Bier ist älter als man vielleicht denkt. Schon vor den alten Ägyptern haben die Menschen so etwas ähnliches wie Bier gebraut oder, nun ja, fabriziert. Römer, Kelten und Germanen haben Bier getrunken und alle nach ihnen sowieso. Und Frauen in der Biergeschichte spielen eine ziemlich große Rolle.
Eigentlich war Bier Jahrtausende lang Frauensache. Das Bierbrauen, vor allem. Aber ebenso das Biertrinken. Brauen war die längste Zeit eine ganz normale, hauswirtschaftliche Tätigkeit. So wie die Hausfrau alle paar Tage Brot backte, so braute sie einmal die Woche halt auch Bier. Da brauchte es keine Meister und keine Profis und keine riesige Brauereien – Bier machen war auch nichts anderes als Marmelade kochen, nur leckerer.
Das Hausbier wurde von allen getrunken, Männern wie Frauen, Jungen und Alten. Oft war Bier nämlich das sicherste Getränk. Wir reden hier vom Mittelalter und der Zeit davor: Im Gegensatz zum Wasser dieser alten Tage war Bier in der Regel keimfrei, durch das Kochen während des Brauprozesses, den Alkohol und den antibakteriell wirkenden Hopfen. Außerdem war und ist Bier ein nährendes Getränk. Nicht zu Unrecht sprechen sie ja heute noch vom „flüssigen Brot“ und davon, dass drei Bier auch ein Schnitzel sind.
Göttliches Bier
Wenn man beide Augen zudrückt, könnte man sogar behaupten, das Bier sei von einer Frau erfunden worden. Von der Göttin des Schicksals, nämlich. Das allererste Bier war ein Zufall. Ein Unfall vielleicht gar, der wohl – da sind sich die Bierhistoriker einigermaßen einig, auch wenn freilich vieles im Dunkeltrüb der Geschichte wabert, was heute nicht mehr einwandfrei und felsenfest zu beweisen ist – irgendwo im Norden Afrikas oder dem Vorderen Orient passiert ist. Die Babylonier und die Sumerer stehen im Verdacht, die ersten Biertrinker gewesen zu sein, nachdem hier nass gewordenes Fladenbrot (oder achtlos stehen gelassene Getreidesuppe, wer weiß das schon so genau) zu gären und völlig überraschenderweise gut zu schmecken begann. Und wer war für den Pott beschwingenden Getreidesudes wohl verantwortlich? Natürlich: Die Frauen. Wer denn auch sonst.
Eigentlich ist es also auch gar nicht verwunderlich, dass die erste Göttin des Bieres eben genau das war, eine GöttIN. Ninkasi heißt diejenige, die in der Mythologie der Sumerer für Bier zuständig war. Das zieht sich dann im Weiteren so durch: Bei den Ägyptern war Tjenenet (auch: Tenenit) sowohl für Geburten als auch für das Bierbrauen zuständig (merken, ist die Kreuzworträtsellösung für „Ägyptische Gottheit des Bieres“), in der Kalevala, dem finnischen Nationalepos, ist es eine Jungfrau namens Osmotar, die auf die geniale Idee kommt, aus Gerste, Wasser und Hopfen ein fantastisch schmeckendes Getränk zu brauen.
Ägypter, Griechen, Römer – Bier für alle!
Die alten Ägypter, die Griechen, die Römer – alle kannten bereits Bier. Nicht vielleicht in seiner heutigen Form, aber eben als ein berauschendes Getränk auf Getreidebasis. Bei Griechen und Römern stand es imagetechnisch hinter dem Wein. Manchmal liest man, Bier sei im Gegensatz zum Wein das Getränk der Schwachen gewesen. Damit könnten die wirtschaftlich Schwächeren, also das einfach Volk, gemeint sein, manche Historiker legen das aber auch so aus, dass Bier eher was für das Weibervolk war. Bei den Kelten und Germanen hingegen lief Bier geschlechtsübergreifend – nicht zuletzt vermutlich in Ermangelung des Weines – ziemlich gut. Und auch hier, wie schon bei den Sumerern, waren es die Frauen, die für die Sicherstellung eines nicht endenden Bierflusses zuständig waren.
