Kreativbrauerei Kehrwieder

KREATIVBRAUEREI KEHRWIEDER: Scheiß auf das Schietwetter

Nina Anika Klotz

Oliver Wesseloh und Friedrich „Fiete“ Matthies von der Kreativbrauerei Kehrwieder haben aus freien Stücken ein Leben unter Palmen gegen den Hamburger Betonhimmel eingetauscht. Plemplem? Kein Stück. Die beiden hatten schließlich einen Traum

Da, wo anderer Leute Träume wahr werden, fing Oliver Wesseloh erst mit dem Träumen an.
Frühjahr 2007, Cayman Islands: Paradies für Steuerhinterzieher (hört man so) und Dicke-Hose-Urlaubsort für reiche Leute (steht in der Gala). Wesseloh ist keins von beidem, lebt aber trotzdem dort. Fast zwei Jahre ist er Braumeister in der Cayman Island Brewery. Geile Zeit, eigentlich: Immer Sonne, immer Sommer, er wohnt mit seiner Frau, eine Journalistin und Fotografin, in einer Anlage direkt am karibischen Meer, seine ältere Tochter lernt am Strand laufen und am Wochenende fährt Wesseloh mit Freunden zum Hochseefischen. So könnte es bleiben.
Und trotzdem: Manchmal, wenn er abends so am Strand sitzt und über den Ozean in Richtung Osten schaut, denkt Oliver Wesseloh, dass das alles zwar schön ist. Aber noch viel, viel schöner wäre es doch, wenn er irgendwann seine eigene Brauerei hätte. Zuhause. In seiner Heimatstadt Hamburg. Oder „Hamburch“, wie er als echter Hamburger natürlich sagt.

Kehrwieder eben: Hamburg – Cayman – Miami – Hamburg

Wie das so ist, kommt es zunächst aber erst einmal anders als sich der Braumeister das vor sechs Jahren so denkt: Wesseloh und seine Familie ziehen weiter nach Westen, er übernimmt einen Job als Engeneering & Sales Manager beim Anlagenbauer Ziemann mit Sitz in Miami, Florida. Ehrlich gesagt: Wieder eine geile Zeit. Er reist durch ganz Nordamerika und die Karibik und klappert diverse Craft Breweries ab. Auch die zweite Tochter darf statt im Großstadtsandkasten jeden Tag am Strand spielen. Und trotzdem sitzt der Hamburger auch hier ab und an am Meer und träumt von seiner eigenen Brauerei.

Bei einem Besuch in der Cayman Island Brewery erzählt Wesseloh seinem dortigen Nachfolger von diesem Traum. Und der findet das ziemlich witzig: Denn gerade erst hat er genau dasselbe schon mal  gehört. Ein Kommilitone an der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin träume das nämlich auch. Friedrich Matthies heißt der. Oder eigentlich Fiete. Auch Hamburger, auch den dringenden Wunsch, eine eigene Brauerei in Hamburg zu starten. Und auch mehr so in Richtung Craft Beer. Kreative Biere, könnte man vielleicht sagen.

Kreativbrauerei Kehrwieder

Elbe statt Mittelmeer: Diplombraumeister Friedrich „Fiete“ Matthies (Foto: Stefan Peters)

Wesseloh nimmt Kontakt mit diesem Typ auf und erwischt Fiete auf einem Segelboot Richtung Ibiza, bis eben war er noch als Brauer auf Menorca. Im November 2012 treffen sich Wesseloh und Matthies zum ersten Mal – im zugigen, ewig regnerischen Hamburg, wo der Himmel die meiste Zeit im Jahr aussieht, als sei er aus Beton. Aber wer braucht schon karibisches Wellenrauschen oder die Sonne Floridas, wenn er jemanden gefunden hat, mit dem er gemeinsame Sache machen kann. Die beiden fangen an, Bierrezepte zu entwickelt, Businesspläne zu schreiben und einen Ort für ihre Brauerei zu suchen. Die ersten zwei Punkte funktionieren super, letztes hingegen gar nicht. „Im Prinzip suchen wir ja nur eine Industriehalle, 200-300 Quadratmeter, 4,5 Meter Deckenhöhe und einen belastbaren Boden. Mit Abläufen, idealerweise“, sagt Wesseloh. Aber finde so etwas mal! Bezahlbar. In Hamburg.

„Wanderbrauer“ aus der Kreativbrauerei Kehrwieder

Um trotzdem nicht ewig nur Trockenübungen zu machen, brauen Matthies und Wesseloh im Januar 2013 ihr erstes gemeinsames Bier – gypsiestyle, zunächst bei Raekker Moelle in Skjern, Dänemark, dann im Fanø Bryghus, Mikrobrauerei auf einer Insel, wo schon so große Craft Brewer wie Mikkeller oder sein Zwillingsbruder („Evil Twin“) gebraut haben. Alle drei Wochen  sind Matthies und Wesseloh seitdem in Fanø, immer drei Tage am Stück, um ihre 1000 Liter Sud abzufüllen und den nächsten einzubrauen. Vier Sorten machen sie derzeit. Plus Sondereditionen. Versuche. Sachen wie das Bier namens „Feuchter Traum“. Mit frischem Hopfen, nicht getrocknet, gebraut, fünf Stunden nach der Ernte direkt.

Matthies’ und Wesselohs Traum wird immer wahrer, die Kreativbrauerei Kehrwieder fliegt. Schon ziemlich. „Nicht dass man davon leben kann“, sagt Wesseloh, aber so, dass kaum noch Zeit zum Leben bleibt. Spätestens seit Wesseloh im September dann auch noch die Weltmeisterschaft der Biersommeliers gewonnen hat, ist er fast nur noch auf Tour.

Andere würden da vielleicht vom einem entspannten Leben in der Karibik träumen, ganz chillig Hochseeangeln und Wellengucken und so. Aber das hatte Wesseloh ja schon.

Kreativbrauerei Kehrwieder Feuchter Traum

Wegen des nicht getrockneten Hopfens. Deshalb „Feuchter Traum“ (Foto: StP)

 

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Und wie es weiterging…
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Mitte 2014 gingen die beiden Gründer Oliver Wesseloh und Fiete Matthies getrennter Wege. Beider Zigeunerleben fand ein Ende, in Bleckede an der Elbe wurde eine Brauerei halbiert und das Wildwuchs Brauwerk entstand, während in Hamburg ausrangierte Milchtanks eine zweite Chance als Braukessel der Kreativbrauerei Kehrwiederer bekamen.
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  • Bekannteste Biere: 
    Prototyp, Shipas, Shipac