Die Österreicher haben es vorgemacht: In der Nacht von 1. auf 2. Februar wurde das Pfand für Halbliter-Mehrweg-Glasflaschen von 9 auf 20 Cent brutto pro Flasche erhöht. Der Pfandeinsatz auf eine Kiste mit 20 Flaschen beträgt nun 7 Euro (4 Euro für 20 Flaschen und 3 Euro für die Kiste).
Wir haben bei den Verbänden der deutschen Brauer nachgefragt, was sie von der neuen Regelung im Nachbarland halten.

Der Verband Private Brauereien Bayern e.V. „begrüßt die Pfanderhöhung im österreichischen Mehrwegsystem“. Stefan Stang, Hauptgeschäftsführer des Verbands, sagt: „Unser Verband fordert bereits seit mehreren Jahren hier in Deutschland eine Anpassung des Pfandes auf Flaschen und Kisten. Unsere österreichischen Kollegen zeigen, dass eine Pfandumstellung unter bestimmten Voraussetzungen umsetzbar ist. Interessiert blicken wir daher auf die ersten Erfahrungen unserer österreichischen Kollegen nach der Umstellung Anfang Februar. Auch wenn in Österreich andere Rahmenbedingungen vorherrschen was Branchenstruktur und Rolle des Handels angeht, kann die Pfanderhöhung in Österreich als Blaupause für ähnliche Bestrebungen im deutschen Mehrwegsystem dienen.“

Er kann die österreichische Regelung gut verstehen, aber es gebe Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland, sagt Lothar Ebbertz, der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds. Er erklärt das so: „Beim Vergleich der Wiederbeschaffungskosten für Mehrwegflaschen mit der Höhe des bisherigen Pfandsatzes ist der Schritt nachvollziehbar. Die Argumentation der österreichischen Nachbarn ist nachvollziehbar und in meinen Augen richtig: Ein höheres Pfand verspricht einen schnelleren Gebindeumlauf, dadurch niedrigeren Gebindebedarf, die Gebindeverluste würden zurückgehen, die Kosten für den Gebindenachkauf wären durch das hinterlegte Pfand gedeckt, Man kann allerdings den österreichischen Markt nicht eins zu eins mit dem deutschen vergleichen. Er ist insgesamt deutlich kleiner, verfügt über einen höheren Einweganteil und auch die Vertriebsstrukturen sind andere (geringerer Anteil an Getränkeabholmärkten). Dies erleichtert die Umstellung tendenziell.“

Nina Göllinger, die Sprecherin des Deutschen Brauer-Bunds, äußert sich zurückhaltender: „Wir können die Entscheidung des Verbandes der Österreichischen Brauereien gut nachvollziehen. Die Kollegen aus Österreich hatten uns frühzeitig über ihr Vorhaben informiert. Das war sehr hilfreich für uns, denn zahlreiche deutsche Brauereien, die nach Österreich liefern, sind von der Umstellung betroffen. Grundsätzlich ist festzustellen: Die Biermärkte in Deutschland und Österreich sind kaum miteinander vergleichbar, wie die Tabelle unten zeigt. Eine Pfanderhöhung in Deutschland wäre deutlich komplexer und aufwändiger, zumal in Österreich zwei Faktoren mit ausschlaggebend für die Pfand-Entscheidung waren: die Einführung des Einwegpfands von 25 Cent zum 1. Januar 2025 (gibt es in Deutschland bereits seit 2003) sowie die Einführung Einführung einer neuen Bier-Poolflasche.
