pirate Brew nur vom Fass, bald kommen Flaschen. Kollaborations-Sude gibt es bereits in der Flasche – und da waren die Piraten fleißig: „Allein letztes Jahr haben wir 10 Collaboration-Brews gemacht, national und international.“ Die wohl irrwitzigste: Room 101 – ein Gemeinschaftswerk von Pirate Brew, Yankee & Kraut und Freigeist Bierkultur. So etwas wie eine Gose, aber mit Pfefferminz, Eukalyptus, Wacholder und, und, und.
Interessanterweise träumen die Pirates nicht den Traum von der eigenen Brauerei. Abgesehen davon, dass sie ehrlich gesagt gar nicht wüssten, wo die stehen sollte: Schweden? Spanien? Doch Berlin? Als Kinder unserer Generation wissen Christina und Andreas nicht, wo das Leben sie hinführt. Könnte irgendwie alles…, müsste gar nicht… vielleicht doch noch zwei, drei Jahre Berlin. Vielleicht auch nicht.
„Außerdem ist so eine eigene Brauerei ein ganzes Stück harte Arbeit“, sagt Andreas. Und Christina ergänzt: „Ich glaube, uns zieht es mehr in die Richtung Brew Pub. Kleiner und mit vielen Leuten direkt vor Ort“ Eben so wie bei einer richtig geilen, rauschen Brewing-Party.