STIEGL-BRAUEREI: Aus Tradition innovativ

Claudia Doyle

Wer seit über 500 Jahren Bier braut, der hat wahrlich eine gefestigte Marke und einen treuen Kundenstamm. Doch das heißt nicht, dass man als alter Hase im Geschäft aus Angst vor Zurückweisung nur die immer gleichen Biere brauen darf. Wie es anders geht, zeigt die Salzburger Stiegl Brauerei. Wir haben mit Kreativbraumeister Markus Trinker über Rosamunde, Ginder und das größte Glück des Brauers gesprochen.

Die Stiegl-Brauerei in Salzburg ist alt. Wirklich richtig alt. Gegründet 1492. Zur Erinnerung: Das ist das gleiche Jahr in dem Christoph Kolumbus vor der Karibikküste seine Anker auswarf. Auf diese Tradition darf man stolz sein und ein wenig zelebriert die Salzburger Brauerei das auch. Sie lässt zum Beispiel ihr Bier in der Salzburger Innenstadt jeden Tag mit der Kutsche ausliefern. Und klar, der Verkaufsschlager ist das Stiegl Goldbräu, ein Märzen.

Ein sanftes, rundes Bier von dem man immer noch eins und noch eins bestellen kann. Könnte. Denn dann würde man ganz schön was verpassen. Die Rosamunde zum Beispiel oder das Ginder, den Gipfelstürmer oder die Butterblume. Diese Biere sind allesamt das Werk von Kreativbraumeister Markus Trinker. Seit 2009 steht er in der Stiegl-Brauerei am Kessel und tüftelt an neuen Rezepten.

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Der Stiegl-Biergarten als ein Teil der Stiegl-Brauwelt in Salzburg. (Foto:CD)

Craft bei Stiegl

Moment. Seit 2009? Seit … zehn Jahren? Also lange bevor die Craft-Bier-Welle im deutschsprachigen Raum an Fahrt aufgenommen hatte. So ist es. Und es ging noch viel eher los. „Bereits 1995 wurde in der Brauwelt der Stieglbrauerei auf einem 10 hl Sudwerk Bier gebraut. Man versuchte sich schon damals an kreativen Bierkreationen wie Gewürz- und Fruchtbieren“, erzählt Markus Trinker.

Inzwischen braut das Team rund um Kreativbraumeister Trinker jährlich mehr als 12 verschiedene Bierstile wie z.B. 2 ganzjährige und sechs saisonale BIO-Hausbiere, die für jeweils zwei Monate erhältlich sind und auch in der Stiegl-Brauwelt frisch vom Fass ausgeschenkt werden. Einige kehren jedes Jahr wieder, wie zum Beispiel das Christkindl, ein obergäriges Honey-Amber-Ale, welches mit heimischen BIO-Honig gebraut wird. „Da wären viele Leute schon enttäuscht, wenn es das Bier mal nicht gäbe“, sagt Trinker. Andere Bierstile stehen wiederum nur ein einziges Mal auf auf dem Sudprogramm der Hausbrauerei und machen im Jahr darauf Platz für neue Kreationen.

Aber am Ende des Tages muss es einfach schmecken

Das aktuelle Hausbier heißt Rosamunde, eine Berliner Weiße, die während der Reifung mit Himbeerpüree versetzt worden ist. Mit fünf Prozent Alkoholgehalt kommt sie sogar etwas alkoholhaltiger daher als die traditionelle Berliner Variante. Aber ihre Säure ist so sanft, dass sogar Sauerbierskeptiker locker ein paar Gläser davon trinken wollen. Das ist Markus Trinker besonders wichtig. Die Drinkability, frei übersetzt mit Trinkbarkeit oder Geschmacksgefälligkeit. Es geht ihm nicht darum, das nächste extreme Bier zu brauen, was im Zweifel die Geschmacksknospen nicht kitzelt, sondern überfordert. Er will, trotz aller Experimente, seinen Kunden einfach richtig gutes, rundes, vielschichtiges Bier bieten.

Oft greift er dabei auch auf die Expertise anderer Berufsgruppen zurück. Zum Beispiel beim Ginder, einem Gin-Style IPA, dem Hausbier der Monate Mai und Juni 2019. „Ich trinke nicht nur gerne Bier, sondern auch wahnsinnig gerne Gin und dachte mir, dass diese Aromen sich auch wunderbar in einem IPA entfalten könnten“, erzählt der Braumeister.

Aber wie das funktioniert mit den Botanicals und den Kräuterauszügen, was außer Wacholder da überhaupt noch rein muss, um den typischen Gin-Geschmack zu erschaffen, davon hatte er keine Ahnung. Also tat er sich mit Peter Affenzeller zusammen, der in Österreich hauptsächlich Whisky brennt, aber auch einen Gin im Angebot hat.

Bier und Gin. Passt. (Foto: CD)

Einige Laborversuche und Tüfteleien in der Hausbrauerei später stand das Rezept. Dann kam der Tag der Premiere. „Das war ein ganz schöner Nervenkitzel“, erinnert er sich. War er zu weit gegangen oder gerade weit genug? Als er sah, wie die Gäste freudig an ihren Gläsern schnupperten, den ersten Schluck probierten, die Gläser schwenkten und immer neue Aromen wahrnahmen, wie sie das Bier richtig verkosteten und darüber diskutierten, da durchströmte ihn die allergrößte Freude. Denn: „Mein größtes Glück als Brauer ist die Wertschätzung der Kunden und die wurde beim Gewürz- und Kräuterbier Ginder ganz stark deutlich.“

Denn Stiegl bedeutet aber auch: Es ist für alle was dabei

Verkauft werden die Hausbiere nur in 0,75-Liter-Flaschen. Das macht sich einerseits gut in der gehobenen Gastro. Andererseits ist sich Trinker sicher, dass seine Biere sowieso am besten schmecken, wenn sie in geselliger Runde getrunken werden und dafür sind große Flaschen eben perfekt geeignet.

Alle Menschen wird er mit seinen Bierkreationen nicht erreichen, das weiß er auch. „Mein Vater ist stolz auf das, was ich mache, bevorzugt aber eher das Stiegl-Goldbräu oder das BIO-Paracelsus Zwickl“, sagt Markus Trinker. „So wie viele andere Bierliebhaber, die klassische Bierstile bevorzugen.  Es sei aber wichtig, Traditionen zu bewahren und nicht nur noch abgefahrene Sachen zu brauen. Eine Brauerei kann nicht allein mit Rosamunde und Ginder überleben. Aber ohne sie auch nicht. Tradition und Moderne passen ziemlich gut nebeneinander in die Stiegl-Brauerei.

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Hier lagern die guten Stöffchen… (Foto: CD)

Und apropros Tradition: Wer ein Bier trinken will, was schon viel älter ist als die Stiegl-Brauerei selbst, der wird bei Stiegl ebenfalls fündig. Das Ur-Bier wird gebraut aus alten Getreidesorten, die, so viel Zeit muss sein, auf dem Stiegl-Gut Wildshut selbst angebaut und gemälzt werden. Vom Feld in die Flasche quasi, Kreislaufwirtschaft zu Ende gedacht. Dazu kommen Datteln, Honig und Gewürze, anschließend reift der Sud in Tonamphoren. Das wird auch nicht das Lieblingsbier der Traditionalisten werden. Muss es auch nicht.

(Aufmacherbild: CD)