Die Wildnis im Bier-Glas

Martin Rolshausen

Kann man Eichenholz, die jungen Triebe der Tanne, Fichtenharz, Zirben-, Schwarzkiefer- und Lärchenzapfen trinken? Kann man. Und zwar als Zutaten in den Bieren von Axel Kiesbye. All diese Zutaten landeten bereits im Kessel des Braumeisters. Und noch viel mehr: Els-, Schwarz-, Vogel-, Wacholder-, Him- und Alpen-Johannisbeeren, Mädesüss-Blüten, Blätter der Silberweide, Kamillenblüten, Pfefferminz-Blätter, Eichenholz, Blüten der wilden Kirsche, Blüten der Holzbirne, Blütenhonig, Salzburger Steinsalz, Koriander und Lindenblüten.

Weihenstephan, Stiegl, Trumer


An Kreativität mangelt es dem aus Dortmund stammenden und in Österreich erfolgreich gewordenen Axel Kiesbye nicht, wenn er in seiner Naturbrauerei in Obertrum vor den Toren Salzburgs seine „Biere der Wildnis“ braut. Axel Kiesbye hat dort studiert, wo die Karriere der meisten Brauerinnen und Brauer beginnt: an der Technischen Universität München-Weihenstephan für Brauwesen. Als Diplom-Brauingenieur ging er zunächst zur Stiegl-Brauerei nach Salzburg und kümmerte sich dort um die Qualitätssicherung, wechselte aber bald als Chef-Brauer zur Trumer Privatbrauerei nach Obertrum. Dort gründete er dann auch sein eigenes Bier-Kulturhaus, in dem unter anderem Diplom-Biersommeliers ausgebildet wurden.


2011 braute er sein erstes Waldbier. Anlass war das „Internationalen Jahres des Waldes“ – in Österreich, wo man sich längst vom sogenannten Reinheitsgebot verabschiedet hat – und in Zusammenarbeit mit den Österreichischen Bundesforsten. Unrein ist Axel Kiesbyes Bier nicht, denn es besteht nur aus natürlichen Zutaten, knüpft an große und alte Brautraditionen an – etwa an die belgische. In Belgien brauen zum Beispiel Trappistenklöster nach altem Brauch auch mit Kräutern. Vor drei Jahren hat Kiesbye den klassischen belgischen Bierstil Saison mit Kamillenblüten verfeinert.

Zutaten sammeln im Wald


Sein erstes Waldbier kam jedenfalls so gut an, dass er seitdem jedes Jahr ein neues kreiert. „Während in den ersten fünf Jahren Nadelbäume die Zutaten aus der Natur lieferten, lag der Schwerpunkt danach auf Waldsträuchern und Wildobst. 2021 startete ein neuer Zyklus, bei dem der Fokus auf Herkunft und Waldlebensräume gerichtet ist“, erklärt Axel.

Die besonderen Waldzutaten werden stets in Handarbeit im Wald gesammelt. „Das Ergebnis sind exklusive, aus dem Ernteaufwand heraus auch streng limitierte Bierspezialitäten, die das vielfältige Aroma der heimischen Pflanzenwelt in Biergläser zaubern“, schwärmt der Braumeister.

Und wie schmeckt es? Drei Biere haben wir für Euch verkostet.

Steyrtaler Schluchtwald: Man riecht eine Mischung aus Johannisbeere und Hopfen (Axel hat Mühlviertler Aurora verwendet). Der Schaum ist grobporig, das Bier kupferfarben. Im Mund entfaltet sich erst eine ausgeprägte, aber keinesfalls unangenehme Bittere, im Nachtrunk entfaltet sich eine Umami-Note.

Wachauer Auwald: Das Bier riecht nach Sommer – aber ganz dezent. Wenn man die Augen schließt und sich Zeit zum Riechen lässt, steht man auf einer Sommerwiese. Im Mund dominiert zunächst der Geschmack von Honig und Kräutern. Die Bittere kommt spät – aber sie kommt. Der Wachauer Auwald ist das harmloseste der drei verkosteten Biere.

Ausseer Mischwald: In die Nase steigen Apfel und Lakritz. Wer dann Beerensäure erwartet, wird enttäuscht sein – stattdessen kommt im ersten Schwung eine Karamellnote. Es folgen eine angenehme Malzsüße, Harz- und Holznoten – das alles sehr harmonisch und vollmundig. Ausseer Mischwald ist aus unserer Sicht das faszinierendste der Wildnis-Biere, ein richtig großes Bier.

Hier gibt es weiter Informationen und die Biere.


Fotos: ÖBf/Roast Media und Martin Rolshausen

(20. März 2025)