Brewdog Brewery

BREWDOG: Die Business-Punk-Brauer

Nina Anika Klotz

Mit viel Radau machten James Watt und Martin Dickie BrewDog zur berüchtigsten Craft Beer Brauerei der Welt. Und wurden dabei – aus Versehen – zu Geschäftsmännern an der Spitze eines Millionenunternehmens. Dabei sind sie im Herzen Punks.

Der Captain – so nennt er sich selbst, der Gründer, der CEO, der Chef von all dem – der Captain also sitzt auf dem allerletzten Hocker am Tresen, dem kurz vorm Klo. Ganz allein. Er hat ein Tasting Tray, ein Verkostungstablett, mit drei kleinen Gläsern Bier vor und einen Rollkoffer neben sich stehen. Und er sieht müde aus. Einerseits. Andererseits aber auch sehr busy. So wie er mit der Barchefin redet, das Bier verkostet – konzentriert, ernsthaft. Als wäre das sein Job.

Also: Ist es ja auch.

brewdog

In der BrewDog Bar Aberdeen. Wo man sich – laut Getränkekarte – anschnallen muss. (Fotos: Nina Anika Klotz)

Vor sieben Jahren hat James Watt gemeinsam mit seinem Kumpel aus Kindertagen, Martin Dickie, eine winzig kleine Brauerei in Nordostschottland gegründet. Einfach so, ein bisschen zum Spaß, ein bisschen um auszuprobieren, und wer weiß: ein bisschen vielleicht auch aus Protest. Gegen lauwarmes Real Ale und langweiliges Lager. Gegen Mainstream und irgendwie auch gegen ein Leben in der Norm. Kurz zuvor hatte er, damals 24 Jahre alt, seinen soliden Job als Junganwalt hingeschmissen. „Ich kam einfach nicht mit der Vorstellung klar, dass ich mich da jetzt einer Karriere hingeben sollte, für die ich nicht brenne“, sagt er. Danach jobbte er erst einmal auf dem Fischerboot seines Vaters auf der Nordsee. Dann wurde er Boss eines rasant expandierenden, international erfolgreichen, millionenschweren Unternehmens. Was er eigentlich gar nicht gerne so sieht.

Es geht um Bier. Nicht um Geld.

„Man wirft mir immer vor, ich sei ein geborener Unternehmer“, sagt Watt, „einer, der schon auf dem Spielplatz Geschäfte gemacht hat – was stimmt: Ich habe da Bilder von Haien an die anderen Kids vercheckt. Aber: BrewDog haben wir nicht gegründet, um damit Geld zu machen, sondern um die Leute so für Bier zu begeistern, wie wir selbst es sind.“

brewdog

Anfang 2013 nahmen Watt und Dickie ihre schicke, neue Brauerei in Ellon, etwa 40 Autominuten nördlich von Aberdeen und fast an der Nordseeküste, in Betrieb. (Fotos: Nina Anika Klotz)

Anfang Juni legte BrewDog einen aktuellen Unternehmensbericht vor. Wie schon seit Jahren ist und bleibt die Brauerei das am schnellsten wachsende Lebensmittelunternehmen Großbritanniens, machte 2013 einen Jahresumsatz von mehr als 18 Mio. Pfund, umgerechnet fast 23 Mio Euro, was einer Steigerung von – Achtung – 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Watts beschäftigt rund 300 Leute, braute im vergangenen Jahr 250.000 Hektoliter Bier und betreibt mittlerweile 18 Bars weltweit, in Aberdeen (die erste), London (die vermutlich wichtigste), Stockholm, Tokyo, Sao Paulo und irgendwann auch in Berlin. „Definitiv unser Ziel für Sommer 2014. Da machen wir in Berlin auf. Kannst du so in deinen Kalender eintragen“, sagt der Captain.

Und jetzt sitzt er also hier, der versehentliche Chef eines großen Erfolgsunternehmens und sieht müde aus. Die Bar in Camden sei nur ein Stopp zwischen zwei Flügen, sagt er, gleich muss er weiter, der Geschäftsmann, der eigentlich keiner sein will. Eher will Watt Punk sein. Ein Beer-Punk. Wie konnte das also passieren? Wie konnte aus den beiden Jungs, die 2007 noch von Hand abgefülltes Bier auf dem Wochenmarkt von Aberdeen verkauften, eine der berühmtberüchtigsten Craft Breweries der Welt werden? Damals hatten sie nicht viel mehr als einen blau-weiß gestreiften kleinen Stand, vor dem ein großer Hund namens Bracken saß. Deshalb übrigens auch BrewDOG. Ist leider 2012 verstorben. Sein welpiger Nachfolger heißt Simcoe.

