Der Bierumsatz geht weiter zurück – trotz Fußball-EM sogar im Juni, raunte es durch die deutsche Medienlandschaft. „Bier und Fußball, das gehört für viele Fans noch immer zusammen. Die Hoffnungen der Brauereien auf gute Geschäfte während der EM aber haben sich nicht erfüllt. Der Vergleich mit der Heim-WM 2006 fällt besonders ernüchternd aus“, schrieb etwa Spiegel Online. Wenn aber nicht einmal der Fußball den Bierabsatz steigern kann, was kann dann überhaupt noch die deutsche Bierkultur retten? Dieser Frage wollen wir in diesem Sommer nachgehen. Wir wollen dazu mit einigen Menschen aus der Branche sprechen – gewagte und weniger gewagte Thesen aufstellen, zum Nachdenken und Mitdiskutieren anregen.
Teil 1: Hören wir auf, Hektoliter-Zahlen zum Erfolgsmaßstab zu machen!
Neulich in einem Berliner Bierladen: Eine junge Frau sucht ein Bier für einen guten Freund, der behauptet, eigentlich alle Biere in Deutschland getrunken und das auch mit einer Biertasting-App dokumentiert zu haben. Sie entscheidet sich schließlich für ein Bier, das der Laden exklusiv für sich brauen lässt und das es nur an drei Orten in Berlin zu kaufen gibt. Der Freund lebt in Hamburg und war eine Ewigkeit nicht mehr in Berlin. Ja, das Bier ist perfekt.
Sie will schon zahlen, als sie innehält: Ihrem Freund auch ein Bier mitzubringen, wäre gut – nicht, dass der eifersüchtig wird. Tja, und was mag der Freund so? „Ach, er ist Ausländer, der ist experimentierfreudig“, sagt die Frau und nimmt ein überdurchschnittlich stark gehopftes Weizenbier von Weiher aus Franken mit. Dann fällt ihr Blick aufs strahlend gelbe Etikett von Heidenpeters Lemon Sour. Ein mittels Kesselsäuerung hergestelltes obergäriges Leichtbier, mit Citra hopfengestopft und mit Schalen von biologisch angebauten Zitronen veredelt. Das gefällt ihr. Aber jetzt: Zahlen, bitte!
„Ach, gäbe es doch nur mehr solche Frauen!“
„Ach, gäbe es doch nur mehr solche Frauen!“, wird der eine oder die andere in der Branche jetzt seufzen. Es gibt nämlich Super- und Getränkemärkte, da bekommt man für die Summe, die die junge Frau, ohne mit der Wimper zu zucken, zahlt, eine ganze Kiste Bier. Und an dieser Kiste Bier wird nicht so viel verdient (manchmal vielleicht, weil sie ein Lockangebot ist, sogar noch draufgelegt) wie an den drei Flaschen, die in diesem Fall im kleinen Bierladen über den Tresen gingen.
Was im Handel gilt, gilt auch für die Produzenten: Die Menge Bier, die eine Brauerei verkauft, sagt noch nicht zwingend etwas darüber aus, wie sie wirtschaftlich dasteht. Denn Umsatz ist ja nicht Gewinn. Es wäre in der Diskussion um die Krise der Bierbranche also erst einmal hilfreich, sich von Hektolitern als Erfolgsmaßstab zu lösen.
Wie können wir Bier in Wert setzen?
Wir sollten die Fragen also anders formulieren. Nicht: Wie viel Bier trinken die Menschen in Deutschland – und wie können wir sie dazu bringen, wieder größere Mengen in sich reinzuschütten? Sondern: Wie viel Geld sind Menschen in Deutschland bereit, für Bier auszugeben – und welches Bier ist ihnen womöglich etwas wert? Und das gerade in Zeiten der Krise, in denen sie eher zurückhaltend sind und genauer abwägen, wofür sie Geld ausgeben und wofür nicht. Daraus ergibt sich die Frage: Wie können wir Bier in Wert setzen? Anders formuliert: Wie schaffen wir es, dass Bier als etwas Wertvolles wahrgenommen wird, als etwas Besonderes, als etwas, auf das man nicht verzichten möchte?
Der Verdacht drängt sich auf: Wenn Helles, auf das jetzt die meisten Brauereien setzen, eine der wichtigsten Antworten auf die Krise der Bierbranche ist, dann haben viele die Frage nicht richtig verstanden. Denn dann wird statt Pils künftig eben mehr Helles verramscht. Es würde jedenfalls sehr wundern, wenn die deutschen Medien im kommenden Jahr Schnappatmung kriegen, weil Dank einer riesigen Auswahl an Hellem die Menschen wieder deutlich mehr Bier trinken und die Brauereien aufatmen.
Aber was könnten bessere Antworten sein? Lasst uns nachdenken! Lasst uns Ideen spinnen!
Wir sind gespannt auf Eure Gedanken. Mailt sie einfach an martin@hopfenhelden.de .
(Das Foto entstand bei Mama Kraft in Wien.)
(23. Juli 2024)