EULCHEN BIER: Eulen an den Rhein tragen

Markus Büssecker

Statt grauer Theorie: Wie zwei Mainzer Kommunikationsdesign-Studenten aus ihrer Bachelor-Arbeit ein Craft-Beer-Start-Up gemacht haben und mit ihrem Eulchen Bier die Landeshauptstadt beglücken

 

„Entwicklung neuartiger Formulierungen von biologischen Repellenzien zur Applikation als Saatgutbeize gegen Vogelfraß“. Oder „Nano- und mikrorheologische Vorgänge in Mischungen von Modellkomponenten moderner Betone“. „Ikonographische Studien zur Rezeption des antiken Themas der Jahreszeitenprozession im 16. und 17. Jahrhundert und zu seinen naturphilosophischen, astronomischen und bildlichen Voraussetzungen.“ Und „Rekonstruktion und Analyse von Spurengasverteilungen aus Messungen des flugzeuggetragenen abbildenden Spektrometers Gloria zum besseren Prozessverständnis klimatisch sensitiver Atmosphärenbereiche“.

So heißen Abschlussarbeiten.

„Rebellion gegen Einheitsbier“? Das klingt eigentlich viel zu gut. Zu spannend, lebensnah und lecker. Ist aber trotzdem wirklich der echte Titel einer Bachelorarbeit im Fach Kommunikationsdesign an der Hochschule Mainz. Leonidas Lazaridis und Philip Vogel haben die im Dezember 2013 dort eingereicht.

Aus Theorie wird Praxis

Um jede Spannung raus und das Ende vorweg zu nehmen: Die beiden haben damit – natürlich – bestanden und sogar eine glatte Eins damit abgesahnt.
Aber es ist noch viel mehr passiert: Aus einer eigentlich trocken-theoretischen Bachelorarbeit ist fast von allein ein kleines Start-Up geworden, das nach und nach immer mehr Fahrt aufnahm. Die Eulchen bekamen Flügel, könnte man sagen. „Eulchen“, so heißen nämlich Bier und Bierstartup der beiden Mainzer, die damit die Bierszene ihrer Heimatstadt aufmischen.

Was erst einmal nicht allzu schwer scheint. Denn: In Mainz ist biermäßig – abgesehen von Kuehn Kunz Rosen – nicht viel los. Erstaunlicherweise. Genau das sei die Ausgangsfrage ihrer Thesis gewesen, erklärt Leonidas: „Warum gibt es gerade im Raum Mainz kein eigenes Bier mehr?“ Dabei verweist er auf die Jahrhunderte alte Mainzer Brautradition, die mit bekannten Namen wie Schöfferhofer verbunden ist (geht auf die Mainzer Schöfferhof Brauerei zurück – die allerdings seit 1971 nicht mehr ist). Davon sei heute kaum mehr etwas übrig.

Eulchen Bier

Sieht gut aus! Natürlich. Das Werk der beiden Kommunikationsdesignstudenten. (Foto: Büm)

Eigentlich würde es in einer Abschlussarbeit im Bereich Kommunikationsdesign dann darum gehen, wie man Verpackungen für ein eben solches Mainzer Bier gestalten könnte, es ginge um Logos, Etiketten, Gestaltung, das ganzen Außenherum eben. Aber Leonidas und Philip wollten mehr: Bei ihrer Abschlussarbeit sollte alles aus eigener Hand kommen. Auch der Inhalt der gut gestalteten Verpackung. Gerade der Inhalt! Die beiden Foodies waren sich einig, dass bei allem schönen Drumrum der doch eigentlich in den Vordergrund gehört. Also: Ran ans Bier! Selber! Brauen! 300 Bierproben später, nach ein paar Hospitationen bei Brauereien und ungezählten Heimbrauversuchen standen die Bachelor-Kandidaten schließlich mit ihrem ersten, eigenen Bierrezept für ein neues Mainzer Bier da.