Ein Braukessel war lange Zeit ein üblicher, fester Bestandteil der Mitgift von Frauen in unseren Breiten. Eigentlich haben erst da Männer angefangen zu brauen, wo es keine Frauen gab: In den Klöstern nämlich. Mönche mauserten sich als fast so gute Braumeister wie die Frauen von anno dazumal. Und tatsächlich prägt die Kloster-Brautradition unsere Bierlandschaft bis heute, die verbrieft älteste Brauerei Deutschlands ist die des einstigen Klosters Weihenstephan. Paulaner, Franziskaner und Augustiner gehen mehr oder weniger direkt auf Klöster gleichnamiger Orden zurück und so weiter. Trotzdem war es kein Abt sondern eine Äbtissin, die sich quasi wissenschaftlich mit dem Bier zu befassen begann: Die Benediktiner-Nonne Hildegard von Bingen (1098 – 1179).
Cervisium bibat!
In ihrem Buch »Von dem inneren Wesen der Naturen« beschrieb von Bingen unter andere die große Heilkraft des Hopfens und damit auch des damit gewürzten Bieres. Völlig zu Recht stellte sie fest, dass Bier das Zeug hat, Einschlafprobleme zu mindern und dass Bier selten zu Verdauungsproblemen führt, wohl weil, und auch hier lag sie richtig, der Hopfen „gewisse Fäulnis von den Getränken“ halte. Ihre Empfehlung an alle, Mitschwestern und Brüder, ganz kurz und knapp:
„Cervisium bibat!“ – Man trinke Bier.
Auch eine andere große Bierfrau der deutschen Geschichte hatte die Braukunst als Nonne im Kloster gelernt: Katharina von Bora (1499-1552), die Ehefrau vom Reformator Martin Luther, war dessen eigener Überlieferung nach eine herausragend gute Brauerin. Ein Naturtalent. Luther ließ sich sogar auf Reisen biertechnisch von ihr versorgen, weil eben keine es am Braukessel so drauf hatte wie seine Frau Katharina. Sie möge doch bitte „ein Pfloschen ihres Bieres zu ihm schicken so oft sie könne“, schrieb er in einem Brief an sie. Und dann drohte er ihr darin auch gleich noch, er würde einfach nicht nach Hause kommen, bevor sie nicht, flott, flott, den nächsten Sud Katharina-Spezial für ihn fertig gebaut hatte. Dass Luther selbst ein ganz, ganz großer Bierfreund war, bestätigt sein bis heute vielfach gefeiertes Zitat: „Wer kein Bier hat, der hat nichts zu trinken“.
Bierklatsch der alten Tage
Der Vorläufer des Kaffeekränzchens soll übrigens das Bierkränzchen gewesen sein, bei dem sich Frauen immer dann trafen, wenn einer von ihnen ein Sud besonders gut gelungen war. Die Nachbarinnen kamen bei der erfolgreichen Brauerin zusammen, um Brot ins Selbstgebraute zu tunken und, nun ja, zu plauschen. Muss auch sein.
So. Und was zur Hölle ist dann eigentlich passiert, dass Bier landläufig heute als Männerding gilt, das bis vor Kurzem nicht einmal zehn Prozent aller Lehrlinge des Berufes Brauer und Mälzer in Deutschland Frauen waren, dass Bier einfach keine Frauensache mehr zu sein scheint?
