Bier-Krise: Und Belgien?

Martin Rolshausen

Der Bierumsatz geht weiter zurück – trotz Fußball-EM sogar im Juni, raunte es durch die deutsche Medienlandschaft. „Bier und Fußball, das gehört für viele Fans noch immer zusammen. Die Hoffnungen der Brauereien auf gute Geschäfte während der EM aber haben sich nicht erfüllt. Der Vergleich mit der Heim-WM 2006 fällt besonders ernüchternd aus“, schrieb etwa Spiegel Online. Wenn aber nicht einmal der Fußball den Bierabsatz steigern kann, was kann dann überhaupt noch die deutsche Bierkultur retten? Dieser Frage wollen wir in diesem Sommer nachgehen. Wir wollen dazu mit einigen Menschen aus der Branche sprechen – gewagte und weniger gewagte Thesen aufstellen, zum Nachdenken und Mitdiskutieren anregen.

„Hören wir auf, Hektoliter-Zahlen zum Erfolgsmaßstab zu machen!“, hieß es im ersten Teil dieser Reihe.

Teil 2: Der Blick zum „Wo Bier Weltkulturerbe ist“-Nachbarn

Es gibt Stress im Biersektor. Aufgrund rückläufiger Exporte und höherer Kosten geraten Brauereien unter Druck. Viele kleine Brauereien versuchen zu überleben, indem sie neue Märkte erschließen oder Investitionen aufschieben. Klingt nach einem der vielen Berichte aus deutschen und österreichischen Medien. Die Geschichte, in der es um die Krise einer für das Land wichtigen Branche geht, hat die belgische Zeitung „De Tijd“ veröffentlicht. Der belgische Biersektor befinde sich „seit Corona in einem Sturm, der in den letzten anderthalb Jahren immer schlimmer wurde“, heißt es da.

5,8 Prozent Rückgang

„Zwar stecken nicht alle Brauereien in der Krise, doch fast alle verzeichnen Umsatzrückgänge“ – haben die Kolleginnen und Kollegen festgestellt. Seit 20 Jahren schrumpfe der Bierabsatz in Belgien, doch im vergangenen Jahr ging der Bierausstoß auf einen Schlag um 5,8 Prozent zurück – das sei „dreimal schneller als normal“. „Wir haben das Äquivalent der Produktion von drei mittelgroßen Brauereien verloren“, zitiert „De Tijd“ Krishan Maudgal, den Direktor der „Belgian Brewers“.

Darüber hinaus gingen auch die Exporte im vergangenen Jahr erstmals deutlich zurück – nach Angaben der Außenhandelsagentur um 7,5 Prozent, außerhalb der Europäischen Union sogar um 22,2 Prozent. Ursache sei die hohe Inflation der letzten Jahre. „Während die Budgets der Verbraucher knapper werden, kämpfen die Brauereien mit deutlich gestiegenen Kosten für Rohstoffe und Personal. Sie waren gezwungen, ihre Preise zu erhöhen, was dazu führte, dass viele Kunden abwanderten – und die Erhöhungen reichten nicht einmal aus, um die gestiegenen Produktionskosten aufzufangen“, schreibt „De Tijd“.

36 Brauereien geschlossen

Auch das Wetter in Belgien sei nicht gut. „Der Sommer 2023 war nass und auch in diesem Jahr ist der Wettergott nicht gut zu den belgischen Brauern“, heißt es in dem Artikel. Die Folgen: Nach Angaben des Bierverbandes Zythos schlossen im vergangenen Jahr 36 Brauereien, 417 blieben übrig. Seit 2023 ist die Zahl der Brauereien rückläufig, nachdem sich ihre Zahl zwischen 2012 und 2022 verdreifacht hatte. Vor allem kleine Brauereien treffe es, insbesondere wenn sie stark auf den Export ausgerichtet sind. „De Struise Brouwers“, eine kleine Brauerei in Flandern, verkauft laut „De Tijd“ 40 Prozent außerhalb der EU und 60 Prozent lokal, wobei man mit zum lokalen Markt zähle. Der Verkauf in wichtige Länder wie China, Japan und die USA sei völlig zum Erliegen gekommen.

Das Auslandsgeschäft habe bisher immer funktioniert, weil „seine Brauerei im Ausland durch ihr Nischenbier stärker hervorsticht als Brauereien mit gängigeren Bierstilen“, zitiert „De Tijd“ den Brauer. Und: „Dass unser Ergebnis stabil blieb, verdanken wir auch der Tatsache, dass wir die vor Corona geplanten Investitionen effektiv umgesetzt haben. Wir haben den Brauraum, die Filteranlage und einen Teil der Abfüllanlage renoviert. Dadurch sparen wir Kosten für Wasser und Strom.“

Einige Brauereien haben weiter Erfolg

Es gebe auch Brauereien, „die im Sturm scheinbar relativ unbeweglich bleiben und sich sogar verbessern“, schreibt „De Tijd“. Der Umsatz der Brouwerij Verhaeghe aus Vichte zum Beispiel sei im vergangenen Jahr um ein Prozent auf 3,9 Millionen Euro gestiegen. Der Gewinn wuchs um 70 Prozent auf 202.000 Euro. Die Brauerei ist bekannt für Duchesse de Bourgogne, ein saures Flanders Red. „Mittlerweile brauen wir jährlich 12.500 Hektoliter“, sagt Geschäftsführer Karl Verhaeghe. „Das sind kaum ein bis zwei Prozent weniger als vor Corona.“ Auch Verhaeghe richte seinen Blick zunehmend auf europäische Länder. Einfach sei das nicht, denn: „Die Niederländer denken, unser Bier sei zu sauer. Für die Franzosen und Italiener sind wir zu teuer. Für uns wird es umso einfacher, je weiter wir von zu Hause weg sind.“ In Skandinavien, einer Region, in der man es gewohnt ist, dass Alkohol nicht billig ist, ziehen die Umsätze dagegen an.

Was können wir daraus für Schlüsse ziehen, wenn es um die Krise des Biermarkts hierzulande geht? Lasst uns nachdenken! Lasst uns Ideen spinnen!

Wir sind gespannt auf Eure Gedanken. Mailt sie einfach an martin@hopfenhelden.de .

(Das Foto entstand in einem Bierladen in Brüssel. Foto: Martin Rolshausen)

(25. Juli 2024)