In der Gasthofbrauerei zur Traube in Nidda setzten sie das Rezept in Malz und Hopfen um. Heraus kamen 2.000 Flaschen „Eulchen“, ein ungefiltertes Märzen mit 5,4 % Vol., eine eher untypische Biersorte für einen Erstling. Die Entscheidung für diesen Bierstil sehen Leonidas und Philip in gewissem Maße stellvertretend für ihre individuelle Herangehensweise an das Brauen: „Wir denken Bier ausschließlich aus unserer Sicht und haben dabei einen starken Bezug zur Geschichte“, sagt Philip. Leonidas ergänzt: „Wir versuchen, das Beste, was es auf dem deutschen Biermarkt schon gibt, zu kombinieren und neu zu interpretieren. Und das sowohl in der Geschichte, als auch im Geschmack.“ So seien auch der Name „Eulchen“ und die wappenähnliche Gestaltung der Etiketten als konsequente Fortführung der mittelalterlichen Gasthaustradition zu sehen.

Pop Up und doch nicht weg

2000 Fläschchen Bier muss man natürlich dann auch wieder loswerden. Also eröffneten die beiden Studenten im November 2013 einen Pop-Up Store in Mainz. Und die Eulchen schlugen ziemlich ein, der Erfolg habe sie beide überwältigt, so Leonidas und Philip. Und dann beschlossen sie, aus der einmaligen Aktion ein kontinuierliches Projekt zu machen.

Eulchen Bier

Das ist eine Trinkhalle. DIE Trinkhalle. In der es Eulchen gibt. (Foto: Eulchen Bier)

Seit dem Frühjahr 2015 haben sich Philip und Leonidas in einer „Trinkhalle“ – einer Art Kiosk, für Menschen im Norden und Süden der Republik – neben einer Straßenbahnhaltestelle in der Mainzer Neustadt eingerichtet und verkaufen dort ihre Biere. Ja, Biere. Sind bereits mittlerweile schon drei verschiedene Sorten, ein hopfengestopftes Weißbier und ein dunkler Doppel-Bock, ebenfalls hopfengestopft, sind zu den Märzen-Eulchen dazugekommen, gebraut bei bei Aalener Löwenbräu in Aalen.

Obwohl der Zuspruch vor Ort ungebrochen ist, sind die Jungunternehmer viel auf Messen und
Events in der ganzen Republik unterwegs. Craft Beer ist eben eine überregionale Angelegenheit, wenngleich Mainz Herz und Heimat der Eulchen bleibt. „Uns ist es wichtig, lokal verwurzelt zu sein, weil wir uns stark der Mainzer Geschichte verbunden fühlen“, bejaht Leonidas die Frage nach lokalen Wurzeln, schließt aber an, dass dies kein generelles Erfolgsrezept für handgemachtes Bier oder Craft Beer sei. Überhaupt können die Eulchen den endlose Diskussionen um Begriffsdefinitionen in der Szene nur bedingt etwas abgewinnen. „Einzelne Begriffe sind eigentlich nebensächlich, wenn es darum geht Bier als qualitativ hochwertiges Lebensmittel ins rechte Licht zu rücken“, stellt Philip die eigentliche Mission in den Fokus.

Es bleiben deutsche Bierstile – neu interpretiert

Generell blicken Leonidas und Philip, die beide mittlerweile Vollzeit für Eulchen Bier arbeiten, optimistisch in die Zukunft. Für sich glauben sie, die richtige Nische als Brückenbauer für spezielle Biere zwischen Vergangenheit und Gegenwart gefunden zu haben. Das wird sich auch in den kommenden Stilen zeigen. Philip verrät schon einmal: „Weitere spannende deutsche Biersorten zu beleben, das ist unser Ziel.“

Die Rebellion gegen Einheitsbier in Mainz ist also noch lange nicht am Ende. Ob allerdings eine Masterarbeit folgen wird, bleibt bei dem vollen Terminkalender der beiden Startupper fraglich.

Eulchen Bier

Eulchen unverkleidet: Leonidas Lazaridis und Philip Vogel (Foto: Büm)

 

Auf einen Blick

Eulchen Bier

Leonidas Lazaridis, Philip Vogel

Eulchen Website

Bekannteste Biere:

  • Eulchen Märzen
  • Eulchen Doppelbock
  • Eulchen Weißbier

Hopfenhelden's Choice:

  • Eulchen Märzen