„Entwicklung beobachten“
Göllinger kündigt an: „Wir werden die Entwicklung in Österreich genau beobachten und uns mit den Kollegen in Wien austauschen, um aus deren Erfahrungen zu lernen. Dies kann nützlich sein, wenn es in Deutschland zu einer Pfanderhöhung kommt – auch wenn dieses Thema derzeit nicht oben auf unserer Agenda steht.“
Noch vor Beginn der Planungen in Österreich hatten der Deutsche Brauer-Bund und der Verband Private Brauereien eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingerichtet, „die sich intensiv mit der Fortentwicklung des Mehrwegpoolsystems in Deutschland befasste“, sagt Göllinger. Gesprächsthemen waren dabei auch „das theoretische Szenario einer Anhebung der Pfandsätze für Flaschen“. Göllinger: „Nach intensiver Prüfung stand jedoch fest: Eine Pfandsatzerhöhung wäre gegenwärtig nur sehr schwer umzusetzen, sie wäre extrem kostenintensiv für die Brauereien und auch nur realisierbar, wenn alle mitziehen würden – alle Getränkehersteller und -abfüller, vor allem aber auch der Handel und die Verbraucher, die derzeit ohnehin mit stark gestiegenen Kosten konfrontiert sind.“
„Kosten und Risiken für Brauereien“
Zum Hintergrund erklärt der Brauer-Bund: „Eine Kennzeichnung zur Unterscheidung von Flaschen und Kästen mit altem und neuem Pfand ist technisch nicht möglich. Deshalb könnte eine Pfanderhöhung nur – wie nun in Österreich – mit einem Stichtag umgesetzt werden. Dies erhöht die Kosten und die Risiken für die Brauereien enorm, weshalb wir als deutscher Verband das Szenario einer Pfanderhöhung nach wie vor sehr skeptisch und kritisch betrachten müssen. Schon eine Erhöhung des Pfandsatzes um 7 Cent von derzeit 8 auf künftig 15 Cent würde bei vier Milliarden Mehrweg-Bierflaschen im deutschen Markt bei den Brauereien zu einem Aufwand von insgesamt 280 Millionen Euro führen. Bei künftig 25 Cent wären es sogar 680 Millionen Euro! Auch die Umstellung tausender Rücknahmeautomaten im Handel ist sehr kostenintensiv. Die Antwort auf die Frage, inwieweit dieser Aufwand in den Folgejahren durch den höheren Pfandwert kompensiert werden kann, wird von Brauerei zu Brauerei sehr unterschiedlich ausfallen. In der Diskussion wird leider oft außer Acht gelassen, dass sich höhere Pfandsätze bilanziell auswirken. Nach den infolge Corona- und Energiekrise geschmolzenen Kapitaldecken können viele Betriebe eine solche Belastung nicht stemmen, gerade für kleine und mittelständische Brauereien besteht deshalb akut die Gefahr der Überschuldung.“
„Keine einfachen und schnellen Lösungen“
Grundsätzlich sei festzuhalten, „dass die Situation beim Mehrweg-Leergut komplexer ist, als viele ahnen und es deshalb keine einfachen Antworten und keine einfachen und schnellen Lösungen gibt“, sagt Göllinger und erklärt: „Die Auswirkungen einer Pfanderhöhung können je nach Unternehmen sehr unterschiedlich ausfallen, Kosten und Nutzen müssen individuell gegeneinander abgewogen werden. Unser wichtigstes Ziel ist es, das weltweit einmalige Mehrwegsystem in Deutschland zu erhalten, zu stärken und fortzuentwickeln. Mit einem Mehrweganteil von knapp 80 Prozent übertreffen die Brauereien als einzige Branche der Getränkewirtschaft das im Verpackungsgesetz der Bundesregierung festgehaltene umweltpolitische Ziel von 70 Prozent.“
„Anhebung des Mehrwegpfandes unbedingt notwendig“
Der Verband Private Brauereien Bayern e.V. sieht das anders. „Wir sind bereits seit mehreren Jahren im Austausch mit allen betroffenen Parteien – bisher leider ohne Erfolg. Aus unserer Sicht ist eine Anhebung des Mehrwegpfandes unbedingt notwendig. Andernfalls sehen wir unser Mehrwegsystem noch weiter gefährdet. Die umweltfreundlichen Einheitsflaschen würden so durch Einweggebinde oder Individual-Mehrwegflaschen mit einem höheren Pfandwert aus dem Markt gedrängt werden. Aus unserer Sicht ist es wenig sinnvoll, leere Individualgebinde, die nur von einer einzelnen Brauerei genutzt werden, quer durch Deutschland zu fahren. Bei einem höheren Anteil an Individualflaschen im Biermarkt erhöht sich zudem der Sortieraufwand in den einzelnen Brauereien“, sagt Stefan Stang.
„Mehrwegsystem mit einer Pfanderhöhung unterstützen“
Der Verband argumentiert so: „Sowohl aus wirtschaftlicher aber vor allem auch aus ökologischer Sicht ist dies wenig zielführend. Alle Welt spricht von Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Jetzt ist es an der Zeit unser umweltfreundliches Mehrwegsystem mit einer Pfanderhöhung zu unterstützen. Der aktuelle Pfandpreis für Mehrweg-Bierflaschen wie auch Kisten ist viel zu niedrig! Der Neubeschaffungswert für Flaschen und Kisten übersteigt den aktuellen Pfandwert von 8 Cent pro Flasche und 1,50 pro Kiste mittlerweile um ein Vielfaches. Dabei geht die Schere zwischen Pfandpreis und Neubeschaffungswert durch gestiegene Energiepreise und Inflation immer weiter auseinander. Wenn nun das Leergut nicht zurückgebracht wird, müssen Brauereien neue Flaschen zukaufen und bleiben folglich auf diesem Fehlbetrag sitzen. Besonders für kleine und mittelständische Brauereien ist dies ein enormer Kostendruck.
