Berlin Bier Shop

BERLINER BIER SHOP: Starten ist einfach. Bleiben schwer.

Nina Anika Klotz

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Eine Übersicht zu sämtlichen Craft Beer Shops Berlin hier.
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Der Berliner Wein- und Bierhändler Rainer Wallisser vom Berlin Bier Shop schreibt, was neue Craft Beer Macher beachten sollten, wenn sie nicht nur mit einem neuen Bier auf den Markt kommen, sondern sich da auch behaupten wollen. Das ist nämlich gar nicht so einfach

Rainer Wallisser betreibt mit dem Berlin Bier Shop einen tadellos gut sortierten Craft Beer Laden ganz in der Nähe des Schloss Bellevue. Sämtliche deutsche Craft Beer Marken, belgisches, holländisches, amerikanisches und englisches Bier und er hat – das  muss aber bitteschön unter uns bleiben– einen ganz famosen Raritäten-Keller. Die Hälfte des Geschäfts allerdings steht voller Wein. Damit hat alles angefangen, Anfang der Achtziger: „Das war die Zeit, in der man jedes Wochenende auf einer Demo gegen Atomraketen war und ans Aussteigen dachte“, erzählt der Mann aus Heilbronn. Damals machte er ein landwirtschaftliches Praktikum in Italien, später eine Ausbildung im Weinbau. Anschließend studierte er Geschichte des Essens und Trinkens an der Universität Tübingen. Eine Zeit lang schrieb Rainer Wallisser dann für Tageszeitungen und Magazine über Wein, bis er nach Berlin zog und Weinhändler wurde.  Zum Bier, Craft Beer, kam er – dieses Leben liest sich wie eine ganze Getränkekarte – über Sake. Während eines Sake-Sommelier-Kurses  in Kaliforniern 2008 entdeckte er die besonderen, besseren Biere da drüben und fing an, ein paar davon in sein Sortiment in Berlin aufzunehmen. „Die ersten Jahre ist das nur so vor sich hingedümpelt, wir mussten viel unter Preis verkaufen, verschenken und zig Mal haben wir überlegt, wieder aufzuhören. Mit jeder Flasche Wein, die ich an den Platz des Bieres gestellt hätte, hätte ich mehr verdienen können.“ Seit zwei Jahren ist das anders.  Seit dem geht sein Craft Beer gut und seit dem klopfen alle Nase lang Neu-Brauer bei Rainer Wallisser an, weil sie gern mit ihren Flaschen in seine Regale wollen. „Das erste Bier einer neuen Craft Beer Marke verkauft sich eigentlich immer“, sagt der Händler. Die Craft Beer Kundschaft interessiert sich immer für Neues. „Spannend ist aber, was danach passiert.“ Hier erzählt er von seinen Erfahrungen und hat ein paar wertvolle Empfehlungen für junge Craft Brewer, die auch ihr zweites Bier an den Mann bringen wollen:

So erfreulich die Entwicklungen im Bereich Craft Beer in Deutschland auch sind – eines vorweg: Es ist nicht alles gut was unter dem Begriff Craft Beer angeboten wird. Grundsätzlich ist sogar eher Misstrauen angesagt, wenn der Begriff „Craft“ auf dem Label auftaucht. Manche wollen nur mitmischen, weil sie glauben, dass man da gerade Geld verdienen kann. Weil es cool ist. Aber hip allein reicht nicht.

Das allerwichtigste ist und bleibt (und das sollte eigentlich selbstverständlich sein), dass die Qualität stimmt. Es muss nicht mir schmecken, schließlich sollen es ja die Kunden kaufen und trinken, aber das Bier muss einwandfrei, muss spannend und innovativ sein. Nochmal: Craft Beer heißt nicht automatisch, dass das Bier gut ist. Es gibt gutes Craft Beer und es gibt schlechtes Craft Beer. Im Grunde beschreibt der Begriff Craft Beer eine Business Idee. Und zwar eine ziemlich gute. Ich sträube mich deshalb gegen den Terminus „Revolution“ – es handelt sich um eine sehr erfreuliche Erweiterung der Vielfalt. Nicht mehr, nicht weniger. Und gutes Bier gab es auch schon zuvor – wenn auch weniger. Nur hat sich früher kaum einer dafür interessiert.

Für mich als Händler ist es nie so leicht, ein Bier zu verkaufen, das noch keiner kennt, als eines, das bereits einen Namen hat. Dann kommt nämlich keiner hier rein und fragt: Haben Sie dies und jenes, sondern ich muss jede Flasche einzeln empfehlen. Für Biere mit den großen Namen zahlen die Leute gerne mehr, Namen wie Mikkeller und Brewdog lassen sich gut verkaufen. Auch bei den deutschen Crafts gibt es mittlerweile einige wenige, die wegen ihres Namens immer wieder nachgekauft werden, Hopfenstopfer, Braukunstkeller oder Fritz Ale bzw. Ale Mania, zum Beispiel.

Der Preis muss vernünftig sein

Bei den Newcomern ist es aber umso wichtiger, dass der Preis vernünftig ist. Hohe Preise für ein unbekanntes Produkt sind schwierig zu vermitteln. Dann wird das Bier oft nur einmal probiert. Die Craft Beer Interessierten sind ja glücklicherweise sehr neugierig. Manche kommen und fragen explizit: „Was gibt es Neues?“ Sie sind bereit, mal mehr Geld zu bezahlen, um etwas Neues auszuprobieren – aber eben nur einmal. Und auch nur für eine Flasche, niemals für eine Kiste. Viele kaufen Craft Beer als Geschenk, manchmal auch als Geschenk für sich selbst. Das soll dann schon eine ganz besondere Flasche sein. Aber dass im Fachhandel jemand von einer Sorte eine ganze Kiste kauft? Eher selten.

