Frank Böer

BRAUKUNST LIVE: Herz und Hirn

Nina Anika Klotz

Mit der Braukunst Live hat Frank Böer das wohl wichtigste Event der jungen deutschen Craft Beer Szene ins Leben gerufen. Und warum? Weil er ein Aficionado ist, der für gute Getränke brennt. Und Geschäftsmann.

Eigentlich ist Frank Böer ein bisschen wie sein Münchner Büro: So und so. Zum einen ist das Büro ein Büro: Schreibtische, PCs, Regale voller Ordner. Zum anderen ist es aber auch eine Art Männer-Wohnzimmer: Box Sack, Feuerstelle, Ledercouchen und ein ganzer Kühlschrank voller Bier. „Wir haben auch Whisky, alle möglichen Sorten, was du magst – alles da“, sagt Böer als er sich in der Quasi-Chill-Out-Lounge, einer selbstgebauten Galerie, setzt und  eine Zigarette anzündet. Es ist halb Sieben, für die meisten Feierabend. Unten fährt Böers Lebensgefährtin gerade den Rechner hoch und fängt an, zu arbeiten. Nach ihrem Day-Job als Controlerin managt sie nachts Böers Buchhaltung. Er wisse sehr wohl, was er dieser, „seiner Lady“ alles zu verdanken habe, sagt Frank Böer ganz zärtlich für so einen Biker-Typen.

So und so eben: Wenn man mit Frank Böer über seine Unternehmen spricht, klingt er einerseits zurecht stolz auf seinen Erfolg, andererseits ist er auch wahnsinnig bescheiden. Einerseits brennt Böer für die Produkte, die er vertritt, gutes Bier und hochwertige Spirituosen, anderseits sagt er aber schon auch ehrlich, dass es ihm durchaus um das Geschäft mit beidem geht. „Mein Ziel ist, dass, wenn die Bierszene in zehn Jahren zurückschaut, sie über mich sagt, dass meine Veranstaltung einen ganz entscheidenden Beitrag geleistete hat zum Aufbau eines Spezialitätenmarktes. Nicht nur einer Kultur, sondern eines Marktes.“

Auf der Braukunst Live ist die Szene komplett vertreten

In diesem Jahr veranstaltet Frank Böer zum dritten Mal die Braukunst Live, die – das kann man wohl so sagen, auch ohne das empirisch an irgendetwas festmachen zu können – wichtigste Verbrauchermesse, wenn nicht überhaupt das wichtigste Event, für die deutsche Craft Beer Szene. Drei Tage lang treffen sich in München nahezu alle deutschen Craft Beer Macher plus etliche Brauer aus dem Ausland und stellen ihre Biere vor: Leuten aus der Gastro, der Branche und vor allem Leuten, die ihr Craft Beer mögen. Oder gerade anfangen, sich dafür zu interessieren.

Eigentlich hat Böer Politik an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert, war dann ein paar Jahre Unternehmensberater. 2008 gründete er die Finest Spirits, ein Premium-Spirituosenfestival. „Jim Murray, der Papst der Whisky-Szene, hat 2009 zu mir gesagt: ‚In fünf Jahren machst du mehr als eine Veranstaltung.‘ Ich wusste aber nie so genau, wie. Nur, dass das gut wäre. Denn bis dato hatte ich nur ein Festival und damit  ‚all eggs in one basket‘ – was immer gefährlich ist“, sagt Böer, der Unternehmer, auf der einen Seite, Ehrenmitglied der Scotch Malt Whisky Society auf der anderen Seite.

