Der Hopfen muss sterben

Martin RolshausenBier, Im Gespräch, Im Portrait

Der Name wirkt morbid. Der Rabe, der über dem Schriftzug „Totenhopfen“ steht, auch. Auf den ersten Blick zumindest. Auf den zweiten Blick steht beides für Menschen, die das Leben feiern: Patricia Garbelini und Sérgio Leal. Na ja, sagt Patricia, eigentlich sei Leal nicht der ganze Name. Sérgio ist Portugiese – und deren Namen seien so elend lang, dass man sie sich kaum merken könne. Leal sei die unkomplizierte Version. Patricia ist Italienerin und Brasilianerin, ihr Unternehmen haben die beiden in Luxemburg gegründet, aber eigentlich hat alles in Wien angefangen – also die Sache mit dem Brauen.

Das war vor zehn Jahren. In Wien, erzählt Patricia, „waren wir in den Bereichen Online-Marketing/E-Commerce sowie IT-Projektmanagement tätig“. In der Stadt gab es damals schon eine spannende Craft-Beer-Szene. Und ziemlich schnell haben Patricia und Sérgio nicht nur gerne getrunken, was andere gebraut haben, sondern sind selbst zu Hobbybrauern geworden. Dann ging es beruflich nach Luxemburg. Dort war die Szene der Menschen, die kreative Biere mochten und auch selbst brauten, nicht so groß. Luxemburg ist zwar ein Großherzogtum, aber doch ziemlich klein. Im ganzen Land leben etwa 660.000 Menschen – das sind nicht halb so viele wie in Wien.

Der Rabe ist das „Wappentier“ von Totenhopfen.

„Die Szene in Luxemburg war erst am Anfang“, erinnert sich Patricia. „Die Luxemburger sind Lager-Trinker, auch wenn sie das Pils nennen“, erklärt sie. Sie und Sérgio wollten zusammen mit anderen neues Leben in die Luxemburger Bierlandschaft bringen. Der Plan war: „Wir müssen durch Events die Meinung der Leute ändern.“ Das sei teilweise gelungen. Es habe sich etwas verändert im Großherzogtum – von „Das trinke ich nicht“ hin zu „Lass mich mal probieren“. „Die Leute kommen jetzt mit offenem Kopf“, sagt Patricia. Seit 2019 organisiert ein gemeinnütziger Verein die „Luxembourg Craft Beer Celebration“. „Schmaacht et?“ nennt sich der Verein, was bedeutet: „Schmeckt es?“ Bereits zwei Jahre zuvor haben Patricia und Sergio das „Totenhopfen Brauhaus“ gegründet.

Totenhopfen – nein, sagt Patricia, der Name sei keine Anspielung auf die deutsche Band Totenhosen. „Es war ein Spiel zwischen Totenschädel und Hopfen. Totenhopfen – denn der Hopfen muss sterben, damit er durch das Bier wieder zum Leben erweckt werden kann. Wie beim Tag der Toten zelebrieren wir das Leben mit Freunden, Essen und gutem Bier“, erklärt sie.

Und der Rabe? Patricia wird auch hier poetisch: „In der nordischen Mythologie veranschaulicht der Rabe die Bedeutung von Wissen, Weisheit und Voraussicht. Die Raben flogen durch die neun Welten, sammelten Informationen und Neuigkeiten und kehrten dann zu Odin zurück, um das Gelernte zu teilen. Genau wie wir es tun. Wir nutzen das erlangte Wissen, um neue Biere zu kreieren und sie mit allen Bierliebhabern und Freunden zu teilen. Wie der Rabe bewahren auch wir unsere Gedanken und Erinnerungen an die wunderbaren Momente, die wir auf unseren Reisen in der Bierwelt erleben.“

Viele Zapfhähne – das ist für Totenhopfen auch auf Festivals wichtig. Foto: Martin Rolshausen