Eine weitere Folge des niedrigen Pfandwertes ist, dass Brauereien besonders in den Sommermonaten regelmäßig mit Leergutknappheit rechnen müssen. Denn für viele sind 8 Cent Pfand pro Flasche kein Anreiz, das Leergut ordnungsgemäß zurückzugeben. Bei einer Anhebung des Pfandes auf Flaschen und Kisten würde es sich für Konsumenten wie auch für den Handel wieder mehr lohnen, das Leergut bei der Brauerei abzuliefern.“
Zu hohe Umstellungskosten
Der Bayerische Brauerbund argumentiert wie der Deutsche Brauerbund. Auch in Deutschland sei das Pfand „im Prinzip zu niedrig, was für Flaschen wie Kästen gleichermaßen gilt“, sagt Lothar Ebbertz. In Österreich wird das Pfand auf Kästen zwar nicht angehoben, es ist aber dort auch bereits doppelt so hoch wie in Deutschland.
Ebbertz: „Die Höhe des Pfandes, die seit Jahrzehnten unverändert ist, stellt im Lichte allgemeiner Preissteigerungen einen im geringer werdenden Rückgabeanreiz dar. Fehlende Gebinde zwingen die Brauereien zum Nachkauf von Leergut. Die Kosten hierfür werden durch das Pfand aber nicht mehr annähernd gedeckt, die Brauerei zahlt also bei jeder Flasche und bei jedem Kasten drauf.“
Sinnvoll, aber zu teuer
Also ein Vorstoß wie Österreich? „Wir haben das Für und Wider einer Pfandanpassung seit Jahrzehnten immer wieder intensiv diskutiert – beispielsweise schon im Zuge der Euro-Einführung. Es gab Verbände-übergreifende Arbeitsgruppen, wir haben ein aufwändiges Excel-Tool entwickelt, anhand dessen jede interessierte Brauerei abhängig von verschiedenen unternehmensspezifischen Parametern die wirtschaftlichen Folgen einer Pfandanpassung hat durchrechnen können, wir haben eine Erhöhung in unseren Gremien immer wieder diskutiert und an der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit zweifelt auch kaum jemand. Allein: Die immensen Kosten, mit denen eine Pfandanpassung für die Branche insgesamt verbunden wäre, schrecken weiterhin ab – einmal ganz abgesehen z.B. von bilanziellen Problemen, die durch die schlagartige Erhöhung der Pfandrückstellungen in den Bilanzen der Brauereien zu verzeichnen wären und die wie vieles andere mehr einer vorherigen Lösung bedürfen“, winkt Ebbertz ab.
Auch er hat gerechnet: „Würde man für geschätzt 3 Milliarden in Deutschland umlaufende Bierflaschen das Pfand von 8 Cent auf 20 Cent wie in Österreich erhöhen, die Brache müsste mit Umstellungskosten alleine durch die Pfanddifferenz von bis zu 360 Millionen Euro rechnen, ohne Aufwendungen für die Umrüstung von Rücknahmeautomaten u. s. w.“
„Viele Brauereien warten darauf“
Das Fazit des Bayerischen-Brauerbund-Hauptgeschäftsführers: „Für die Österreichischen Kollegen freut es mich, dass es ihnen gelungen ist, sich mit dem Lebensmitteleinzelhandel auf Umstellungsmodalitäten und deren Finanzierung zu verständigen, die die Umstellungskosten zumindest etwas abfedern. Ermutigend finde ich zudem, dass der österreichische Marktführer, der zwangsläufig auch den größten Anteil der Umstellungskosten zu tragen hat, den eingeschlagenen Weg mitgeht. Wir schauen also gespannt auf die Nachbarn und die Erfahrungen, die sie mit der lange vorbereiteten Umstellung sammeln. Vielleicht können wir hier etwas lernen und auch in Deutschland einen neuen Vorstoß wagen. Ich weiß: Viele Brauereien warten darauf.“
(Die Fotos von Stefan Stang, Lothar Ebbertz und Nina Göllinger stammen von den jeweiligen Verbänden.)
(20. Februar 2025)