Braukunst Live 2013

So schaut’s aus: Bilder von der Braukunst Live 2013 (Fotos: Stefan Peters)

Die Lösung für diese Frage fand er unverhofft. Auch wenn sich das jetzt vielleicht „Scheiß marketingmäßig“ anhört, sagt er: „Im August 2010 bin ich auf dem Weg zu einem Geschäftstermin vom Gärtnerplatz zum Viktualienmarkt gegangen und sehe die Leute im Biergarten da mit ihren Maßen sitzen. Da hat es mich wie ein Blitz getroffen: Eine Finest Spirits – für Bier! Ein reines Verkostungsfestival – für Bier!“ Nach einem bisschen Rumgooglen und Weiterdenken wurde Böer plötzlich klar, dass er „einen Goldbarren“ gefunden hatte, „der an einem verkaufsoffenen Samstag mitten in der Münchner Fußgängerzone lag, aber keine hebt ihn auf.“ Eigentlich sei es ja nur logisch gewesen, eine solche Veranstaltung zu machen. Es gibt Spezialitätenfestivals für Käse, Schokolade, Wein – aber nicht für Bier? In München? Welthauptstadt und so weiter?

Im April 2012 fand die Braukunst Live zum ersten Mal in München statt. Damals habe er schon viel, beim zweiten Mal 2013 noch viel mehr richtig gemacht, sagt Böer. Der gehobene Eintrittspreis (20 Euro/Tag), die Degustationsgläser, Bier in 0,1l auszuschenken – alles um die Freibierfraktion draußen zu halten und die Gäste zu locken, die sich wirklich für das Produkt und seine Vielfalt interessieren. „Ich will ja Leute, die fünfzehn, zwanzig verschiedene Biere probieren und nicht nach drei satt oder gar betrunken nach Hause gehen!“ Welches Publikum kommt, könne man auch mit Werbung und durch die richtigen Kommunikationskanäle steuern. Denn die äußere „Verpackung“ einer Veranstaltung sendet bestimmte „Vibes“ aus, die ein bestimmtes Publikum ansprechen. „Unser Key-Visual zum Beispiel – manche sagen ‚der Guttenberg’ – der sendet ein emotionales Signal. Das spricht auch einige nicht an.“

Der richtige Typ am richtigen Ort zur richtigen Zeit

Er hat es geschafft, große und kleine Brauer in einen Raum zu bringen, das Timing hat gepasst, Deutschland wurde gerade reif für die neue Bierbewegung. „Und in genau dieser Situation ist offensichtlich dann der richtige Typ mit dem richtigen Background angetreten: Ich habe mir mit der Finest Spirits  meine Schulterklappen verdient und ich bin nicht aus dem Bierbereich: Hätte ich bei einer kleinen Brauerei gelernt, hätten die großen mich wahrscheinlich gar nicht ernst genommen, hätte ich bei einer großen gelernt, hätten die kleinen nicht mit mir geredet. Aber so kam da einer aus dem nirgendwo, der für so ein Projekt genau die richtige Erfahrung hatte.“

Beim zweiten Mal sei es „unendlich viel leichter“ gewesen, Aussteller zu gewinnen, die wiederum von sich aus für die Veranstaltung geworben haben. „Wir haben sehr begrenzte Werbemittel – und das hat unsere Reichweite sehr verlängert“-  und die Veranstaltung profitabler gemacht, sagt Böer. „Jetzt sind wir im grünen Bereich. Finanziell. Aber wir sind immer noch wie ein alter Amischlitten, der 25 Liter Super auf 100 km braucht und den wir jetzt auf 5 Liter runterbringen müssen. Doch genau darin liegt eben jetzt mein Job und meine Kunst.“ Frank Böer zündet sich noch eine Zigarette an, unten hört man „die Lady“ leise tippen. Der Unternehmer lächelt. „Die betriebswirtschaftliche Seite einer Spezialitätenveranstaltung mit ihren begrenzten Budgets ist immer so eine interne Sache, die den Veranstalter morgens um Drei wenn er nicht schlafen kann in seinem Herzen und seinem Kopf bewegt.“ Vordergründig und bei Tag geht es auf der Braukunst Live vor allem um eins: gutes Bier. Auch in diesem Jahr.

Braukunst Live 2013. (Fotos: Stefan Peters)

Und so schaut’s auch aus: Braukunst Live 2013. (Fotos: Stefan Peters)