WILDWUCHS BRAUWERK: Made in Hamburg. With love.

Nina Anika KlotzIm Portrait

 

Fiete Matthies, eine Hälfte des Gründungsteams der Kreativbrauerei Kehrwieder, macht nun sein ganz, eigenes Craft Beer Projekt Wildwuchs Brauwerk und hat sich dafür eine halbe Brauerei gemietet

Stehen ein Arzt, ein Jurist und ein Wirtschaftsinformatiker an der Abfüllanlage.

So fangen vermutlich die besten Brauerwitze an.

Im Fall von Fiete Matthies ist das aber kein Witz. Der junge Brauer aus Hamburg hat vier Brüder, von denen einer Arzt, einer Jurist und einer Wirtschaftsinformatiker ist und alle stehen mit ihm an diesem kalten Samstag Vormittag um die Abfüllanlage in einer kleinen Hausbrauerei in Bleckede an der Elbe und schauen zu, wie Fiete tüftelt. Will noch nicht so recht, die olle Maschine. Ist ja auch ihr erster, richtig großer Einsatz hier. Muss man noch so ein paar Sachen zurechtfummeln.

Bleckeder Arbeitsteilung

Fiete Matthies, der eigentlich Friedrich heißt, hat eine nicht besonders schicke Plastikschutzbrille zum ziemlich schicken Elbsegler auf. Dazu ein dunkelblauer Mantel, breite Schultern, Arbeitshosen – ja, doch, sehr hamburgisch, das Ganze. Wie immer und überall auf der Welt ist da nun der eine, der arbeitet, während die anderen Männern drum herum zuschauen. Und ab und an einen schlauen Tipp haben. Wobei – schlau…. „Vom Fach sind die nur, was das Trinken angeht“, sagt Fiete, „nicht das Bier Produzieren.“

Und trotzdem ist er froh, dass er auf seine Brüder zählen kann. Im August 2014 fing er an im Bleckeder Brauhaus sein „Wildwuchs Brauwerk“ Bier zu brauen. Zuerst hat er Fässer abgefüllt, jetzt fängt die Flaschenabfüllung an. Wahnwitzig viel Arbeit, für die man eben Unterstützung braucht. „Jetzt beim ersten Mal Füllen war es eigentlich ganz leicht, die zu überreden, mir zu helfen“, sagt Fiete. „Das erste Mal ist ja spannend, da waren die alle noch neugierig.“ Wie das dann in Zukunft wird, sei interessanter. Irgendwann zieht Freibier allein ja auch nicht mehr.

Im Moment geht das aber noch. Das Brauhaus sieht aus wie aus dem Bilderbuch. Große, hölzerne Scheunentore, der Boden dunkel gefließt, glänzende Edelstahltanks, alte Industrieleuchten an der Decke. Es riecht- wenig erstaunlich – nach Bierschaum. Der Wirtschaftsinformatiker und der Arzt lächeln beseelt, als die Maschine endlich losrattert, immer wieder aber nicht ganz gefüllte Flaschen „Fastmoker Pils“ ausspuckt. „Die kann man so ja nicht verkaufen, die muss man austrinken“, freuen sie sich und legen mal los.

wildwuchs-brauwerk-pils

In drei der sieben Tanks in Bleckede wächst Wildes. (Foto: StP)

So. Fiete Matthies also, Fastmoker Pils, Wildwuchs, Bleckede, noch ein neuer Craft Beer Brauer aus Hamburg. Obwohl „neu“ ja nicht so ganz stimmt: Bis zum Sommer 2014 war Fiete Matthies noch ein Teil der Kreativbrauerei Kehrwieder. Gemeinsam mit Oliver Wesseloh hat er zwei Jahre als Gypsie Brewer gebraut. „Olli und ich hatten verschiedenen Gedankensweisen, wie es weitergehen sollte. Und dann haben wir gesagt, könnten wir uns besser trennen“, erzählt Fiete.

