Es ist Mittwochabend in Wien – und die Sehnsucht nach dem überNormalNull aus Hamburg ist groß. Jenny von den BeerLovers, dem größten Laden für Kreativbier in der Stadt, hat eine spannende Reihe von alkoholfreien Bieren zusammengestellt. Weizen von Maisel und Guttmann, IPA von Riegele und Brewdog, Biere von Mikkeller, Leffe und etwas in Bio vom Brauhaus Gusswerk. Mitglieder der Interessengemeinschaft (IG) Bier, der österreichischen Abteilung der European Beer Consumers Union, haben sich hier getroffen, um sich mit einem Bierstil zu beschäftigen, der immer beliebter wird – dem Alkoholfreien.
Alkolfreies Neipa hat die ABC 2023 gewonnen
Dass die Bier IG keine Berührungsängste hat, wenn es um Alkoholfreies geht, hat sie bei der von ihr organisierten Austrian Beer Challenge (ABC) im Herbst vergangenen Jahres gezeigt. Aus den Gewinnerbieren aller Stile hatte die international besetzte Jury als „Best of Show“-Bier das alkoholfreie Neipa der Kärntner Brauerei Loncium gewählt. So wie das Loncium-Neipa wollte an diesem Abend allerdings keins der ausgewählten Biere überzeugen. Aber fast jedem der Verkosterinnen und Verkoster fiel ein Bier ein, das auch ohne Alkohol wirklich umhaut. Das ü.NN von Kehrwieder in Hamburg zum Beispiel. Es sei nicht nur eins der ersten alkoholfreien IPA überhaupt und erste in Deutschland, es sei auch seine „stärkste Marke“, hatte Brauer Oliver Wesseloh im Hopfenhelden-Gespräch im vergangenen Sommer erzählt.
Technische Hilfestellung aus Bamberg
Während in Wien über alkoholfreies Bier gefachsimpelt wurde, stellte man sich rund 500 Kilometer weiter westlich die Frage, wie man den Alkohol aus dem fertigen Bier wieder rauskriegt. Wizard, also Zauberer, lautet die Antwort. So nennt sich die neue Entalkoholisierungs-Anlage der Bamberger Firma Kaspar Schulz. Den Beginn ihrer Unternehmensgeschichte datiert die Firma auf das Jahr 1677. Sie liefert so ziemlich alles, was Brauer, aber auch Schnapsbrenner brauchen – vom Sudhaus bis zum Lagertank, vom Expansionsverdampfer bis zur Filteranlage.
Hingucker auf der BrauBeviale
Die auf der BrauBeviale im November in Nürnberg wohl am meisten bestaunte neue Maschine ist der Wizard: „In einer Zeit, in der das Bewusstsein für verantwortungsvollen Alkoholgenuss und die Vielfalt alkoholfreier Getränke stetig wachsen, hat sich Schulz dazu entschieden, eine eigene Anlage zu entwickeln, die es auch kleineren und mittelständischen Brauereien ermöglicht, alkoholfreies Bier von höchster Qualität herzustellen. Der innovative Ansatz: Parallel zur Heißhaltestrecke einer konventionellen Kurzzeiterhitzungsanlage ermöglicht der Schulz Wizard eine vakuumbasierte Alkoholverdampfung bei geringer Hitzebelastung“, erklärt das Unternehmen seine neue Anlage.
Die Anlage verfügt nach Angaben des Herstellers auch über einen Tank, der im Kurzzeiterhitzungs-Betrieb als Puffertank und im Entalkoholisierungs-Prozess als Stapeltank für entgastes Wasser „zur Einstellung der gewünschten Stammwürze des Bieres dient“. Mit dieser Anlage, verspricht das Unternehmen, kann man 10 Hektoliter Vollbier mit durchschnittlich 4,9 % Volumen Alkohol in knapp 12 Stunden auf unter 0,5% Volumen Alkohol bringen. Durch die Erweiterung um eine zweite Verdampfungseinheit könne man „die Zirkulationszeit halbieren oder die Chargengröße verdoppeln“.
Vor allem kleine Brauereien im Blick
Einen Absatzmarkt sieht Kaspar-Schulz vor allem bei kleinen Brauereien. Denen sei die Herstellung eines eigenen Alkoholfreien Bieres bisher zu teuer gewesen, heißt es in Bamberg. Entweder hat man also sein Bier andernorts entalkoholisieren lassen oder zur Belieferung von Kunden ein Alkoholfreies zugekauft – oder den Markt anderen überlassen müssen. Gerade in einem wachsenden Markt (der deutsche Brauerbund spricht von einem Anteil der Alkoholfreien von rund 7 % – Tendenz steigend) sei es also auch für die kleineren Brauereien wichtig, ein eigenes Produkt im Angebot zu haben.
Verfahren ohne Maschine
Während Olli Wesseloh in Hamburg das als einer der ersten Kreativbauer schon vor vielen Jahren erkannt hat, ist Oli Lemke in Berlin recht spät auf den alkoholfreien Zug aufgesprungen. Er hat seit vergangenem Jahr ein Pale Ale und ein Helles dazu im Angebot. Beide Pioniere der deutschen Kreativbierszene haben sich allerdings für ein anderes Verfahren entschieden: Sie brauen mit einer Hefe, die Malzzucker nicht vergären kann. Und dann gibt es noch das Verfahren mit der gestoppten Gärung – aber das ist dann eine andere Geschichte.
(17. Februar 2024)