EMMA – BIERE OHNE BART: Bier ist der Sinn des Lebens

Nina Anika KlotzIm Portrait

Als die Lehrerin Almut Zinn das Bierbrauen für sich entdeckt, wirft sie das in eine schwere Sinnkrise – an deren Ende plötzlich „Emma – Biere ohne Bart“ steht.

„Der Ersthype ist vorbei“, sagt Almut Zinn, auf den Events ist immer weniger los. „Und so ist eigentlich auch gut.“ Das Thema Craft Beer müsse von diesem Hype runter und gehört in den Alltag, findet die Self-Made-Brauerin. „Besser als ‚Komm, wir trinken jetzt mal dieses Craft Beer‘ ist: ‚Komm, wir gehen in den Brewpub unserer Stadt und trinken da gutes Bier.‘“

Natürlich nehme sie, wie viele ihrer brauenden Kollegen auch, die einkehrende Ruhe mit einer gewissen Beunruhigung wahr. Schließlich hat sie viel, alles fast, riskiert, hat Bier zu ihrem Beruf gemacht. „Aber manche sagen ja auch, das Thema ‚Bewusstsein für gutes Bier‘ ist noch gar nicht richtig angekommen und wir fangen immer noch erst an. Und ich hoffe einfach jetzt mal sehr, dass das so ist.“ Das wäre dann so wie mit dem deutschen Wein in den 1980ern, überlegt sie, als der eine Aufwertung erlebt hat und wodurch die Qualität des deutschen Weines allgemein einen Riesensprung gemacht hat.

Emma Bier

Alle Farben: Emma Biere bei Sonnenlicht. (Foto: Emma)

Und dann erzählt die Frau aus dem südwestlichstens Süden Deutschlands warum sie nun seit zwei Jahren in schlaflosen Nächten über die Entwicklung der deutschen Bierwirtschaft nachdenkt: „Als dieses DIY-Thema aufkam, war ich schnell ziemlich begeistert und festgestellt, dass ich in mir auch eine große Sehnsucht habe, etwas selbst zu machen“, erzählt sie. Und dass es um ein Haar auch Käse hätte werden können. Oder Tofu, vielleicht. Pickles. Ach, oder eigentlich auch nicht – denn Bier ist schon toller. Bier hat Almut richtig gepackt. Im Gegensatz zu all den anderen DIY-Projekten, die sie vor ein paar Jahren in einer Welle der Begeisterung fürs Selbermachen so ausprobiert hat.

Man kann sogar Bier selber machen!?

„Als dieses DIY-Thema so aufkam, war ich schnell ziemlich begeistert. Ich habe mir Unmengen Filmchen dazu angeschaut und festgestellt, dass ich in mir auch eine große Sehnsucht habe, etwas selbst zu machen“, erzählt sie.

Auf einer USA-Reise kommen dann gleich zwei Hallo-Wach-Momente zusammen. Erstens, braut ihr Airbnb-Host, wie so viele Amerikaner, sein eigenes Bier. „Das war total lecker. Und ich habe gestaunt, dass man Bier auch selber machen kann“, erinnert sich Almut. „Das ist doch eigentlich komisch. Hätte er sein eigenes Brot gebacken, hätte ich mir gar nichts dabei gedacht. Oder selbst bei Joghurt oder Käse hätte ich mich nicht so gewundert. Aber gerade bei Bier, da hatte ich unbewusst so die Vorstellung: Das kann man doch gar nicht selber machen, da braucht man doch große Maschinen und so…“

Stimmt aber halt nicht, wie Almut schnell lernt. Eigentlich braucht man nur einen Topf und ein paar Plastikeimer. Damit legt Almut Zinn aus dem Urlaub zurück dann auch gleich los.

Versuch macht kluch

Ihr erstes Bier ist eher so mittel. „Es war sehr bitter. Aber es hat toll gerochen!“ Aus Leichtsinn hatte sie ein bisschen zu generös gehopft. Das zweite Bier braut sie eigentlich nur, weil das Equipment nun mal schon da ist. Und dann wurde es – mehr oder weniger aus Versehen – ein richtig, richtig gutes Bier. „Obwohl ich etliche Braufehler gemacht habe.“

Emma Bier

Emma Bier ist da zuhause, wo andere Urlaub machen. Und Kühe grasen. (Foto: Emma)

Was dann passiert, ist vielleicht so etwas wie Schicksal. Fügung. Es kommen unterschiedliche Dinge zusammen: Almut lernt über ihre Heimbrauerei spannende Leute kennen, die ihre neue Leidenschaft teilen, sie kriegt tolles Feedback zu ihrem Bier, und dann ist es einfach auch genau diese Zeit. Diese Zeit, in der das Thema Craft Beer nur einen Weg kennt: nach oben.  Sie will das mit dem Bier nicht nur als ein Hobby machen, sie will ihre Biere verkaufen. Eigentlich, ja eigentlich will Almut Brauerin werden.