Neu und eigen: Das Wildwuchs Brauwerk

Also startete er sein eigenes Ding. Eine Craft Beer Brauerei sei es nicht, sagt er, weil der Begriff in Deutschland keinen Sinn mache. Er spricht von „handwerklich gebrautem Bier“, Bio-Bier, das sich „wie ein wilder Wuchs verbreiten soll“. Deshalb Wildwuchs Brauwerk. Den Namen hat sich auch einer der Brüder ausgedacht.

Das erste Wildwuchs-Bier, das auf den – bisher vor allem Hamburger – Markt kam, war ein Pils. „Das habe ich gemacht, weil…“ „Fiete, komm ma‘, schnell“ , ruft einer, vielleicht der Arzt, vielleicht der Jurist. Da blubbert und schäumt was an der Maschine. Der Brauer setzt die Plastikschutzbrille auf und rennt in die Brauerei.

Wildwuchs Brauwerk

Erst war er sich nicht ganz sicher. Dann fand er das Wildwuchs-Brauwerk-Logo doch ganz geil, erzählt Fiete. (Foto: StP)

Kurze Pause, dann weiter: „Das mit dem Pils habe ich ehrlich gesagt gemacht, um es besser verkaufen zu können.“ Er arbeitet nebenbei hinter der Bar im „Galopper des Jahres“, einer Art Craft Beer Bar im Hamburger Schanzenviertel, und weiß deshalb, wie viele Leute am Tresen sagen: „Ich hätte gern ein Pils“. „Dann kann ich jetzt antworten: Ok, ich habe zwei, ein kaltgehopftes, fruchtig herbes Pils – also meins – oder ein konventionelles norddeutsches Pils. Und dann sagen die Leute schnell: Dann gib mir mal das Neue“, erklärt der Brauer. „Außerdem weiß ich ja wie das ist: Wenn ich abends unterwegs bin und Bier trinke, dann probiere ich gern alles mögliche, aber am Schluss und zum Anfang trinke ich immer gerne ein Pils.“ Ja, ja, zwischen Leber und Milz passt doch immer noch ein Pils.

Das abgefahrene Wildwuchs Brauwerk Zeug kommt noch

Natürlich soll und wird es irgendwann auch mal ein Wildwuchs Brauwerk IPA geben, erzählt Fiete. Pale Ale will er auch mal machen. Und abgefahrenes Zeug. Was mit Tee vielleicht. Oder was ihm sonst noch so einfällt. Dafür müssen aber erst einmal noch ein paar neue Tanks her. Hier her. Nach Bleckede.

Bleckede ist eine 9000-Seelen-Gemeinde im Landkreis Lüneburg, 70 Kilometer südöstlich von Hamburg, elbaufwärts quasi. Hier konnte Fiete Matthies für sein Wildwuchs Brauwerk eine halbe Brauerei mieten. Ja: Halb. Insgesamt stehen im Bleckeder Brauhaus sieben Tanks, drei davon gehören jetzt dem Wildwuchs Brauwerk, den Rest befüllt weiter der Bleckeder Braumeister. Sie teilen sich Wasser-, Strom und sonstige Kosten. Die Hausbrauerei ist damit endlich ausgelastet, die Gäste des Wirtshaus freuen sich, dass da hinter dem Haus was los ist, man beim Brauen zuschauen kann und Matthies umging geschickt die hohen Anfangskosten für eigene Brauanlage. Ziemlich smarte Lösung eigentlich. „Finde ich auch“, sagt der Brauer und lacht.

 

Wildwuchs Brauwerk

Sicher ist sicher: Brauer Fiete hinter Plastik an der alten Abfüllanlage (Foto: StP)

Beim Finanzamt hätten sie ziemlich darüber gestaunt, erzählt er. Als er seine Biersteuer da abführen wollte und denen erklärt hat, dass er nur die halbe Brauerei gemietet hat. Lustige Geschichte eigentlich, würde er auch gern erzählen, aber er hat jetzt keine Zeit mehr. Drinnen rattert die Maschine wieder irgendwie komisch und die Brüder rufen: „Fiete! Kannst du mal…?“

So ist das halt, stehen da ein Arzt, ein Jurist und ein Wirtschaftsingenieur um eine Abfüllanlage.