Berlin Bier Shop

Das Bier-Literatur-Regal und die leeren Flaschen garantieren: Der Chef hat Ahnung, wovon er spricht, wenn er über Bier redet. (Fotos: NAK)

Das habe ich auch aus meiner frühen Craft Beer Erfahrung gelernt: Ich rühre keine Palette mehr an. Nicht bei den Neuen. Bei einer Brauerei mit fünf, sechs verschiedenen Bieren, kann man das schon mal machen. Aber viele fangen mit nur einem oder zwei Bieren an. Logistisch sehr schwierig. Postversand ist zu teuer, das ist ein Posten, den man dann auch noch auf den Verkaufspreis rechnen muss. Derzeit ist die Lösung, dass die Brauer das Bier selbst bringen. Manches hole ich auch selber ab. Aber das kann beides nur eine vorübergehende Lösung sein. Think logistic!

Das ist beim Wein anders: Da gibt es Großhändler, bei denen man zwar auch oft eine Mindestanzahl zusammenstellen muss, aber da kann man sich ein Sortiment zusammenmischen aus 15 Weingütern und 60 Weinen. Außerdem hat Wein den Vorteil, dass da kein Haltbarkeitsdatum drauf ist. Bier mit einem halben Jahr Haltbarkeit oder weniger ist für den Einzelhandel meist ein Problem.

Jeder neue Craft Beer Brauer sollte sich auch überlegen, ob das Bierfachgeschäft der einzig richtige Platz für sein Bier ist. Und alle, die sich etabliert haben, sollten meines Erachtens nach versuchen in die Gastronomie zu kommen – und ins Ausland. Das machen manche ja auch schon, wer länger im Geschäft ist, verkauft auch ins Ausland. Weil man da ganz andere Preise bekommt. Und man sichert sich damit auch ab gegen die Großen, die die Preise hier in Deutschland irgendwann drücken werden. Man bekommt mittlerweile ein Störtebeker Atlantik Ale schon für 89 Cent. Das ist kein besonders gutes Bier, auch kein schlechtes, aber es ist eben das, was sich viele unter Craft Beer vorstellen: Ein bisschen was anderes für ein bisschen mehr Geld. Unter einem Euro ist ein guter Preis für die meisten, da kaufen sie auch mal Sixpacks. Damit haben die Großen den Preis gut getroffen. Braufactum (Radeberger) wird bereits günstiger, Köstritzer und Craft Werk (beide Bitburger) sind zwar als Craft umstritten, aber erschwinglich. Das können die sich – im Gegensatz zu den Kleinen – auch leisten. Sie haben neben den geringeren Produktionskosten eine bestehende Logistik, die haben teilweise den Getränkehandel im Unternehmen, sparen sich so Zwischenhändlerkosten, können sich Marketing leisten.

Newcomer-Checkliste: Label? Marketing? Regionalbezug?

Nicht nur für Craft Beer ist ein gutes Labeling wichtig. Viele Leute kaufen nach Etikett. Wenn das nicht passt, bleibt das Bier im Regal stehen. Das Label ist das erste, was die Leute sehen – wenn sie noch gar nichts über das Bier wissen. Außerdem ist ein cooles Produktmanagement Trumpf: Dazu gehört nicht nur der coole Braumeister, sondern vor allem eine gute Geschichte über die Brauerei und ihre Biere. Die macht den größten Unterschied zum „nur“ guten Bier. Craft Bier hat und braucht die besseren Geschichten. Aber bloß nicht ins Klischée-Blabla abdriften…

Und was auch immer läuft, ist Regionalität. Berlin zum Bespiel. Es gibt Leute, die kommen hier rein und wollen Craft Beer aus Berlin, egal welche Sorte, egal von wem, Hauptsache Berlin. Es wurde so viel darüber geschrieben, dass Berlin das Mekka sei, deshalb kommen sie hier her und wollen Bier aus Berlin. Wobei das auch nicht nur für Berlin gilt: Ich denke, alles was regional ist, hat Zukunft.

Meiner Erfahrung nach sind Collaboration-Brews imagemäßig eine gute Sache. Die sind Identität stiftend und vermitteln das „Wir-sind-alle-eine-große-Familie“-Gefühl. Diese Identität ist bei Craft Beer enorm wichtig. Das war schon zu Beginn der amerikanischen Craft Beer Bewegung so – die ersten Biere hießen Liberty, Samuel Adams und Sierra Nevada – alles Namen mit klarem Amerika-Bezug und gegen die Massen- und Importbiere. Es wird nicht einfach, für die deutschen Craft Brewer zu bestehen, wenn sie es nicht schaffen, eine loyale Fangemeinde für sich zusammmenzubringen.

Und nicht zuletzt müssen alle Craft Beer Brauer, die neuen wie die alten, viel, viel Enthusiasmus für ihre Sache mitbringen. Nur damit kann und wird es klappen.

Berlin Bier Shop

Bier gewinnt: Eigentlich war der Berlin Bier Shop einmal ein reiner Weinladen… (Foto:NAK)

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  • Berlin Bier Shop Inhaber: Rainer Wallisser, Kirchstraße 23, 10557 Berlin-Tiergarten