Should I stay or should I go?

Eine Weile lang ist das ihre Nebentätigkeit. Die hat sie brav angemeldet, bei ihrem Chef, dem Schulleiter. Almut Zinn ist Englisch- und Deutschlehrerin an einem Gymnasium. Verbeamtet. Ein Job, den man nicht aufgibt. Eigentlich.

„Das war ein irres Arbeitspensum“ erinnert sich Almut. Das ging, weil es ihr so viel Spaß gemacht hat, das Bierbrauen und so. „Aber irgendwann musste ich mir selbst eingestehen: Ich kann nicht ewig beides machen, mein Ein-Frau-Business zum Laufen bringen und Lehrerin sein.“ Sie musste sich entscheiden.

Es ist natürlich superhart: Einen Beamtemjob aufgeben, mit Mitte Vierzig, für eine Selbstständigkeit, noch dazu eine in einem neuen Markt, in einem Beruf, den sie nie gelernt hat? „Ich war umgeben von Beamten, sehr sicherheitsliebenden Menschen. Die haben mir die Entscheidung nicht leichter gemacht. Immer aber, wenn ich mich mit Selbstständigen unterhalten habe, habe ich das Ganze wieder lockerer gesehen und erkannt, dass man sich an diese Unsicherheit auch gewöhnen kann.“

Emma Bier

Der erste große Hit: Das Zapotopaz. (Foto: Emma)

In harten Wochen voller schlafloser Nächte und intensiver Diskussionen mit ihrem Mann, der die Idee vom Bierstartup ziemlich wahnsinnig findet (also: nicht im Guten), fragt Almut Zinn sich immer wieder: Was will sie mit ihrem Leben eigentlich machen? Wie will sie es weiter nutzen? „Ich habe nie zuvor so intensiv und so lange am Stück über den Sinn des Lebens nachgedacht.“

Und dann: Emma Bier ohne Bart

Und die Antwort darauf war letztlich – Bier! 2016 gründet Almut Zinn „Emma – Biere ohne Bart“, ihr ganz, ganz eigenes Bierlabel. Emma, das ist Almuts zweiter Vorname und der ihrer Oma. Emma soll aber bitte und gern auch ein bisschen nach Emanzipation klingen. Das „ohne Bart“ bezieht sich, erklärt Almut, zum einen auf das gängige Styling der Craft Beer Brauer weltweit, der ultra Bärtigen. Es ist aber eben auch Bier wie ein Witz ohne Bart – frisch und gut.

Sie braut als „Kuckucksbrauerin“ bei der Brauerei Rogg in Lenzkirchen im Hochschwarzwald. Ihr erstes und bis heute hocherfolgreiches Bier heißt deshalb auch „Kuckucksrot“. Der zweite Knaller ist das „Zapotopaz“. Das wird 2017 auf der Bierplattform RateBeer.com zum besten Bier aus Baden-Württemberg gewählt. Dazu kommen als saisonale Biere bald das „Salto Orale“ (Imperial Stout) und „Heimspiel“, ein leichtes Pale Ale. „Das läuft so gut, dass ich plane, es in mein Standardrepertoire aufzunehmen“, sagt sie.

Emma Bier

How it’S done: Almut Zinn beim Brauen. (Foto: Emma)

Almut Zinn hat sich einen Traum erfüllt. Trotzdem sind da natürlich noch Wünsche offen: Das mit dem Kuckucksbrauen ist eigentlich toll, aber! Im Stillen plant Almut ihre eigene Brauerei. „Bei der Brauerei Rogg werde ich umsorgt wie in einem Hotel. Wenn ich braue, dann bin ich zwar den ganzen Tag da und treffe alle wichtigen Entscheidungen, aber das Fässer schleppen und das Tanks reinigen, das wird für mich erledigt.“ Dabei will sie das gar nicht, sie möchte schuften und anpacken. Und deshalb macht sie jetzt Cross-Fit, trainiert extra-hart, macht sich selbst bereit für die eigene Brauerei. „Ich will so fit und so stark werden, wie es mir nur möglich ist“, sagt sie. „Ja, so sehr will ich das alles nämlich.“