BrewDog – Businesslektion, die wahrhaft Gold wert ist: Klappern gehört zum Handwerk

Vor allem natürlich wurde BrewDog, was es heute ist, weil James Watt und Martin Dickie verdammt gutes Bier brauen. Michael Jackson, Biertester und Autor mit Weltruhm, habe ihnen das kurz vor seinem Ableben bestätigt, sagt Watt. Martin Dickie hat das ja auch gelernt, das Biermachen. Watt selbst nicht: „Am Anfang war ich ein solcher Amateur, einmal habe ich meinen Schlüsselbund und mein Handy in den Braukessel fallen lassen und einen ganzen Sud Punk IPA zerstört“, erzählt er. Damals machten die beiden noch alles selber, Brauen, Vertrieb, Marketing, Logistik. Angestellte hätten sie sich ja nicht leisten können, sagt Watt, und einen Bankkredit wollten sie nicht aufnehmen. Stattdessen hatte er, und das ist sicherlich ein zweiter Teil ihres Erfolges, die Idee zu „Equity for Punk“, einer Art Crowdfunding- oder Beteiligungsmodell: Leute konnten sich Anteile an der Brauerei kaufen und erhielten dafür lebenslangen Rabatt auf BrewDog Bier, laut Motto „Beer for Punks“. In einer ersten Runde kamen so binnen zwei Tagen eine halbe Million Pfund zusammen, bei einer zweiten Runde 2011 fast ebenso schnell 2,2 Mio. Dann fingen Watt und Dickie an, eine schicke, große und neue Brauerei in Ellon, Schottland, zu bauen und mit ihren Franchise-Bars zu expandieren, die sie auch wiederum bekannter und damit größer und größer machten.

brewdog

Der Krake (ganz links) und der Brauer John Allen (ganz rechts) posieren in gleicher Pose. Teil der Corporate Identity, vielleicht. (Fotos: Nina Anika Klotz)

Nicht zuletzt sind aber freilich die dreist-genialen, krass-schlauen, bedacht-witzigen Marketing- und PR-Stunts von BrewDog der Schlüssel ihres Erfolgs: Ganz früh schon machten die Schotten zumindest in Beer-Geek-Kreisen von sich Reden, weil sie das stärkste Bier der Welt brauten. (Und überboten wurden. Nachlegten. Überboten wurden. Und wieder nachlegten.) Als sie in der Vorweihnachtszeit mit einem Panzer durch London fuhren, staunten allerdings auch Nicht-Biertrinker. Sie brauten ein Bier unter Wasser und füllten ein anderes in ausgestopften Eichhörnchen ab – das alles sind Sachen, mit denen man natürlich auf sich aufmerksam macht. Auch die TV-Shows in England und aktuell sogar in den USA tragen zum immensen Erfolg der Schotten bei.

Jetzt aber noch mal: Was ist denn nun eigentlich mit Deutschland und dieser Bar in Berlin? „Wir haben im Sommer 2013 angefangen nach einer Location zu suchen. Berlin ist schon der richtige Ort, eine deutsche Craft Beer Revolution zu starten“, so Watt. Gefunden habe man auch schon etwas: 150 Quadratmeter in Friedrichshain. „It’s going to be epic.“ Sagt er. Dann. Wenn’s soweit ist.

Brewdog Brewery

Nochmal: Die Brewdog Chefs. Martin Dickie, links, und James Watt, rechts. Oder andersherum. (Foto: PR)

 

(Mehr? OK: Eine ausführliche Reportage über einen Besuch bei BrewDog in Schottland ist in EFFILEE 2/13 erschienen)

______________________________________

  • BrewDog 
    Martin Dickie und James Watt, Ellon, Schottland
  • Bekannteste Biere: 
    Punk IPA, 5 AM Saint – Amber Ale, Dead Pony Club – Californian Pale Ale