Überquell

ÜBERQUELL: Weil’s zusammen passt

Nina Anika KlotzIm Portrait

Bewährte Kombo: Pizza und Bier. Ebenfalls bewährte Kombo: Axel Ohm und Patrick Rüther. Zusammen haben die beiden schon das Alte Mädchen in Hamburg geprägt, jetzt eröffnen sie eine eigene Brauerei, direkt an der Elbe und mit angeschlossener Pizzeria – das Überquell. Pizzabäckerin und Braumeister stehen schon bereit.

Da, wo Hamburg am Hamburgischsten ist, zwischen Fischmarkt und Landungsbrücken, zwischen Musical-liebenden Hafentouristen und Häuser-besetzenden Alt-Punks, genau da bayert es jetzt. Aber gscheit.

Tobias Hess steht in dem, was einmal seine Brauerei wird, und erzählt in schönstem Bayern-Bayerisch, wie er, das gstandne Mannsbuid vom Chiemsee, hier gelandet ist. Es ist eine sehr lange, höchst erstaunliche Geschichte. Die von Anfang an auch nicht einem einzigen Vorurteil entsprechen will.

Aber bevor man dem Tobi und den Abenteuern seiner achtjährigen Reise um die Welt lauscht, kurz, warum er jetzt und hier auf einer Baustelle am Hamburger Hafen herum steht, ein Braukon-Monteurs-Fahrzeug vor der Tür und sogar schon sechs silberne Tanks hinter ihm, die ahnen lassen, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis hier in den „Riverkasematten“, so heißt das alte, langgezogene und zwischen Kaimauer und Hafenstraße gedrängte Gebäude, das mal Luftschutzbunker und mal mieser Möchte-Schicki-Laden war, Bier gebraut wird.

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Wir machen das: Patrick Rüther (l.) und Axel Ohm sind die Gründer des Überquell in Hamburg. (Foto: NAK)

Das Prinzip Craft

Vor ein paar Monaten beschlossen die Hamburger Patrick Rüther, Gastro-Experte, und Axel Ohm, Craft-Beer-Versteher, genau hier eine großgedachte, wagemutige Craft-Beer-Gastro-Unternehmung zu starten. ÜberQuell soll das alles heißen und etwas ganz neues, nie da gewesenes wird es sein: Ein Brewpub-Pizzeria-Craft-Beer-Bar-Brauerei-Kombinat. Original Neapolitanische Steinofenpizza und vor Ort gebraute, besondere Biere. Weil die Kombination Pizza und Bier nicht nur ein erprobter Klassiker, sondern auch im Prinzip Craft vereint ist: „Es ist der gleiche Mechanismus: Ein gutes Produkt ist zum Massen-, zum Allerweltsprodukt verkommen“, sagt Patrick Rüther. Von Pizza zu Tiefkühl und Bringdienst, von Bier zu Supermarkt und Großkonzernen. Und dann kommt der Zeitgeist und lässt das gute Original wieder aufleben, das Ursprüngliche und das Handwerk hinter Pizza und Bier.

Wie Rüther und Ohm auf solche Ideen kommen? Sie kennen sich nun seit einigen Jahren, in denen sie bereits sehr erfolgreich Gutes-Essen-und-gutes-Bier-Projekte vorangetrieben haben: Zusammen waren sie für das „Alte Mädchen“ im Hamburger Schanzenviertel verantwortlich. Dann aber kam es „zur Scheidung“, wie sie es nennen, zu Scheidung vom Unternehmen Nordmann, der Ratsherrn-Mutter, die das Alte Mädchen nun allein weitermacht. Und Rüther und Ohm beschließen, etwas neues, eigenes in Sachen Craft Beer und Essen in Hamburg zu starten.

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Bald wird hier Bier gebraut. Bald! (Foto: NAK)

Schicke Schäumchen kann jeder

Das Problem ist allerdings, dass keiner von beiden brauen kann. Lernen? Ach, nein. Wird man ja auch nicht jünger. Also: Braumeister suchen. Schwierig. Vor allem, wenn man will, was sie wollen: „Wir haben nach jemandem gesucht, der gelernt hat, deutsch zu brauen, aber nicht deutsch denkt“, sagt Ohm. Das sei ein bisschen so wie mit der Sterneküche: Schicke Schäumchen kochen, das kann jeder, aber die richtig guten Bratkartoffeln, die sind die wirkliche Kunst. Bratkartoffeln kennt nämlich auch jeder Gast, da kann jeder vergleichen und urteilen: So gut wie bei Muttern oder nicht? Ähnlich sehen sie es beim Bier: Ihr Brauer sollte richtig gut Helles brauen können. Pils. Märzen. Solche Sachen. Überhopfte und vollgestopfte Betör- und Blender-IPAs sind zu easy. Trotzdem passt hier nach St-Pauli natürlich kein bierdimpfeliger Engstirner.

Und dann fanden sie Tobi. Im Internet. Wo man Gutes heutzutage eben findet. Einer, der in Landbrauereien, in Weihenstephan und bei Doemens deutsch brauen gelernt hat, mit Meisterbrief und allem drum und dran, nachdem er erst als Zimmerer und später als Landschaftsgärtner gearbeitet hat, bis er fand, Dinge „nicht nur mit den Händen, sondern auch mit dem Geiste“ schaffen zu wollen. Dann lernt er, nicht-deutsch zu denken, in Russland, Belize, Uganda und Mexiko. Da war er nämlich wirklich überall.