Zu sagen, dass Totenhopfen eine luxemburgische Brauerei ist, wäre allerdings falsch. Nicht nur, weil Sérgio und Patricia dort noch keine eigene Brauerei gebaut haben. „Wir waren von Anfang an international und sehr wenig in Luxemburg“, sagt Patricia. Totenhopfen braut derzeit in verschiedenen Brauereien in ganz Europa und „trägt so zum europäischen Projekt der Menschenvernetzung bei“, wie die beiden sagen. Totenhopfen ist eine europäische Brauerei. Und: „Wir bei Totenhopfen sind davon überzeugt, dass Craft Beer die Lebensqualität steigert. Es geht darum, Spaß zu haben, Menschen kennenzulernen, sich auszutauschen, Kontakte zu knüpfen und ständig herausgefordert und überrascht zu werden.“

Patricia und Sérgio brauen nicht nur überall in Europa, sie verkaufen ihr Bier auch in vielen Ländern der EU – unter anderem in Luxemburg, Frankreich, Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Portugal, Ungarn, Österreich, Bulgarien, der Slowakei und Litauen. In Luxemburg selbst haben sie jetzt einen Shop eröffnet. Da gibt es die eigenen Biere, aber auch die von befreundeten Brauern. „Hauptsache: gut!“, sagt Patricia. Das Ziel sei es aber schon, eine eigene Brauerei zu haben.

Design (hier auf Bierdeckeln) ist dem Totenhopfen-Team wichtig.

Patricia ist da guten Mutes: „Die Branche ist nicht die leichteste, aber ich glaube, dass sich Europa entwickelt in Sachen Craft. In vielen Ländern gibt es gute Restaurants, Top-Essen, guten Wein – aber dazu Industriebier. Das muss man ändern.“ Das gehe nicht von heute auf morgen. Man brauche Geduld, einen langen Atem – und nicht einfach nur ein gutes Produkt. „Es reicht nicht, ein gutes Bier zu brauen“, weiß Patricia. Die Logistik und die Markenkommunikation müssen stimmen, sagt sie. Und für Craft Brewer ganz wichtig: „Man muss fair sein.“ Nach ersten Abfüllungen in Flaschen hat sich Totenhopfen für die Dose entschieden. Die schützt das Bier optimal und ist für den Transport besser geeignet. Beides ist für ein Unternehmen wie Totenhopfen existenziell. Eine Dose sei aber auch optisch besser zu gestalten. „Wir sind Freunde von Design, alles muss stimmen. Leute kaufen auch nach Etikett“, erklärt Patricia. Dass der Inhalt der Dosen dann auch halten muss, was das Etikett verspricht, sei selbstverständlich. Die Qualität muss dann stimmen.

Um erfolgreich zu sein, dürfe man sich auch nicht auf auf Erfolgen ausruhen. „Die Szene will jeden Monat etwas Neues. Das ist positiv, aber viel Arbeit“, sagt Patricia. Totenhopfen experimentiert deshalb viel und hat sehr unterschiedliche Biere immer parallel im Angebot: vom Lager für Einsteiger bis hin zu einem mit grünen Kaffeebohnen aus Ruanda gebrauten Ale, das eher die Bier-Nerds interessiert. Aktuell sind aber unter anderem auch eine „Mango, Sichuan and Pink Pepper Gose“, eine „Gin Barrel Aged Imperial Juniper Rye Gose“, ein Double NEIPA, diverse IPA, ein Dry Stout und ein Bier mit Tee im Angebot.

Zu erleben, dass Menschen, die bisher wenig bis gar keine Erfahrung mit kreativen Bieren gemacht haben, mit einem Pfeffer-Bier Spaß haben, sei einfach cool, erzählt Patricia. Denn mit dem Bierbrauen sei es ja „wie beim Kochen“. Es sei so: „Wie kriege ich mit bestimmten Zutaten etwas Harmonisches hin? Das zu schaffen, ist cool. Trinkbarkeit ist das Wichtigste. Egal, was du braust: Du musst es trinken können.“

(19. August 2023)