Eigentlich gibt es darauf keine wirklich zufriedenstellende Antwort. Tatsächlich ist es so, dass mit der Professionalisierung und der Kommerzialisierung des Bierbrauens den Frauen die Sache einfach mehr oder weniger entglitt. Es waren vor allem die Mönche der hochmittelalterlichen Klöster, die anfingen, mit ihrem Bier zu handeln, die das Brauen institutionalisierten. Brauen war eben doch nicht dasselbe, wie Suppe fürs Abendessen kochen. Mit gutem Bier, so stellten sie fest, ließ sich gutes Geschäft machen.
Zu den Klöstern gehörten in der Regel Felder, auf denen große Mengen Getreide angebaut werden konnten, die Klöster hatten Vermögen um großes Brauwerkzeug anzuschaffen und so entstanden hier also Brauereien, die weit mehr als den Eigenbedarf durstiger – und in der Fastenzeit auch extrem durstiger – Mönche stillen konnten.
Brauer ist jetzt ein Beruf
Das Brauen wurde zu einem Beruf, aus dem Mitgift-Braukesselchen wurden 1000-Liter große Bottiche und aus der Hausbrauerin wurden schwere Säcke schleppende und hart schuftende Braumeister. Frauen hatten zu jener Zeit selten „richtige“ Berufe außerhalb des eigenen Heims plus das Brauen im großen Stil war tatsächlich eine große körperliche Herausforderung.
Natürlich gab es immer mal wieder Ausnahmen und ab und an glänzte mal wieder eine Frau in der Biergeschichte hervor. Therese Wagner, zum Beispiel. Die war so eine Ausnahme. Sie übernahm 1845 nach dem Tod ihres Mannes Anton die Augustiner Brauerei in München und führte sie zu ihren Lebzeiten von einem kleinen Betrieb zur Großbrauerei. Mathilde Schneider war so ein anderes Beispiel. Sie rettete die Schneider Weisse Brauerei durch den Ersten und Zweiten Weltkrieg .
Ale-Wifes und Kellnerinnen
Aber so ganz allgemein gesprochen: Bald spielten Frauen in der Biergeschichte eigentlich nur mehr als Händlerinnen und Serviererinnen eine Rolle: In Großbritannien betrieben die „Alewifes“ Kneipen und Bierausschänke, waren dabei oft ein bisschen verschrien, ein ehrbarer Beruf war das jedenfalls nicht. In Bayern, in München besonders, wurden die Bier-Kellnerinnen zu einer besonders bekannten, teils umjubelten, teils eher tragischen Berufsgruppe: Einerseits waren sie so etwas wie Aushängeschilder und Botschafterinnen der Landeshauptstadt, sie waren diejenigen, mit denen Besucher oft als erstes Kontakt aufnahmen, sie standen für München und sein Bier. Auf der anderen Seite war es ein hartes Geschäft: Die Bierkellnerinnen kauften – wie die Wiesenbedienungen heute immer noch auch – das Bier dem Wirt ab und verkauften es an den Gast weiter. Ihre Gewinnspanne dabei war äußerst gering. Und so war das Bierservieren ein anstrengender und nicht immer lohnendwerter Beruf. Die Kellnerinnen waren abhängig vom Trinkgeld der trinkenden Kundschaft.
Irgendwie so wurde das Bier im Laufe der Zeit mehr und mehr zu einer Männersache, die Frauen hatten die Herrschaft über das Brauen abgeben müssen. Warum das aber auch den Konsum von Bier betreffen sollte, ist so eigentlich nicht zu erklären. Wieso hörten Frauen auf, Bier zu trinken? Warum wurde aus dem Bier- ein Kaffeekränzchen?
>> Das ist ein Auszug des Buches „Von wegen hell und süffig – Das ultimative Bierbuch für Frauen“ von Nina Anika Klotz, erschienen im Christian Verlag 2019. Darin geht es nicht nur um Biergeschichte, sondern auch um Bierstile, Rohstoffe und den Brauprozess, die Frage, ob Frauen anders schmecken als Männer, Biersensorik und Bierpairings, es gibt Biertipps und elf Portraits herausragender Bierfrauen, kurzum: 192 Seiten pure Bierlesefreude.