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Ist ja schon fast alles da… (Foto: NAK)

In knapp acht Jahren um die Welt

„Belize ist ein kleines Land mit einer einzigen ausgewachsenen Brauerei“, erzählt er, „die sich aus Prestige-Gründen stets zwei deutsche Braumeister geleistet hat.“ So wird er „plant manager“ mit fast 80 Leuten, die für ihn arbeiten, und macht das zweieinhalb Jahre, bevor er weiter zieht nach Afrika. „Das ist so, wenn man als deutscher Braumeister bereit ist, zu reisen und weit weg zu gehen, weil man halt jung ist und noch keine Familie hat, dann ist das ein meistens Selbstläufer. Bei mir war das jedenfalls so.“ Noch in Uganda ruft ihn eines Nachts der Chef von Cerveza Minerva an, Mexikos führender Craft Brauerei, und fragt, ob er nicht bei ihm brauen möchte. Macht er, mehr als zwei Jahre lang, braut alles vom World Beer Cup dekorierten Pale Ale über „White Stouts“ und ITAs, Imperial Tequila Ales, macht wilde Sachen mit Schokolade und Früchten, der Braumeister aus dem Chiemgau. Bis er dann, eines Tages, auf Heimaturlaub in Bayern eine alte Liebe wieder trifft. Nach 21 Jahren. Und die haut den fast-zwei-Meter-Mann um und er beschließt, nach Hause zurückzukehren. Wobei: Zuhause am Chiemsee, das hilft irgendwie nicht. Die Ex-und-Wieder-Freundin aus dem Nachbardorf war mittlerweile nach Stade gezogen im Alten Land bei… Hamburg.

Axel Ohm nennt es „das Etwas zwischen Himmel und Erde“, an das er eben glaubt, und dem er es zu verdanken habe, dass der weltreisende Braumeister aus Oberbayern Ende 2016 nach einem Job im Norden Deutschlands sucht – just als er und Patrick Rüther anfangen, nach einem Braumeister für ihre Brauerei in Hamburg zu fahnden. Und so finden sie sich. Und es passt. Noch ein paar Wochen, dann geht es richtig los.

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Herzstück des Gastraumes wird ein meterlager Tisch, an den 30 Leute passen. Fremde! Nebeneinander! An einem Tisch! In Hamburg! Das ist in der Tat sensationell mutig.
Und toll. (Foto: NAK)

12 Hähne, 200 Gäste – und go!

Ab Mitte Mai soll die Gastro des Überquell eröffnen, Mitte Juni läuft die 15-Hektoliter-Brauanlage, Ende Juni wird das erste, eigene Bier ausgeschenkt. Ein norddeutsches Lager – „In Bayern würde man vermutlich Pils dazu sagen“, so der Braumeister – ein Pale Ale, IPA, White IPA und ein IPL sind als Standards für den Anfang geplant. Dazu kommen reichlich Ideen für „Monthlys“ und „Seasonals“, am Anfang werden es ein bis zwei monatliche Spezial- und Sondersude sein. Ein Drittel allen Bieres planen Rüther und Ohm in den Riverkasematten selbst auszuschenken, an die 200 Gäste, die hier reinpassen, in den Barbereich, den Speiseraum mit den zwölf Zapfhähnen an der Wand und draußen, in den Biergarten mit Blick auf die Elbfrachter. Zwei Drittel gehen an befreundete Gastronomen. Flaschen werden vor Ort erst einmal keine abgefüllt.

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Die Küchenchefin Yasmin Ambo Masse vor ihren beiden Pizza Öfen im Überquell. (Foto:NAK)

Wasser, Mehl, Hefe – Liebe und Zeit

Die Pizzen dazu backt Yasmin Ambo Masse. Die kennt das Team Rüther/Ohm schon aus dem Alten Mädchen, wo die gelernte Köchin das Brot gebacken hat. Brot oder vielmehr Teig, das sei ihre Leidenschaft, sagt sie, die als Patissière auch schon im Sternerestaurant Süllberg gearbeitet hat. Mit Brot ist es ja auch so: Vom Handwerk zum Massenprodukt und wieder zurück. Ambo Masse hat sich nun lange mit dem perfekten Teig für die Pizza im Überquell beschäftigt. Ist schwierig, denn was ist schon drin in so einem Pizza-Teig? Mehl halt. Wasser. Hefe und bisschen Salz. „Liebe und Zeit“, verrät sie Küchenchefin, das sind die Geheimzutaten, die den Unterschied machen. 72 Stunden darf ihr Teig gemächlich reifen, bevor er dann bei 480 Grad im Ofen nur für Minuten gebacken wird.

Nur so schmecken Pizzen dann wie im Süden Italiens. Auch hier, unter norddeutschem Betonhimmel, am Hafen. Und dazu Bier vom bayerischen Brauer. So bunt kann Hamburg da, wo’s am hamburgischsten ist, nämlich sein.